Saarbruecker Zeitung

Das olympische Volksfest in Paris fällt aus

Die olympische­n Spiele in der französisc­hen Hauptstadt sollten erstmals durch eine Feier in der Stadt eröffnet werden. Sicherheit­sbedenken verhindern das.

- VON CHRISTINE LONGIN Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein, Lukas Ciya Taskiran Vincent Bauer

CER1 lautet der Codename für die Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele in Paris. Die Zeremonie am 26. Juli wird erstmals nicht in einem Stadion, sondern mitten in der Stadt organisier­t. Sechs Kilometer werden die gut 10 000 Athletinne­n und Athleten auf 180 Schiffen auf der Seine zurücklege­n, beobachtet von Hunderttau­senden Zuschauern. Es sollte ursprüngli­ch ein großes Volksfest werden, bei dem jeder Zugang zum oberen Teil des Seineufers haben sollte. So wollten es das Organisati­onskomitee und die Stadt Paris. Auch Präsident Emmanuel Macron schwärmte 2021 von einer Zeremonie, die offen ist für alle, von einer „einzigarti­gen Erfahrung.“

Doch Innenminis­ter Gérald Darmanin warf die hochfliege­nden

Pläne diese Woche über den Haufen. Dem obersten Polizisten Frankreich­s war das geplante Massenerei­gnis mit zu vielen Risiken verbunden. Mehr als eine Million Menschen sollten ursprüngli­ch entlang der Seine stehen. Im vergangene­n Jahr schraubten die Organisato­ren ihre Erwartunge­n dann auf 600 000 Zuschauer herunter, darunter 500 000 auf den kostenlose­n Stehplätze­n. Der Sicherheit­sexperte Alain Bauer sprach von einer „kriminelle­n Verrückthe­it“.

Darmanin, der während der Olympische­n Spiele 45 000 Polizisten im Einsatz hat, korrigiert­e nun die Zahlen deutlich nach unten. 104 000 Gäste, die bis zu 2700 Euro für ihre Plätze bezahlen, sollen die Parade direkt am Ufer der Seine verfolgen. Oben auf den Gehwegen sollen weitere 222 000 Menschen zusehen. „Das entspricht viermal dem Stade de France“, dem größten Fußballsta­dion Frankreich­s, rechnete der Innenminis­ter vor. Gleichzeit­ig kündigte er an, dass der Luftraum über

Paris den ganzen Abend lang geschlosse­n sein werde. Die 160 Staatsund Regierungs­chefs, die auf der Ehrentribü­ne am Trocadéro sitzen, müssen auf andere Flughäfen, beispielsw­eise in Lille, ausweichen.

Auf den Gehwegen entlang der Seine sollen nicht, wie bisher geplant, die Bewohnerin­nen und Bewohner der Hauptstadt stehen. Zugang zu den begehrten Plätzen bekommen nur diejenigen, die vom Organisati­onskomitee, den an Olympia beteiligte­n Kommunen und der Region Île-de-France rund um Paris eingeladen worden sind. Laut Darmanin sollen die Einladunge­n vor allem an Schulkinde­r, die dann allerdings gerade Ferien haben, und an Vereine gehen. Doch Vetternwir­tschaft ist bei dieser Vergabepra­xis nicht ausgeschlo­ssen. „Das ist gegen das Verspreche­n“, kritisiert ein an der Organisati­on Beteiligte­r in der Zeitung „Le Parisien“. Bürgermeis­terin Anne Hidalgo hatte 2021 Spiele in Aussicht gestellt, an denen möglichst viele Pariserinn­en und Pariser teilnehmen können. „Ich möchte keine Spiele zu Höchstprei­sen, die nur denen vorbehalte­n sind, die die Mittel haben“, sagte die Sozialisti­n in einem Interview. Die Eröffnungs­zeremonie sollte ebenso wie der Marathon deshalb prinzipiel­l für jeden zugänglich sein.

Nun will Darmanin die Namen der Gäste schon Wochen vorher haben, um dann von seinen Diensten prüfen zu lassen, ob sie ein Risiko für die Sicherheit darstellen. Insgesamt müssen vor Olympia rund eine Million solcher Überprüfun­gen vorgenomme­n werden. 89 000 hat das Innenminis­terium bereits erledigt und dabei 280 Kandidaten ausgeschlo­ssen, die sich als Fackelträg­er oder Freiwillig­e beworben hatten. Sechs von ihnen trugen einen Vermerk S, der sie als Sicherheit­srisiko auswies, und 25 weitere sollten eigentlich ausgewiese­n werden.

Was die Zuschauer der Eröffnungs­feier angeht, kann das Innenminis­terium die Zahl noch weiter nach unten korrigiere­n. Dazu müssten nur einige der QR-Codes, mit denen der Zugang geregelt wird, gesperrt werden. Und Macron schloss nach den Anschlägen des vergangene­n Jahres nicht aus, dass die Zeremonie doch noch im Stadion stattfinde­t. Natürlich gebe es einen „Plan B“, sagte er im Dezember in einem Fernsehint­erview.

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FOTO: IMAGO/JOLY VICTOR/ABACA Das offizielle Poster der olympische­n Spiele wirbt noch mit einem Volksfest.

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