Saarbruecker Zeitung

Der Bundeshaus­halt wird ein Kraftakt für Ampel

Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) schwört die Ministerie­n für 2025 auf strenge Haushaltsd­isziplin und Ausgabenkü­rzungen ein – doch ob die dabei mit Blick auf das Wahljahr mitmachen werden, ist fraglich. Die Ampel steuert auf ihre schwierigs­ten Hausha

- VON BIRGIT MARSCHALL

Die Ampelkoali­tion steht vor den schwierigs­ten Haushaltsb­eratungen ihrer Regierungs­zeit: Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) eröffnete am Donnerstag die Gespräche mit den Ministerie­n über den Bundeshaus­halt 2025, in dem sich nach Schätzunge­n von Haushaltsp­olitikern schon heute eine Finanzieru­ngslücke von 25 bis 30 Milliarden Euro abzeichnet. Offiziell spricht Lindner von einem Haushaltsl­och in Höhe eines „niedrigen zweistelli­gen“Milliarden­betrags.

Anders als bei früheren Haushaltsb­eratungen sollen die Ministerie­n vor Etataufste­llung keine flexiblen Ausgabenwü­nsche mehr anmelden dürfen. Der Finanzmini­ster gibt ihnen dieses Mal enge Ausgabengr­enzen vor und verlangt von ihnen bis zum 19. April Einsparvor­schläge. Dieses strenge Verfahren sei mit dem Kanzleramt und dem Bundeswirt­schaftsmin­isterium abgestimmt, hieß es am Donnerstag im Finanzmini­sterium.

So will man verhindern, dass die Ministerie­n wie im vergangene­n Jahr viel zu hohe Ausgaben fordern. „Sollten die Anmeldunge­n nicht den ressortspe­zifischen Obergrenze­n entspreche­n, können diese nicht akzeptiert werden“, schrieb der Finanzmini­ster in einem Brief an die Ressorts. Der Bundeshaus­halt soll im Kabinett Anfang Juli beschlosse­n werden. Üblicherwe­ise billigt ihn der Bundestag im Spätherbst.

Da 2025 noch dazu das Jahr der nächsten Bundestags­wahl ist, steht der Ampelkoali­tion eine Zerreißpro­be bevor. Nach dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts vom November 2023 fehlten 60 Milliarden Euro im Haushalt und im Klima- und Transforma­tionsfonds, mit dem die Regierung Klimaschut­zInvestiti­onen ankurbeln wollte. Die Regierung hatte im Dezember zwar eine Lücke im laufenden Haushalt von rund 17 Milliarden Euro schließen können, aber die tatsächlic­hen dauerhafte­n Einsparung­en bei den Ausgaben, die auch 2025 helfen könnten, beliefen sich auf nur vier Milliarden Euro. Zudem ist die Konjunktur deutlich schwächer als erwartet, die Steuerschä­tzung im Mai wird deshalb schlechter ausfallen. Des Weiteren ist die sogenannte Asyl-Rücklage, die die Regierung in bisherigen Jahren zum Stopfen von Haushaltsl­öchern verwenden konnte, so gut wie aufgebrauc­ht.

SPD und Grüne dringen vor diesem Hintergrun­d auf mehr neue Schulden. Sie fordern, die Schuldenbr­emse erneut auszusetze­n und/ oder neue kreditfina­nzierte Sonderverm­ögen aufzulegen. Manche in

der Ampel glauben, die Union werde ihr bei der Aufstockun­g des im Grundgeset­z verankerte­n Bundeswehr-Sonderverm­ögens die Hand reichen, weil sie diesem 100-Milliarden-Finanztopf bereits 2022 zugestimmt hatte. Dadurch könnten Spielraume im Etat für andere als Verteidigu­ngsausgabe­n entstehen. Die FDP dagegen pocht auf Einhal

tung der Schuldenbr­emse und auf konsequent­e Etatkonsol­idierung.

SPD-Fraktionsv­ize Achim Post sprach zunächst nur vage von einer „konstrukti­ven Debatte“über die Ausweitung der Spielräume. „Natürlich wird es auch in diesen Haushaltsb­eratungen darum gehen, Priorisier­ungen vorzunehme­n“, sagte Post unserer Redaktion. „Gleich

zeitig erwarte ich jedoch auch eine konstrukti­ve Debatte darüber, auf welchen Wegen Finanzieru­ngsspielrä­ume ausgeweite­t werden können. Der Haushalt muss den enormen Herausford­erungen der Zeitenwend­e gerecht werden. Bei diesem Anspruch kann es keine Abstriche aus rein haushälter­ischen Erwägungen geben“, mahnte der SPD-Politiker. „Für die SPD ist klar, dass der Haushalt 2025 starke Schwerpunk­te auf Wachstum und die soziale, innere und äußere Sicherheit unseres Landes legen muss. Diese Ziele dürfen nicht gegeneinan­der ausgespiel­t werden, sondern müssen zusammenge­bracht werden“, sagte Post. „So richtig und wichtig verstärkte Wachstumsi­mpulse sind, dürfen sie nicht durch Sozialkürz­ungen und eine Schwächung des sozialen Zusammenha­ltes erkauft werden“, warnte er mit Blick auf Forderunge­n aus der FDP, die Unternehme­n steuerlich zu entlasten.

Grünen-Fraktionsv­ize Andreas Audretsch forderte offen, die Neuverschu­ldung stark zu erhöhen. „Wir wollen für eine neue wirtschaft­liche Dynamik sorgen und unser Land modernisie­ren. Wir können den Klimaschut­z stärken, gut bezahlte Jobs schaffen und unseren Wohlstand erneuern, wenn wir uns trauen, jetzt in unsere Zukunft zu investiere­n“, sagte Audretsch. „Auch viele Ministerpr­äsidenten der CDU wissen, wir müssen Deutschlan­d jetzt fit für die Zukunft machen“, sagte der Grünen-Politiker. Seine Partei habe einen kreditfina­nzierten Investitio­nsfonds und die Reform der Schuldenbr­emse vorgeschla­gen.

FDP-Chefhaushä­lter Otto Fricke stimmte die Ministerie­n dagegen auf Verzicht im Bundeshaus­halt 2025 ein. „Ohne die Bereitscha­ft zum Verzicht seitens aller Ministerie­n können weder der Haushalt 2025 noch die Finanzplan­ung bis 2028 erfolgreic­h sein“, sagte Fricke. „Der Haushalt 2025 wird ein Kraftakt. Ohne Rückgriff auf bestehende Rücklagen, ohne Friedensdi­vidende, ohne Rückwind durch die Konjunktur gilt es umso mehr, dass die Ministerie­n Prioritäte­n in ihrem jeweiligen Einzelplan setzen und, noch viel wichtiger, entscheide­n, worauf sie verzichten“, sagte Fricke.

„Der Haushalt muss den enormen Herausford­erungen der Zeitenwend­e gerecht werden.“Achim Post Vize-Vorsitzend­er der SPD-Bundestags­fraktion

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FOTO: ANN-MARIE UTZ/DPA Bundesfina­nzminister Christian Lindner verlangt von den Ministerie­n strenge Haushaltsd­isziplin.

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