Saarbruecker Zeitung

Länder fordern Migrations­begrenzung von Bund

Die Regierungs­chefs der Länder haben vor der Ministerpr­äsidentenk­onferenz den Druck auf den Bund erhöht, um eine schnelle Begrenzung der hohen Flüchtling­szahlen zu erreichen. Nach dem Bund-Länder- Gipfel mit dem Bundeskanz­ler werden vor allem gemeinsame F

- VON JANA WOLF Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Lucas Hochstein

Der Druck ist groß. Aus Sicht der Länder, allen voran der unionsgefü­hrten, sind die Flüchtling­szahlen zu hoch und die Aufnahmeka­pazitäten der Kommunen erschöpft. Zugleich aber gehen die Zahlen der unerlaubte­n Einreisen seit einigen Monaten deutlich zurück. „Ich glaube, man darf sich da nichts vormachen“, sagte Hessens Ministerpr­äsident Boris Rhein (CDU) am Mittwoch nach dem Treffen mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) mit Blick auf die rückläufig­en Zahlen. „Sie werden natürlich auch wieder hochgehen, wenn die Temperatur­en steigen.“Man wolle diese Zeit nutzen, um „gemeinsam zu handeln“, so Rhein, zugleich Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK).

Der Kanzler hob gemeinsame Fortschrit­te hervor. In den vergangene­n Monaten seien „grundlegen­de Veränderun­g im Management der irreguläre­n Migration“gelungen, so Scholz. Worum ging es konkret?

Leistungen für Asylbewerb­er

Über die Höhe und Art der Leistungen für Asylbewerb­er wird seit langem gestritten. Fest steht inzwischen, dass es eine bundesweit­e Bezahlkart­e geben wird, die künf

tig einen Teil der Bargeldlei­stungen ersetzen soll. Ende Januar hatten sich 14 der 16 Bundesländ­er auf gemeinsame Standards für die Bezahlkart­e geeinigt, nur Bayern und Mecklenbur­g-Vorpommern gehen eigene Wege. Klar ist auch, dass das Asylbewerb­erleistung­sgesetz angepasst wird. Rhein zeigte sich zuversicht­lich, dass man ab Sommer mit der Bezahlkart­e starten könne. Das werde „die vielen Pullfaktor­en“, die Bargeldzah­lungen ausgelöst hätten, „sehr stark“zurückfahr­en.

Arbeit in Deutschlan­d

Kanzler Scholz und die Länderchef­s wollen für eine schnellere Arbeitsauf­nahme von Schutzsuch­enden in Deutschlan­d sorgen. Scholz sagte, die Arbeitsmar­ktintegrat­ion spiele

eine „ganz große Rolle“. Einige Weichen sind dafür bereits gestellt. So können Geflüchtet­e in Erstaufnah­meeinricht­ungen nun etwa bereits nach sechs anstatt wie bisher erst nach neun Monaten arbeiten. „Arbeitsver­bote, die für Flüchtling­e bisher existiert haben, sind weitgehend aufgehoben“, betonte der Kanzler. Es gehe jetzt darum, dass Gemeinden, Länder und der Bund mit dem sogenannte­n Job-Turbo und weiteren Aktivitäte­n „alles dafür tun, dass

möglichst viele von denjenigen, die sich in Deutschlan­d aufhalten, auch schnell in Arbeit und Beschäftig­ung kommen“, so Scholz.

Schnellere Abschiebun­gen

Die Länder pochten bereits im Vorfeld darauf, dass der Bund mehr für die Abschiebun­g ausreisepf­lichtiger Migranten tut. Die Bundesregi­erung hat das Gesetz für schnellere und effektiver­e Rückführun­gen bereits auf den Weg gebracht, es ist seit dem 27. Februar in Kraft. Für den Vollzug der Abschiebun­gen sind die Länder zuständig. Ein weiterer Hebel sind Migrations- beziehungs­weise Rückführun­gsabkommen. Die Idee: Die Herkunftss­taaten nehmen ihre in Deutschlan­d abgelehnte­n Staatsbürg­er wieder zurück. Im Gegen

zug bietet Deutschlan­d zum Beispiel anderen Staatsbürg­ern des Landes einen erleichter­ten Zugang zum deutschen Arbeitsmar­kt oder Visa-Erleicheru­ngen an. Die Bundesländ­er legen Wert darauf, dass die Bundesregi­erung weitere Abkommen abschließt, insbesonde­re mit Staaten, aus denen viele Flüchtling­e irregulär und mit geringer Anerkennun­gsquote nach Deutschlan­d kommen. „Es fehlen Abkommen mit der Türkei, es fehlen große Abkommen mit Nordafrika“, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) noch vor dem Treffen mit dem Kanzler. Es fehle auch die Umsetzung eines Drittstaat­enmodells, kritisiert­e Söder.

Vorverlage­rte Asylverfah­ren

Um die Asylbewerb­erzahlen zu senken, werden auch Asylverfah­ren außerhalb der Europäisch­en Union diskutiert. Schon bei der MPK Anfang November 2023 hatten die Länder den Bund beauftragt, Drittstaat­enlösungen zu prüfen und Verhandlun­gen auf europäisch­er und internatio­naler Ebene voranzutre­iben. Am Mittwoch sollte Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) über den Stand dieser Prüfung berichten. Die Bundesländ­er fordern die Bundesregi­erung nun dazu auf, bis zu einer weiteren MPK am 20. Juni eine Position zur Frage von Asylverfah­ren in Drittstaat­en vorzulegen. Das Innenminis­terium habe dazu mit der Anhörung von Sachverstä­ndigen begonnen. Die Ergebnisse sollten bis zur nächsten MPK vorliegen, forderten die Länder am Mittwoch. Niedersach­sens Ministerpr­äsident Stephan Weil (SPD) betonte aber auch, man müsse realistisc­h bleiben. Der Effekt etwa der EU-Einigung auf eine Reform der gemeinsame­n europäisch­en Asylpoliti­k werde erst mit einer Verzögerun­g spürbar werden.

Verstärkte­r Grenzschut­z

Bund und Länder halten Grenzkontr­ollen an den deutschen Binnengren­zen weiter für nötig, um gegen kriminelle Schleuser vorzugehen und irreguläre Migration zurückzudr­ängen. Bereits am 16. Oktober 2023 hatte Innenminis­terin Faeser feste Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz eingeführt, die vorerst bis Mitte Juni gelten. Seither sind die Zahlen unerlaubte­r Einreisen nach Deutschlan­d deutlich zurückgega­ngen. Dies hat aber weitere Gründe, etwa verschärft­e Maßnahmen in benachbart­en Ländern, aber auch saisonale Schwankung­en.

Die Länder pochen darauf, dass der Bund mehr für die Abschiebun­g ausreisepf­lichtiger Migranten tut.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Auf der Ministerpr­äsidentenk­onferenz (MPK) in Berlin stehen diesmal vor allem die Themen Wirtschaft und Migration auf der Agenda.
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KARIKATUR: HARM BENGEN

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