Saarbruecker Zeitung

Happy Birthday, Trabi – der Kult wächst weiter

Vor 60 Jahren erblickte er das Licht der Welt: Der eigene Trabi wurde von vielen Menschen in der DDR mit Hingabe gepflegt, nach der Wiedervere­inigung aber ausgemuste­rt. Inzwischen lebt die alte Liebe wieder auf. Für manchen ist das ein Geschäft.

- VON ANDREAS HUMMEL

dpa) Der Traum vom eigenen Auto erfüllte sich für viele DDRBürger erst nach langem Warten. Der Trabi genannte Kleinwagen aus Zwickau war deswegen für viele Objekt der Begierde. Doch nach der Wiedervere­inigung machte der technisch veraltete Trabant neben den Westmodell­en eine miese Figur, avancierte zum Witzobjekt und wurde auf den Straßen bald zur Rarität. Seit einigen Jahren lebt der Kleinwagen als Oldtimer auf und hat eine wachsende Fangemeind­e: Die Zulassungs­zahlen steigen. Wer ein solches Auto kaufen will, muss eine stattliche Summe berappen. Woher kommt die neue Liebe zum kleinen Stinker, der in diesem Jahr ein Jubiläum feiert?

Zweitakt-Motor mit zunächst 23 PS, Luftkühlun­g, Maximaltem­po 100 und eine Karosse aus Duroplast statt Blech: Vor 60 Jahren präsentier­ten die VEB Sachsenrin­g Automobilw­erke den Trabant 601 auf der Leipziger Frühjahrsm­esse der internatio­nalen Öffentlich­keit - neben einem Horch

Baujahr 1911, um auf die stolze Autotradit­ion der Region zu verweisen. Vorgänger hatte es gegeben, doch mit mehr als 2,8 Millionen Exemplaren wurde der 601 der meistverka­ufte Wagen Trabant und bis 1990 produziert. Ob pastellbla­u, polarweiß oder cliffgrün – der 601 hat das Trabi-Bild in den Köpfen geprägt.

Von einer vollkommen neuen Karosserie schwärmt im Frühjahr 1964 das Magazin „Der Deutsche Straßenver­kehr“, „die im Stil der modernen Trapezlini­e dem internatio­nalen Geschmack entspricht“. Im Vergleich zu seinen Vorgängern biete er mehr Kopffreihe­it, einen größeren Kofferraum, Kurbelfens­ter und Druckknopf­türgriffe. „Mit dem Platzangeb­ot im Innenraum liegt der Trabant 601 im internatio­nalen Maßstab an der Spitze der vergleichb­aren Fahrzeuge“, frohlockt die DDR-Zeitschrif­t.

Zwar geht das neue Modell im Juni 1964 in Serie, die Produktion hält aber mit der Nachfrage nie Schritt. Die Folge: Wartezeite­n von mehr als zehn Jahren. Das lag auch an Besonderhe­iten der Karosserie, wie Bernd Cyliax erzählt. Der 79-Jährige arbeitete einst beim VEB Sachsenrin­g. Heute teilt er im Zwickauer Horch-Museum sein Wissen mit Besuchern. Weil es an Devisen und Rohstoffen fehlte, wurde für die Karosserie Duroplast verwendet. „Duroplast besteht im Prinzip aus Baumwolle, die aus der Sowjetunio­n kam, und Phenolharz aus Braunkohle­nteer.“Das Ganze – jeweils zehn Teile je Auto – wurde bei 180 Grad gepresst und musste wieder abkühlen. „So ein Pressvorga­ng dauerte acht Minuten – das war das Problem“, sagt Cyliax.

Dem Trabi brachte diese Eigenheit Kosenamen wie „Plastebomb­er“oder „Rennpappe“ein. Wegen der langen Wartezeite­n waren gebrauchte Fahrzeuge häufig teurer als Neuwagen. Doch wer einen ergattert hatte, für den war er oft ein treuer Begleiter – bis zur Fahrt an die Ostsee, den Balaton in Ungarn oder bei der ersten Stippvisit­e nach Westdeutsc­hland Ende 1989. Auf den Straßen wich er danach rasch Modellen von Volkswagen, Ford oder Opel.

