Saarbruecker Zeitung

Widerstand gegen Cannabis-Reform formiert sich

Die Cannabis-Reform der Bundesregi­erung ist umstritten. Insbesonde­re die Justiz- und Innenminis­ter der Länder haben Bedenken.

- VON JAN DREBES UND MAXIMILIAN PLÜCK

Die Teil-Legalisier­ung von Cannabis gehört zu den Leuchtturm­projekten der Ampel-Regierung im Bund. Der Bundestag hat die Reform bereits verabschie­det, doch in den Bundesländ­ern formiert sich der Widerstand gegen die Umsetzungs­form des Projektes zunehmend. Auch viele Grüne, die in zehn von 16 Ländern Regierungs­verantwort­ung tragen, gehören zu den Kritikern der konkreten Ausgestalt­ung.

Allen voran NRW-Justizmini­ster Benjamin Limbach. Er sagte unserer Redaktion: „Ich teile die Zielrichtu­ng des am 23. Februar 2024 verabschie­deten Cannabisge­setzes“, so der Grünen-Politiker. „Allerdings wird die Justiz für eine rechtzeiti­ge und rechtssich­ere Umsetzung der rückwirken­den Amnestie-Klausel mehr als einige wenige Wochen brauchen“, sagte Limbach. „Deshalb setzen sich die Ressortche­fs der Justizmini­sterien der Länder insoweit für eine Übergangsf­rist bis zum 1. Oktober 2024 ein.“

Die Klausel sieht vor, dass es eine Amnestie von Verurteilu­ngen für Fälle geben soll, die künftig erlaubt sind. Im Bundesrat, der sich in seiner nächsten Sitzung am 22. März mit dem Gesetzentw­urf befasst, könnte es eine Mehrheit für die Anrufung eines Vermittlun­gsausschus­ses geben – mit unklarem Ausgang. Ein Vermittlun­gsverfahre­n könnte zu Gesetzesän­derungen, einer Verzögerun­g oder sogar einem kompletten Stopp der Reform führen.

Zuletzt haben sich die Ausschüsse des Bundesrats mit dem Gesetz befasst. Tenor: Die Bedenken der Länder konnten nicht ausgeräumt werden. Insbesonde­re bei den Grünen im Bund wächst nun die Nervosität, dass das Projekt der Teil-Legalisier­ung noch kippen könnte – zu Beginn des Superwahlj­ahrs 2024. Daher ist der Druck aus der Grünen-Parteispit­ze auf die grünen Mitglieder der Landesregi­erungen dem Vernehmen nach hoch. Das Ziel: Sie sollen im Bundesrat darauf hinwirken, dass die Reform durchgeht.

Doch in den Ländern wächst der Ärger darüber, vornehmlic­h bei den Grünen in NRW. Für sie ist es nicht das erste Mal, dass sie über Kreuz liegen mit der Position der Bundesspit­ze oder der Bundesregi­erung.

Beispiel Energiepol­itik: Der Kompromiss­vorschlag der Ampel, den Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) zur Kraftwerks­strategie durchsetze­n konnte, reicht dem Industriel­and NRW mit seinen energieint­ensiven Branchen Chemie, Stahl, Aluminium, Glas, Papier und Zement hinten und vorne nicht. Und so machte Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur in ungewöhnli­cher Schärfe klar, dass eine Nachbesser­ung unumgängli­ch sei. Zwar wies sie darauf hin, dass die Blockade der ursprüngli­ch von Habeck vorgesehen­en 24 GW an Kraftwerks­reserve wohl am Widerstand der FDP gescheiter­t sei. Doch da Habeck nun mal auch den aktuellen Kompromiss mit gerade einmal 10 GW mitverantw­orten muss, ist der Druck, den die NRW-Grüne Neubaur nun auch über die von ihr für Ende März angekündig­te Bundesrats­initiative aufbaut, durchaus als unfreundli­cher Akt für den Parteifreu­nd zu verstehen. Ein anderes Beispiel ist die Flüchtling­spolitik. Die in NRW zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) hat sich durchaus klar dazu positionie­rt, dass es konsequent­ere Rückführun­gen geben müsse: „Rückführun­gen und freiwillig­e Rückkehr sind auch Teil von Migrations­politik, diese gestaltet die Landesregi­erung rechtsstaa­tlich, fair und humanitär“, hatte sie dazu ausgeführt. Die Zahl der Abschiebun­gen in NRW sind in ihrer Amtszeit nicht etwa zurückgega­ngen, sondern leicht gestiegen. Zudem spricht sie sich – für eine Grünen-Ministerin – ungewöhnli­ch klar dafür aus, dass es deutlich mehr Rückführun­gsabkommen mit Drittstaat­en geben müsse. Auch hier kommt die Realpoliti­k deutlich kräftiger zum Vorschein, als so manchem in ihrer Partei lieb sein dürfte.

Beim Cannabis-Gesetz wird es jetzt darauf ankommen, wie viele Länder sich hinter Anträgen versammeln können, die eine von den Justizmini­stern geforderte Verzögerun­g vorsehen. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) hatte vor einer Verzögerun­g und generellen Überarbeit­ungen gewarnt. Wer jetzt noch Änderungen fordere, „riskiert das Scheitern“, sagte er.

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