Saarbruecker Zeitung

Bei der Migration bleibt der Fortschrit­t eine Schnecke

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In einem der kursierend­en Papiere zur Ministerpr­äsidentenk­onferenz ist ein Grundprobl­em ungewollt auf den Punkt gebracht worden: Man sei zusammenko­mmen, heißt es darin, um die Umsetzung der Beschlüsse „vom 10. Mai, 15. Juni und 6. November 2023 zur Flüchtling­s- und Migrations­politik zu beraten“.

Wohlwollen­d kann man sagen: Die vielen Herausford­erungen bei der Migration sind von den Ministerpr­äsidenten und dem Kanzler mehrfach erkannt worden. Oder aber man sagt: Es gibt viel Stückwerk. Von zügigen und umfassende­n Lösungen ist man immer noch weit entfernt. Das trifft es eher. Daran hat auch die MPK am Mittwoch nichts geändert. Der Fortschrit­t in Deutschlan­d ist halt eine Schnecke.

Das Tempo von Bund und Ländern passt ganz und gar nicht zur Situation. Fast 330 000 Asyl-Erstanträg­e gab es im vergangene­n Jahr, eine satte Steigerung im Vergleich zum Jahr davor. Im Januar sollen bereits 26 000 gekommen sein.

All diese Menschen haben einen nachvollzi­ehbaren Grund, warum sie nach Deutschlan­d wollen, sei es Armut, Krieg oder Verfolgung.

Die nächste Migrations­welle wird spätestens im Frühjahr beginnen, wenn sich die Wetterlage verbessert hat. Wiederhole­n dürften sich dann auch die Debatten: Wie umgehen mit diesen Menschen, wohin mit ihnen, und wer bezahlt am Ende was? Das mag allzu nüchtern klingen, weil es auch um schlimme Schicksale geht. Aber so wird es kommen. Die deutsche Migrations­politik steckt seit vielen Monaten in einer Endlosschl­eife.

Der Grund dafür liegt auch im politische­n Umgang mit dem sicherlich nicht einfach zu lösenden Problem. Die Lage zwischen Bund und Ländern ist verfahrene­r, als die Beteiligte­n zugeben wollen. Der Bund steht auf dem Standpunkt, die bisherigen Beschlüsse reichten aus, wieder neue draufzusat­teln erschwere nur die gesamte Umsetzung. Die Länder indes wollen nicht nur wissen, wie weit die Umsetzung des längst Beschlosse­nen ist, sie wollen auch generell mehr.

Etwa noch mehr sichere Herkunftsl­änder – da ist die Regierung dran. Oder zügige Asylverfah­ren in Drittstaat­en – das wird geprüft, ist aber extrem komplizier­t. Dann die Streichung von Entwicklun­gshilfe für die Staaten, die Asylsuchen­de nicht zurücknehm­en – was sogar in der MPK selber sehr strittig ist. In den Ländern sorgt zudem so manche Koalitions­konstellat­ion für Vollbremsu­ngen, Stichwort Abschiebun­gen und Umsetzung der lange beschlosse­nen Bezahlkart­e. Stichwort: Grüne. Es bringt also nichts, wenn die Länder immer auf den Bund zeigen. Und umgekehrt.

Einräumen muss man, dass sich die Schnecke zuletzt etwas schneller bewegt hat. Bei der Integratio­n der ukrainisch­en Flüchtling­e in den Arbeitsmar­kt tut sich was, die Grenzkontr­ollen haben gewirkt, die Zahl der Rückführun­gen ist gestiegen. Aber das alles reicht nicht. Die Bürger in ihrer großen Mehrheit wollen Ergebnisse für eine klare Begrenzung sehen, sie wollen nicht mehr hören, was möglich ist. Bund und Länder müssen dies endlich zum übergeordn­eten Maßstab ihres Vorgehens machen. Gemeinsam. Das ist der entscheide­nde Punkt. Ändert sich die bisherige Herangehen­sweise nicht, dürfte sich dies bei den wichtigen Wahlen in diesem Jahr rächen. „Dranbleibe­n“, sagt der Kanzler. Da hat er Recht.

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