100 Tage bis zur EM: Der Countdown läuft
Die Bundesregierung hat am Mittwoch in Berlin den Endspurt zu einem erhofften neuen „ Sommermärchen“gestartet.
(sid) Den „Sommermärchen“-Countdown läutete Olaf Scholz höchstpersönlich ein. Mit dem EM-Ball in den Händen, seinen Ministern an der Seite und riesigen Erwartungen über den Sport hinaus eröffnete der Bundeskanzler 100 Tage vor der Heim-EM den Endspurt der Vorbereitungen. 18 Jahre nach der WM 2006 soll der Fußball in schwierigen Zeiten für Ablenkung und Begeisterung im Land sorgen. Und das, obwohl nicht nur hinter der Leistungsfähigkeit des Nationalteams große Fragezeichen stehen.
In Zeiten weltweiter Krisen sei es „umso schöner, ein Sportgroßereignis in Deutschland zu haben, bei dem es um Gemeinschaft und Zusammenhalt geht“, betonte die für den Sport zuständige Innenministerin Nancy Faeser nach dem Fototermin am Mittwoch in Berlin. Sie hoffe auf ein „friedliches Event, das uns alle ein Stück weit wieder zusammenführt“.
Auch den Chefs um Präsident Aleksander Ceferin von der Europäischen Fußball-Union (Uefa), Bernd Neuendorf als Boss des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Turnierdirektor Philipp Lahm ist völlig klar, dass es unter dem Motto „United by Football – Vereint im Herzen Europas“nicht ausschließlich um den Sport gehen wird. „Ein europäisches Fest“wolle man feiern, betonte Lahm, eines, „das die Solidarität in Deutschland und Europa stärkt“.
Denn gesellschaftliche, politische und ökologische Aspekte begleiten die Vorbereitungen auf die zweite EM auf deutschem Boden nach 1988. Große Euphorie lässt sich im Land bislang kaum entdecken. In Berlin machte die Bundesregierung vielleicht auch deshalb unter dem Motto „Heimspiel für Europa“noch einmal Werbung. Dabei posierten Scholz, Faeser oder Wirtschaftsminister Robert Habeck unter anderem für Fotos. Im vergangenen Jahr hatte Scholz die EM als „ganz wichtiges Ereignis“und einen „großen Moment“
bezeichnet. „Viele begreifen die EM als großes Fest in Europa. Wir fiebern mit, damit alles gut wird“, sagte er.
Wenn dieses Vorhaben gelingen und zumindest annähernd eine Stimmung wie bei der WM 2006 entstehen soll, müssen die Rahmenbedingungen stimmen – etwa beim Thema Sicherheit. Dieses liege ihr „am meisten am Herzen, sie hat höchste Priorität“, betonte Faeser - und versprach: „Das Konzept wird wie bei der WM 2006 ein sehr gutes sein. Es wird ein friedliches Event für die zwölf Millionen Besucher.“
Die Sicherheit ist auch Ceferins größte Sorge. Eine EM-Qualifikation der Ukraine oder Israels über die Playoffs Ende März würde die Lage weiter verkomplizieren, glaubt er: „Meine Angst gilt nicht nur den Stadien, denn Stadien, da bin ich mir sicher, werden angemessen geschützt. Aber die Fans werden überall sein.“
16 000 freiwillige Helfer sollen dafür sorgen, dass sich alle Besucher wohlfühlen. Die Organisatoren rechnen jedoch damit, dass die Verkehrssysteme am Anschlag sein werden. Schließlich wird die Uefa bis zum Turnierstart 2,7 Millionen Tickets für die 51 Partien in zehn Stadien weltweit unter die Leute gebracht haben. „Ein paar Herausforderungen liegen noch vor uns“, gab Lahm am Mittwoch zu.
Nicht nur organisatorisch. Denn für die Stimmung im Land dürfte maßgeblich auch das sportliche Abschneiden des DFB-Teams verantwortlich sein. Nach den verkorksten Turnieren der vergangenen Jahre steht die Nationalmannschaft unter besonderer Beobachtung. Bundestrainer Julian Nagelsmann bleiben weniger als 100 Tage bis zum Eröffnungsspiel am 14. Juni in München gegen Schottland. Dieses
hat für DFB-Sportdirektor Rudi Völler eine besondere Bedeutung. Das Team müsse es schaffen, „sofort eine Euphorie zu erzeugen für den kompletten Turnierverlauf“, sagte der 63-Jährige am Mittwoch und erinnerte an das erste deutsche Spiel bei der Heim-WM 2006 gegen Costa Rica (4:2). Optimismus geben ihm ein „top Bundestrainer“und „jun
ge Talente“sowie „viel Qualität im vorderen Bereich und Mittelfeld“.
„Ich bin fest davon überzeugt, dass wir uns mit einer Mischung aus fußballerischer Eleganz, Kampfgeist und Wille präsentieren werden, um das Volk hinter uns zu bringen“, meinte Völler zuversichtlich: „Wir wollen wie 2006 für tolle Wochen sorgen.“Genau darauf dürfte auch Scholz hoffen.