Das hält der Kultfilm „Go Trabi Go“Anfang der 90er in seiner Eingangssz­ene fest: Während der Deutschleh­rer Udo Struutz ( Wolfgang Stumph) in Bitterfeld mit Frau und Tochter im Trabi „Schorsch“zur Reise nach Italien aufbricht, polieren seine Nachbarn bereits ihre Westautos und haben für seinen 601 nur Häme übrig: „Neapel? So kommste nimma bis Leipzsch.“Auch in der Komödie „Trabbi goes to Hollywood“mit Thomas Gottschalk wird der Trabant zum Star auf der Leinwand. Unterhaltu­ng bot er zudem in unzähligen Witzen wie: Ein Trabi-Besitzer an der Tankstelle zum Tankwart: „Für meinen Trabi hätte ich gerne zwei Scheibenwi­scher.“Der Tankwart: „Das ist okay, das klingt nach einem fairen Tausch!“

Gut 30 Jahre später feiert der Stinker ein Comeback und hat Kultstatus – nicht nur in Ostdeutsch­land. Das zeigen Zahlen des Kraftfahrt­Bundesamte­s. Seit rund zehn Jahren steigt die Zahl der zugelassen­en Trabis. Waren es 2014 gut 32 300, wurde im vergangene­n Jahr die Marke von 40 000 geknackt – davon knapp 32 000 im Osten und gut 8300 im Westen.

Wer einen der inzwischen zum Oldtimer geadelten Wagen kaufen will, muss immer mehr Geld hinblätter­n. Im Schnitt würden sie derzeit für rund 7300 Euro angeboten, sagt Gerd Heinemann vom Beratungs

„Wir haben Kunden in der ganzen Welt – bis nach Neuseeland, Australien, Brasilien und den USA“Frank Hofmann Inhaber des Unternehme­ns Trabantwel­t

unternehme­n BBE Automotive. Es erstellt regelmäßig Marktanaly­sen für Old- und Youngtimer in Deutschlan­d. Für einige besondere Varianten werden im Internet gar Preise von 25 000 Euro und mehr verlangt. „Die Preise werden tendenziel­l weiter steigen.“Fünf Prozent im Jahr seien realistisc­h.

Dass es in Deutschlan­d wieder mehr Trabis gibt, sei auch auf Reimporte zurückzufü­hren, erklärt Heinemann. Aber vor allem die einfache Konstrukti­on befeuert sein Revival. Denn vieles lässt sich von Hobbyschra­ubern reparieren und mit vorhandene­m Rahmen wird ein Trabant

auch schon mal komplett neu aufgebaut. Als Beleg führt Frank Hofmann über den Hof seines Unternehme­ns Trabantwel­t in Zwickau. Er öffnet das Tor eines Garagencon­tainers. Darin kommt ein Trabant 601 Kombi in Panamagrün zum Vorschein. „Den hat mein Junior fast komplett neu aufgebaut und ist damit zu seinem Abiball gefahren.“

Vor rund 20 Jahren gründete Hofmann seinen Versandhan­del. Auf YouTube gibt er Tipps für Schrauber. Rund 5200 Trabi-Teile hat er nach eigenen Worten auf Lager: vom Zylinderko­pf bis zum kompletten Mo

tor, von der Radkappe bis zum Sitzbezug. Mit 15 Mitarbeite­rn sorgt er dafür, dass den Trabi-Fans nicht die Teile ausgehen – und dass mancher Trabant neu zum Leben erweckt wird. „Wir haben Kunden in der ganzen Welt – bis nach Neuseeland, Australien, Brasilien und den USA“, sagt Hofmann. „Der Trabi ist weit gekommen.“Auch er will mit dem Zweitakter noch weit kommen – nicht nur wirtschaft­lich. „Mit meinem Sohn will ich bis ans Nordkap fahren.“Der zweite Trabi dafür müsse allerdings erst noch neu aufgebaut werden.

 ?? FOTO: JAN WOITAS/PA/ZB ?? Viele Menschen pflegen noch heute ein liebevolle Beziehung zu ihrem Trabant. Hier ein mit Wimpern und Fahnen geschmückt­es Modell im Jahr 2015 bei einem Internatio­nalen Trabbi-Treffen im sächsische­n Zwickau.
FOTO: JAN WOITAS/PA/ZB Viele Menschen pflegen noch heute ein liebevolle Beziehung zu ihrem Trabant. Hier ein mit Wimpern und Fahnen geschmückt­es Modell im Jahr 2015 bei einem Internatio­nalen Trabbi-Treffen im sächsische­n Zwickau.

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