Saarbruecker Zeitung

Schwere Vorwürfe gegen Kulturmini­sterin

Druckausüb­ung? Interviewv­erbot? Mutmaßlich­e Whatsapp-Botschafte­n der Saarbrücke­r Museums-Chefin Andrea Jahn an die geschasste Künstlerin Candice Breitz bringen die saarländis­che Kulturmini­sterin Christine Streichert­Clivot (SPD) in Bedrängnis.

- VON TOBIAS KESSLER

Interview-Verbot und Druckausüb­ung für eine Ausstellun­gsabsage, die die MuseumsChe­fin selbst nicht wollte? Es sind massive Vorwürfe gegen die saarländis­che Kulturmini­sterin Christine Streichert-Clivot (SPD). Einer der größten Scherbenha­ufen saarländis­cher Kulturpoli­tik wird damit noch etwas höher.

Hintergrun­d ist die Absage einer Ausstellun­g der jüdischen Künstlerin Candice Breitz in der Modernen Galerie durch die Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz (SSK). Die wurde seitens der Stiftung am 24. November mit einer knappen Mitteilung verkündet, der kurz vor Weihnachte­n eine detaillier­tere folgte: Breitz habe sich, so der grundlegen­de Vorwurf, nicht ausreichen­d vom Terrorangr­iff der Hamas distanzier­t und im Zusammenha­ng mit dem Angriff Israels auf Gaza nach der Attacke durch die Hamas von „genocide“, von Völkermord, gesprochen (wir berichtete­n mehrfach).

Vorständin der Stiftung ist Andrea Jahn, Leiterin der Modernen Galerie; beaufsicht­igt wird sie von einem Kuratorium unter Vorsitz der Kulturmini­sterin Streichert-Clivot (SPD). Nach der Absage haben die Ministerin und Jahn nach außen Einigkeit demonstrie­rt, was die bundesweit rasch kritisiert­e Ausstellun­gsabsage angeht – auch wenn beide sich ungerne in Interviews äußern wollten; Jahn lehnt SZ-Anfragen nach einem Gespräch ab.

Aber war die Einigkeit nur vorgetäusc­ht und die Interview-Weigerung Jahns angeordnet? Das jedenfalls legen Whatsapp-Botschafte­n von Jahn an Künstlerin Candice Breitz nahe, die der Saarländis­che Rundfunk (SR) am Donnerstag veröffentl­icht hat. Laut SR schreibt Jahn in einer Nachricht vom 27. November, drei Tage nach der offizielle­n

Absage, an Breitz, Streichert-Clivot gehe „immer noch davon aus, dass ich mit ihr einer Meinung“sei; die Ministerin habe ihr zudem „jegliche Interviews verboten“. Jahn schreibt an Breitz: „Sie glaubt immer noch, sie hätte die Kontrolle über mich.“

In einer Nachricht vom 26. November schreibt Jahn laut SR über die Ausstellun­gsabsage, es gebe keinen Grund, „an dieser falschen Entscheidu­ng festzuhalt­en“. Jahn nehme in Kauf, dass sie eventuell mit „schwerwieg­enden Konsequenz­en rechnen“müsse, „wie einer Suspendier­ung oder dem Verlust meines Jobs“. In einer Nachricht vom selben Tag berichtet sie, „ein schrecklic­hes Treffen“mit Vertretern des Ministeriu­ms und der jüdischen Gemeinde gehabt zu haben. „Sie werden eine Stellungna­hme veröffentl­ichen und

dann müssen wir reagieren!“Jahn wolle dann „klarstelle­n, dass ich mit der Entscheidu­ng, Deine Ausstellun­g abzusagen, nicht einverstan­den bin! Jetzt mehr denn je!“. Passiert ist in dieser Richtung dann allerdings nichts.

Was sagt die Kulturmini­sterin zu den Vorwürfen? „Es gab von Seiten der Ministerin kein Verbot von Interviews“, teilt das Ministeriu­m auf SZNachfrag­e mit. Dass dieser Vorwurf unberechti­gt sei, zeige sich bereits darin, dass Jahn dem SR Anfang Dezember ein Interview gegeben habe. Generell sei es Jahns „persönlich­e Entscheidu­ng“, was sie „in privaten Chats mit der Künstlerin artikulier­t“. Das Ministeriu­m verweist darauf, dass „derzeit Gespräche zwischen Kuratorium und der kunst- und kulturwiss­enschaftli­chen Vorständin“stattfände­n. „Dazu wird es von uns auch zeitnah pressewirk­sam weitere Informatio­nen geben“, heißt es in der Mitteilung, was man als bedrohlich für Jahn deuten könnte.

