„Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt“
Während es in anderen Ländern aufwärts geht, bleibt die Konjunktur in Deutschland am Boden. Die Unsicherheit bei Investoren und Konsumenten ist groß, warnt das Münchner Ifo-Institut.
Führende Konjunkturinstitute sehen Deutschland im Winterhalbjahr erneut in der Rezession. „Die deutsche Wirtschaft ist wie gelähmt“, erklärte das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch. „Unter Unternehmen und Haushalten ist die Stimmung schlecht und die Unsicherheit hoch.“Die Ifo-Ökonomen und das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) gehen davon aus, dass die Wirtschaft nach einem Minus im vierten Quartal 2023 auch im laufenden ersten Vierteljahr schrumpft. Damit rutscht sie nach 2023 erneut in die Rezession. Erst ab Jahresmitte dürfte sich die Konjunktur erholen. Für das Gesamtjahr 2024 senkte das
Ifo-Institut seine bisherige Wachstumsprognose von 0,7 auf 0,2 Prozent. Die Kieler Experten kappten ihre Schätzung von 0,9 Prozent auf nur 0,1 Prozent.
„Die Konsum-Zurückhaltung, die hohen Zinsen und Preissteigerungen, die Sparbeschlüsse der Regierung und die schwache Weltkonjunktur dämpfen derzeit die Konjunktur
in Deutschland und führen erneut zu einer Winterrezession“, sagte IfoKonjunkturchef Timo Wollmershäuser in Berlin. Eine spürbare Erholung lasse noch auf sich warten. Allerdings deute sich in den nächsten Monaten eine leichte Besserung an. „Mit dem allmählichen Wegfall der Belastungen bei Zinsen und Preisen und den Auswirkungen der höheren Kaufkraft
für die Verbraucher wird sich die Wirtschaftsleistung zur Jahresmitte beschleunigen.“
Für 2025 erhöhte das Ifo seine Prognose um 0,2 Punkte auf 1,5 Prozent, während das Kieler Institut weiter mit 1,2 Prozent Wachstum rechnet. Trotz schwacher Dynamik zeige sich der Arbeitsmarkt robust, so das IfW. „Die Beschäftigung dürfte im laufenden
Jahr noch einmal etwas zulegen, bevor sie im Zuge des demografischen Wandels auf einen Abwärtstrend einschwenkt.“Auch das Ifo-Institut erwartet einen Beschäftigungszuwachs 2024 von 45,9 auf 46,1Millionen und im kommenden Jahr den Rekordwert von 46,2Millionen Erwerbstätigen. Die Zahl der Arbeitslosen steige von gut 2,6 auf 2,7 Millionen, sinke aber im kommenden Jahr wieder unter die 2,6 MillionenMarke.
Die Konjunktur soll sich in der zweiten Jahreshälfte wegen der Belebung der Weltwirtschaft, des Inflationsrückgangs und des wieder stärkeren privaten Konsums beleben. Die Verbraucherpreise steigen dem Ifo-Institut zufolge 2024 nur noch um 2,3 Prozent, nach 5,9 Prozent im Vorjahr. Im kommenden Jahr werde die Inflationsrate sogar auf 1,6 Prozent fallen. Der anhaltend hohe Fachkräftemangel wird nach der IfWEinschätzung zu deutlich steigenden Löhnen führen. Mit dem erwarteten Abebben der Teuerung „werden die real verfügbaren Einkommen im laufenden Jahr erstmals nach drei Jahren wieder steigen und den privaten Konsum stimulieren“, so das Institut.
Mit seiner Schätzung liegt das IfoInstitut auf dem Niveau der Regierungsprognose von 0,2 Prozent für 2024, das IfW leicht darunter. Der Bundesverband der Deutschen Industrie erwartet 0,3 Prozent.
Ifo-Chef Clemens Fuest übte Kritik an der Bundesregierung. Deren fehlende Wachstumsstrategie und Zerstrittenheit hätten zur Wirtschaftsschwäche beigetragen, wie sich an der enormen Investitionszurückhaltung zeige. „Die Schuldenbremse ist kein Wachstumshindernis“, widersprach Fuest SPD und Grünen. Die Probleme lägen tiefer. Es brauche Strukturreformen, vor allem den Abbau der Bürokratie. Der Anteil der Konsumausgaben im Bundeshaushalt müsse zu Gunsten von mehr Investitionen kleiner werden.
„Die Schuldenbremse ist kein Wachstumshindernis.“Clemens Fuest Chef des Ifo-Instituts