Widerstand gegen Cannabis-Reform formiert sich
Die Cannabis-Reform der Bundesregierung ist umstritten. Insbesondere die Justiz- und Innenminister der Länder haben Bedenken.
Die Teil-Legalisierung von Cannabis gehört zu den Leuchtturmprojekten der Ampel-Regierung im Bund. Der Bundestag hat die Reform bereits verabschiedet, doch in den Bundesländern formiert sich der Widerstand gegen die Umsetzungsform des Projektes zunehmend. Auch viele Grüne, die in zehn von 16 Ländern Regierungsverantwortung tragen, gehören zu den Kritikern der konkreten Ausgestaltung.
Allen voran NRW-Justizminister Benjamin Limbach. Er sagte unserer Redaktion: „Ich teile die Zielrichtung des am 23. Februar 2024 verabschiedeten Cannabisgesetzes“, so der Grünen-Politiker. „Allerdings wird die Justiz für eine rechtzeitige und rechtssichere Umsetzung der rückwirkenden Amnestie-Klausel mehr als einige wenige Wochen brauchen“, sagte Limbach. „Deshalb setzen sich die Ressortchefs der Justizministerien der Länder insoweit für eine Übergangsfrist bis zum 1. Oktober 2024 ein.“
Die Klausel sieht vor, dass es eine Amnestie von Verurteilungen für Fälle geben soll, die künftig erlaubt sind. Im Bundesrat, der sich in seiner nächsten Sitzung am 22. März mit dem Gesetzentwurf befasst, könnte es eine Mehrheit für die Anrufung eines Vermittlungsausschusses geben – mit unklarem Ausgang. Ein Vermittlungsverfahren könnte zu Gesetzesänderungen, einer Verzögerung oder sogar einem kompletten Stopp der Reform führen.
Zuletzt haben sich die Ausschüsse des Bundesrats mit dem Gesetz befasst. Tenor: Die Bedenken der Länder konnten nicht ausgeräumt werden. Insbesondere bei den Grünen im Bund wächst nun die Nervosität, dass das Projekt der Teil-Legalisierung noch kippen könnte – zu Beginn des Superwahljahrs 2024. Daher ist der Druck aus der Grünen-Parteispitze auf die grünen Mitglieder der Landesregierungen dem Vernehmen nach hoch. Das Ziel: Sie sollen im Bundesrat darauf hinwirken, dass die Reform durchgeht.
Doch in den Ländern wächst der Ärger darüber, vornehmlich bei den Grünen in NRW. Für sie ist es nicht das erste Mal, dass sie über Kreuz liegen mit der Position der Bundesspitze oder der Bundesregierung.
Beispiel Energiepolitik: Der Kompromissvorschlag der Ampel, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zur Kraftwerksstrategie durchsetzen konnte, reicht dem Industrieland NRW mit seinen energieintensiven Branchen Chemie, Stahl, Aluminium, Glas, Papier und Zement hinten und vorne nicht. Und so machte Wirtschaftsministerin Mona Neubaur in ungewöhnlicher Schärfe klar, dass eine Nachbesserung unumgänglich sei. Zwar wies sie darauf hin, dass die Blockade der ursprünglich von Habeck vorgesehenen 24 GW an Kraftwerksreserve wohl am Widerstand der FDP gescheitert sei. Doch da Habeck nun mal auch den aktuellen Kompromiss mit gerade einmal 10 GW mitverantworten muss, ist der Druck, den die NRW-Grüne Neubaur nun auch über die von ihr für Ende März angekündigte Bundesratsinitiative aufbaut, durchaus als unfreundlicher Akt für den Parteifreund zu verstehen. Ein anderes Beispiel ist die Flüchtlingspolitik. Die in NRW zuständige Ministerin Josefine Paul (Grüne) hat sich durchaus klar dazu positioniert, dass es konsequentere Rückführungen geben müsse: „Rückführungen und freiwillige Rückkehr sind auch Teil von Migrationspolitik, diese gestaltet die Landesregierung rechtsstaatlich, fair und humanitär“, hatte sie dazu ausgeführt. Die Zahl der Abschiebungen in NRW sind in ihrer Amtszeit nicht etwa zurückgegangen, sondern leicht gestiegen. Zudem spricht sie sich – für eine Grünen-Ministerin – ungewöhnlich klar dafür aus, dass es deutlich mehr Rückführungsabkommen mit Drittstaaten geben müsse. Auch hier kommt die Realpolitik deutlich kräftiger zum Vorschein, als so manchem in ihrer Partei lieb sein dürfte.
Beim Cannabis-Gesetz wird es jetzt darauf ankommen, wie viele Länder sich hinter Anträgen versammeln können, die eine von den Justizministern geforderte Verzögerung vorsehen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte vor einer Verzögerung und generellen Überarbeitungen gewarnt. Wer jetzt noch Änderungen fordere, „riskiert das Scheitern“, sagte er.