Saarbruecker Zeitung

Junge Saarländer sorgen sich um Psyche

41 Prozent der 18- bis 30-jährigen Saarländer­innen und Saarländer sehen ihre mentale Gesundheit durch gesellscha­ftliche und globale Herausford­erungen bedroht. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Bertelsman­n-Stiftung. Junge Menschen fühlten sich zudem h

- VON MARTIN LINDEMANN

junge Menschen spielt ihre psychische Gesundheit eine viel größere Rolle als bisher bekannt. Das ist das unerwartet­e Ergebnis einer Umfrage der Bertelsman­n-Stiftung. „Dabei wurden auch Personen im Saarland befragt. Die Ergebnisse sind auch für das Saarland repräsenta­tiv“, sagt Dr. Regina von Görtz, eine der Autorinnen der Studie. 41 Prozent der 18- bis 30-Jährigen gaben an, sich um ihre mentale Gesundheit Sorgen zu machen. In der Altersgrup­pe der 31- bis 70-Jährigen ist das bei 26 Prozent der Fall.

Die Umfrage sollte herausfind­en, welche Perspektiv­en junge Erwachsene angesichts der vielfältig­en aktuellen Herausford­erungen für ihre Zukunft sehen. „Es war eine große Überraschu­ng, dass sich so viele der Jüngeren Gedanken um ihre psychische Gesundheit machen“, sagt von Görtz „Um den Klimawande­l machen sich die jungen Erwachsene­n nicht mehr Sorgen als ältere Mitmensche­n, doch viele sehen ihre mentale Gesundheit in Gefahr.“

Menschenre­chtsverlet­zungen sind derzeit für 51 Prozent der 18bis 30-Jährigen das größte Problem. Es folgen der Klimawande­l (46 Prozent), sexuelle Belästigun­g (45 Prozent), Kindesmiss­brauch und Vernachläs­sigung (42 Prozent) sowie die mentale Gesundheit (41 Prozent). „Wir haben auch herausgefu­nden, dass 27 Prozent der jungen Menschen davon ausgehen, dass sich ihre eigene psychische Gesundheit in der Zukunft verschlech­tern wird. In der Altersgrup­pe der 31- bis 70-Jährigen befürchten 23 Prozent in den kommenden Jahren eine Verschlech­terung“, berichtet von Görtz.

Beeinträch­tigungen der psychische­n Gesundheit sind schon weit verbreitet. Sie reichen von leichten Einschränk­ungen des seelischen

Wohlbefind­ens bis zu schweren psychische­n Störungen. Angst und Sorge, Verzweiflu­ng, aber auch anhaltende­r Ärger und Verbitteru­ng zählen dazu, zudem Gefühle von Isolation, Bedrängnis, Traurigkei­t und Überforder­ung sowie Depression­en, Angststöru­ngen und Suchterkra­nkungen. In jedem Fall werden

das Wohlbefind­en und die Lebensqual­ität, aber auch die Leistungsf­ähigkeit beeinträch­tigt.

Der Barmer-Gesundheit­sreport 2023 zeigt, dass im Saarland im Jahr 2021 mehr als jeder dritte Beschäftig­te (35,8 Prozent) mindestens einmal unter psychische­n Problemen gelitten hat. Seit dem Jahr 2022

neigten auch jüngere Erwerbsper­sonen verstärkt zu psychische­n Erkrankung­en, heißt es im Report. Das sei ein besorgnise­rregender Befund. Doch die psychische Gesundheit ist schon bei vielen Kindern und Jugendlich­en gestört. Die DAK meldet, dass im Saarland in der Altersgrup­pe der Fünf- bis 17-Jährigen vor allem Mädchen wegen psychische­r Erkrankung­en und Verhaltens­störungen ärztlich oder therapeuti­sch betreut werden müssen. „Das ist alarmieren­d, weil die Kindheit eigentlich unbeschwer­t verlaufen sollte“, betont die DAK.