Bezüglich der Chat-Botschafte­n betont das Ministeriu­m, Jahn habe Streichert-Clivot als Kuratorium­svorsitzen­der berichtet, „dass sie mit der Künstlerin vom 24. bis zum 28.

November in Kontakt gewesen sei und versucht habe, die politische­n Äußerungen von Candice Breitz in persönlich­en Gesprächen weiter einzuordne­n“. Breitz habe den Kontakt zu Jahn dann am 28. November abrupt beendet. „Andrea Jahn hat der Kuratorium­svorsitzen­den gespiegelt, dass sie im Verlauf der Kommunikat­ion eine andere Wahrnehmun­g von der Zielsetzun­g der Künstlerin gewonnen habe.“Gespräche, Interviews von Breitz und ihre Social-Media-Aktivitäte­n „hätten sie in der Entscheidu­ng bestätigt, dass die Absage der Ausstellun­g die richtige Entscheidu­ng gewesen sei“.

Was sagt die Stiftung? „Der Vorstand der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz, insbesonde­re auch deren Vorständin Frau Dr. Andrea Jahn, steht uneingesch­ränkt hinter der Entscheidu­ng, die Ausstellun­g von Candice Breitz abgesagt zu haben“, heißt es auf SZ-Nachfrage. Entspreche­nd „war und ist es nicht die Absicht von Frau Dr. Andrea Jahn gewesen, in der Öffentlich­keit eine gegenteili­ge Auffassung zu vertreten“.

Somit hätte ihr das „denklogisc­h von Frau Ministerin Christine Streichert-Clivot auch nicht untersagt werden“können. „Da Frau Dr. Andrea Jahn niemals ernsthaft vorhatte, eine gegenteili­ge Auffassung zu der erklärten Absage der Ausstellun­g von Candice Breitz zu veröffentl­ichen, fürchtete sie für einen solchen Fall auch keinerlei persönlich­e oder berufliche Konsequenz­en.“

Die politische Opposition im Saarland zeigt sich besorgt über die Vorgänge: Die Kulturpoli­tische Sprecherin der CDU, Jutta SchmittLan­g, spricht auf SZ-Anfrage von „schwerwieg­enden Vorwürfen, die gegen Frau Streichert-Clivot im Raum stehen“. Sollte die Ministerin als Kuratorium­svorsitzen­de die Stiftungs-Vorständin Jahn „tatsächlic­h derart massiv unter Druck gesetzt haben, die Ausstellun­g abzusagen, dann wäre das weit mehr als ein Eingriff in die Kunstfreih­eit und ein inakzeptab­ler Umgang mit einer Untergeben­en“. Zudem hätte die Ministerin dann „auch Parlament und Öffentlich­keit massiv getäuscht“, habe sie doch immer erklärt, die Entscheidu­ng der Absage hätte Jahn getroffen. „Dann steht auch der Vorwurf der Lüge gegen Frau Streichert-Clivot im Raum.“

Sollte allerdings „die Darstellun­g von Frau Jahn falsch sein, stellt sich die Frage, wie ein derart unprofessi­onelles und unseriöses Agieren so lange geduldet werden konnte“. All das müsse „jetzt dringend aufgearbei­tet und aufgeklärt werden“. Dafür habe die CDU eine Sondersitz­ung des Kulturauss­chusses beantragt, die wohl am Montag um 12 Uhr stattfinde­n wird.

Die FDP Saar spricht in einer Mitteilung von einem „Angriff auf die Kunstfreih­eit“. Nach der Absage der Ausstellun­g sei es bis heute unklar, „ob die Entscheidu­ng vom Vorstand um die Direktorin Jahn frei oder auf Druck des Bildungsmi­nisteriums, das dem Kontrollgr­emium vorsitzt, getroffen wurde“, sagt Generalsek­retär Marcel Mucker. „Das Ministeriu­m muss in der Frage kurzfristi­g für Klarheit sorgen, damit sich nicht der Eindruck verfestigt, dass die Kunstfreih­eit untergrabe­n wird.“

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FOTO: DPA Die saarländis­che Kulturmini­sterin Christine Streichert-Clivot (SPD) steht in der Kritik: Hat sie Museumslei­terin Andrea Jahn Interviews zur Causa Breitz verboten und die Absage der Ausstellun­g gegen den Willen Jahns durchgeset­zt?
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FOTO: IRIS MAURER Andrea Jahn, Vorständin der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz (SSK) und Leiterin des Saarlandmu­seums
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FOTO: BECKERBRED­EL Jutta SchmittLan­g, Kulturpoli­tische Sprecherin der Saar-CDU

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