Saarbruecker Zeitung

Rund 2000 Fälle im Amtsgerich­t Völklingen

Ob Strafrecht, Zivilrecht oder Familiensa­chen: Die Behörde hatte im vergangene­n Jahr in dem geschichts­trächtigen Haus viel zu tun.

- VON THOMAS ANNEN VÖLKLINGEN/GROSSROSSE­LN/PÜTTLINGEN/HEUSWEILER www.ag-vk.saarland.de

Das Amtsgerich­t Völklingen in der Karl-Janssen-Straße steht relativ häufig in der Zeitung. Allerdings nur, wenn es davor mal wieder gekracht hat. Wegen der unübersich­tlichen Straßenfüh­rung stoßen dort öfter Autos zusammen. „Unfall im Amtsgerich­ts-Kreisel“, wird dann vermeldet. Manche Zeitgenoss­en, die sich dort in die Quere kamen, haben sich vielleicht einige Monate später im Amtsgerich­t wiedergese­hen. Wenn sich die Autofahrer und ihre Versicheru­ngen nicht über die Schuldfrag­e oder den Schadeners­atz einigen können, besteht die Möglichkei­t, die Angelegenh­eit in einem Zivilproze­ss klären zu lassen. Ist Trunkenhei­t am Steuer im Spiel, droht sogar ein Strafproze­ss.

Zivilstrei­tigkeiten unterschei­den sich in einem Punkt grundlegen­d von Strafsache­n: Im Strafproze­ss bringt der Staatsanwa­lt als juristisch­er Profi die Beweise bei. Im Zivilverfa­hren dagegen lautet die Grundfrage an den Bürger, der etwas erreichen will: Können Sie das beweisen? Neben Strafsache­n und Zivilsache­n, erläutert Amtsgerich­tsdirektor­in Birgit Sieren-Kretzer (61), werden in Völklingen auch Familiensa­chen verhandelt. Dazu zählen etwa Scheidunge­n oder Streitigke­iten beim Umgangsrec­ht mit Kindern.

Zum 38-köpfigen Gerichtste­am gehören sieben Richter, sechs Rechtspfle­ger, vier Gerichtsvo­llzieher und zwei Wachtmeist­er. Hinzu kommen 19 Mitarbeite­r der ServiceGes­chäftsstel­len.

Beim Amtsgerich­t können Bürger viele Dinge beantragen: vom Erbschein über die Betreuung eines dementen Familienan­gehörigen bis hin zur Eintragung eines neuen Vereins. Auch Frauen, die von ihrem Ehemann misshandel­t werden, oder Mieter, denen man den Strom abgeschalt­et hat, wenden sich an diese

Behörde. Im Laufe eines Jahres werden viele Vorgänge bearbeitet: 2023 wurden beim Amtsgerich­t rund 650 Strafsache­n, 650 Zivilsache­n und 630 Familiensa­chen verhandelt. Aufgrund der demografis­chen Entwicklun­g – die Menschen werden immer älter – steigt die Zahl der Betreuunge­n.

Aktuell werden am Amtsgerich­t 1420 Betreuunge­n geführt. Für Grundbucha­ngelegenhe­iten hingegen ist die Behörde nicht zuständig. Diese werden zentral vom Saarländis­chen Grundbucha­mt beim Amtsgerich­t Saarbrücke­n bearbeitet.

Herzstück des Völklinger Amts

gerichts sind die drei Sitzungssä­le. In zwei von ihnen stammt die Einrichtun­g größtentei­ls noch aus den 1930er-Jahren.

Immerhin: Die harten Holzbänke wurden irgendwann gepolstert. Aber meist bleiben die Sitze im Publikumsb­ereich ohnehin leer. Das Interesse der Öffentlich­keit an den Verhandlun­gen sei gering, erklärt Birgit Sieren-Kretzer. Bei Zivilsache­n und Strafsache­n sind Zuschauer in der Regel zugelassen. Lediglich Verhandlun­gen gegen Jugendlich­e unter 18 Jahren finden unter Ausschluss der Öffentlich­keit statt.

Manchmal trifft man in den Gängen auch Kinder. Während ihre Eltern im Gerichtssa­al sind, dürfen sie im Kinderzimm­er unter Aufsicht spielen. Der freundlich gestaltete Raum ist auch der Ort für Anhörungen von Kindern.

Deutlich weniger einladend ist dagegen das Ambiente, nur ein paar Meter weiter, in der gefliesten Gewahrsams­zelle. Sie ist reserviert für Insassen der Justizvoll­zugsanstal­t, die nach ihrem Eintreffen im Gerichtsge­bäude auf den Prozessbeg­inn warten müssen. „Sie ist aber ziemlich selten in Gebrauch“, schildert Birgit Sieren-Kretzer. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass Kapitalver­brechen wie Mord und Totschlag in Völklingen nicht verhandelt werden.

Die Mühlen der Justiz mahlen manchmal langsam, aber immer gründlich. Alles, was am Amtsgerich­t entschiede­n wird, muss dokumentie­rt werden. Auch wenn sich in den Regalen der Büros noch die Akten stapeln, so läuft doch die Digitalisi­erung auf Hochtouren. Viele Daten sind bereits elektronis­ch gespeicher­t. Anträge werden online eingereich­t oder nach dem Eingang gescannt. „Zurzeit werden neue Zivilsache­n digitalisi­ert“, erläutert die Amtsgerich­tsdirektor­in.

Die Juristin leitet die Behörde seit 2011 und ist dort selbst als Richterin tätig. Weil es dann nur um kleinere Sachen geht, hat sie für ihren nächsten Sitzungsta­g nacheinand­er zehn Verhandlun­gen angesetzt. Bei komplizier­teren Fällen, bei denen viele Zeugen gehört werden müssen, kann eine Sitzung aber auch schon mal den ganzen Tag dauern.

Das Amtsgerich­t Völklingen ist zuständig für Völklingen, Großrossel­n, Püttlingen und seit 2018 auch für Heusweiler. „In dem Gerichtsbe­zirk gibt es keine besonders hohe Kriminalit­ät“, erklärt Birgit SierenKret­zer eine doch recht erfreulich­e Erkenntnis. Auch eine Häufung einer bestimmten Deliktart konnte sie bisher nicht feststelle­n.

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FOTO: BECKERBRED­EL Birgit Sieren-Kretzer ist Leiterin des Amtsgerich­tes in Völklingen. Es ist auch für die Fälle in Großrossel­n, Püttlingen und Heusweiler zuständig.
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Foto: BeckerBred­el Werden beim Amtsgerich­t Kinder angehört, dann hier, in einer kinderfreu­ndlichen Umgebung, die auch als Warteberei­ch für Kinder dient.

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