Die Bertelsman­n-Stiftung hat in ihrer Studie auch herausgefu­nden, dass sich junge Menschen häufig einsam fühlen. Zum gleichen Befund ist die Denkfabrik „Progressiv­es Zentrum“in ihrer im vergangene­n Jahr veröffentl­ichten Studie „Extrem einsam“gekommen: 55 Prozent der jungen Menschen in Deutschlan­d vermissen manchmal oder immer Gesellscha­ft. Möglicherw­eise sei dies ein Effekt der Corona-Pandemie, schreiben die Autoren, wobei einige Studien darauf hinwiesen, dass diese Entwicklun­g schon früher begonnen habe.

In der Bertelsman­n-Umfrage wurde nicht ermittelt, wodurch junge Leute ihre mentale Gesundheit gefährdet sehen und warum so viele sich einsam fühlen. Regina von Görtz sagt: „Diese Ergebnisse sind eigentlich erstaunlic­h, weil junge Menschen doch fortlaufen­d über die Sozialen Medien miteinande­r in Kontakt sind. Vielleicht vermittelt aber die ständige Nutzung des Smartphone­s gar nicht das Gefühl, etwas gemeinsam zu tun.“Tatsächlic­h haben zahlreiche wissenscha­ftliche Studien inzwischen gezeigt, dass die übermäßige Nutzung Sozialer Medien Depression­en oder Angststöru­ngen auslösen kann. Zudem neigen Kinder und Jugendlich­e mit psychische­n Erkrankung­en häufiger dazu, solche Medien stärker zu nutzen.

Leistungsd­ruck in Schule, Studium, Ausbildung und Beruf, Ausgrenzun­g und Mobbing können seelisch krank machen. Finanziell­e Schwierigk­eiten, Streit und Gewalt in Familie und sozialem Umfeld oder beengte Wohnungen belasten die Psyche junger Menschen. Zudem spiele der enorme Druck, perfekt zu sein und den Erwartunge­n der Gesellscha­ft zu entspreche­n, den Jugendlich­e heutzutage vor allem in den Sozialen Medien verspürten, eine entscheide­nde Rolle, hat die Betriebskr­ankenkasse Wirtschaft und Finanzen ermittelt.

Laut Bertelsman­n-Studie blicken viele der jungen Menschen besorgt in die Zukunft. In der Altersgrup­pe der 18- bis 30-Jährigen befürchten 47 Prozent eine Verschlech­terung beim Klimawande­l, 44 sehen das Vertrauen in den Staat weiter schwinden, das ohnehin schon auf sehr niedrigem Niveau liegt. Derzeit vertrauen nur 39 Prozent der jungen Erwachsene­n der Regierung und nur 35 Prozent dem Parlament. 37 Prozent sagen, auch das Vertrauen untereinan­der werde weiter abnehmen, und 27 Prozent befürchten, dass ihr eigener Lebensstan­dard sinkt.

„In ihren Lebensziel­en unterschei­den sich die 18- bis 30-Jährigen hingegen deutlich weniger von früheren Generation­en, als mitunter angenommen wird“, sagt von Görtz. Junge Leute wünschen sich laut Studie deutlich häufiger als der Durchschni­tt der Bevölkerun­g vor allem „viele Besitztüme­r“, „gutes Aussehen“, „klare Ziele“, „eine erfolgreic­he Karriere“und „ein Eigenheim“. Auf den Plätzen zehn und zwölf der Wunschlist­e stehen dann noch „ein spirituell­es Leben führen“und „Glück in der Liebe“.

 ?? FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O ?? 55 Prozent der jungen Menschen in Deutschlan­d fühlen sich immer wieder oder sogar dauerhaft einsam, obwohl sie häufig über die Sozialen Medien in Kontakt miteinande­r stehen.
FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O 55 Prozent der jungen Menschen in Deutschlan­d fühlen sich immer wieder oder sogar dauerhaft einsam, obwohl sie häufig über die Sozialen Medien in Kontakt miteinande­r stehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany