Mit blauen Augen in den Cyberkrieg
Das am häufigsten in Deutschland verwendete Passwort ist „123456789“. Am zweithäufigsten ist „12345678“. Die Deutschen lieben es bei Daten blauäugig. In sensiblen Bereichen sind die Zugänge noch offener. Bei der Bundeswehr zum Beispiel.
Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass sich ein Russe verdeckt in eine Videokonferenz von Luftwaffenoffizieren einwählen oder diese mithören konnte. Jedenfalls wurde alles aufgezeichnet und veröffentlicht. Jetzt kennen die Russen also alle strategischen Optionen des Marschflugkörpers „Taurus“und wissen aus erster Hand, wo die Bundeswehr mitgewirkt haben muss, sollte so ein Geschoss einmal die Brücke von Kertsch treffen. Nämlich bei der Zielprogrammierung. Da ist es fast schon gut, dass Kanzler Olaf Scholz die Lieferung in vorauseilender Angst sowieso verweigert.
Die Bundesregierung spricht nun empört davon, dass Russland einen „Cyberkrieg“führe, was zwar richtig, aber auch eine Ablenkung ist – vom eigenen groben Leichtsinn. Wer die Kamera im offenen Cabrio liegen lässt, muss sich nicht wundern, wenn sie weg ist. Mit Leichtigkeit konnten die Russen schon 2015 in die Server des Bundestages eindringen, weil Abgeordnete unbekannte Mails geöffnet hatten. Ebenso leicht gelang es ihnen im Frühjahr 2022 tausende Windräder stillzulegen und ein Jahr später zahlreiche Behörden zu blockieren. Ganz offensichtlich fehlt es nicht nur bei den privaten Computernutzern an Problembewusstsein.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich schützend vor seine „besten“Offiziere gestellt und erklärt, er opfere keinen von ihnen für Putins Spiel. Okay. Der Korrektheit halber muss man dann aber daran erinnern, dass seine Kabinettskollegin Nancy Faeser (SPD) Ende 2022 den Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, aus seinem Amt entfernte. Angeblich weil der, ein CDU-Mitglied und verzweifelter Rufer in der Cybersicherheits-Wüste, beim Kontakt mit Russen zu lax gewesen sei. Dieser Vorwurf entpuppte sich später als falsch. Wenn die Offiziere bleiben dürfen, ist bei Schönbohm eine Entschuldigung fällig.