„Ich hätte dem Teufel meine Seele gegeben, wenn alles aufhört“
Fünf ehemalige Pflegekinder werfen einem Paar vor, sie jahrelang misshandelt zu haben. Am Donnerstag sagte ein weiteres mutmaßliches Opfer aus.
ist der sechste Tag im Mammut-Prozess um mutmaßlichen Missbrauch von fünf Pflegekindern durch die Pflegefamilie D. vor dem Saarbrücker Landgericht. Das mutmaßliche Opfer Fabian (Name geändert) sitzt am Donnerstag vor der Richterbank und Tränen laufen über sein Gesicht. Der heute 30-jährige schlanke Mann, der sein langes Haar als Pferdeschwanz trägt, scheint von Schuldgefühlen geplagt. Zitternd erzählt er über seine Flucht von den Pflegeeltern, die ihm und seinen Pflegegeschwistern laut Anklage Schreckliches angetan haben sollen. Immer wieder blickt er nach links zur Bank der Nebenklage, wo sein Pflegebruder Lars (Name geändert) sitzt. „Wir hatten immer ausgemacht, dass wir zusammen abhauen“, sagt Fabian, bevor seine Stimme bricht und er schluchzend fortfährt „aber am Ende habe ich nur meinen eigenen Arsch gerettet“.
Auch Fabian berichtet, wie schon zwei andere Zeugen zuvor, vom aus seiner Sicht schrecklichen Alltag im Haus der Pflegeeltern Sabine und Patrick D. in Mettlach-Tünsdorf. Er erzählt im Zeugenstand von fast täglichen Schlägen oder Tritten und Bestrafungen der Kinder durch die Pflegemutter und seltener deren Ehemann. Wie schon bei den Aussagen seiner Pflegegeschwister geht es dabei oft auch ums Essen. Alle berichten, dass sie fast jeden Tag Toastbrote mit Margarine in einer bestimmten Menge in einer begrenzten Zeit essen mussten. Sonst habe es Ärger und Schläge gegeben. Weil die Kinder mit der Zeit von diesem Essen angewidert gewesen seien, wurden sie kreativ, sagt Fabian aus. Sie verfütterten angekaute Brote an die Haushunde oder versteckten diese hinter Holzblenden der Küchenmöbel. Bis
Pflegevater Patrick das bemerkte und nach Aussage des Zeugen die Kinder zwang, die inzwischen verschimmelten Brote zu essen.
„Einmal wurde ich von Sabine mit Pudding oder Brei gefüttert“, sagt Fabian, „als es ihr nicht schnell genug ging, hat sie mir mit einem großen
Löffel auf den Mund geschlagen“. Dabei sei ein Zahn abgebrochen, so der Zeuge. Die Pflegemutter habe ihm gesagt, falls jemand nach dem Zahn frage, solle er sagen, das sei beim Skaten oder Fußballspielen passiert. Der Pflegemutter wirft Fabian auch vor, ihm mit spitz zulaufenden Stiefeln in den Unterleib getreten zu haben. Das habe zu einer Hodenverletzung geführt. Außerdem habe sie ihm einmal eine heiße Pizza ins Gesicht gedrückt, was zu einer Verbrennung geführt habe. Nach Schlägen der Pflegemutter sei er bei einem anderen mutmaßlichen Übergriff mit dem Kopf auf den Boden geschlagen und bewusstlos geworden.
Als Kind habe er zu Gott gebetet, um Hilfe gefleht, aber keine erhalten, sagt Fabian. „Dann dachte ich, wenn Gott mir nicht hilft, bete ich eben zum Teufel. Ich hätte dem Teufel meine Seele gegeben, wenn dann alles aufhört“, so der Zeuge vor Gericht.
Die Angeklagte Sabine D., die wie ihr mitangeklagter Ehemann alle Vorwürfe bestreitet, kommentiert die Aussage von Fabian in einer Prozesspause kurz mit: „Das Märchen wird immer größer“. Auch ihr Anwalt, der allen Pflegekindern Lügen vorwirft, zieht die Aussagen des Zeugen sehr in Zweifel. Als 2013 erstmals Vorwürfe gegen die Pflegeeltern laut wurden, wurde auch Fabian, der damals nicht mehr direkt bei der Familie lebte, von der Polizei befragt. Er sagte zu Gunsten der Pflegeeltern aus und bestritt alle Missbrauchsvorwürfe. Diese Aussage von 2013 sei falsch gewesen, sagt der Zeuge nun im Prozess. Die Pflegeeltern hätten ihn dazu gedrängt. Die mutmaßliche Falschaussage habe sein Gewissen belastet. „Ich hatte Albträume von meinen Pflegegeschwistern. Sie waren darin geköpft“, sagt der 30-Jährige. 2015 habe er dann eine neue Aussage gemacht, die Familie D. belastet.
Der Verteidiger der Pflegemutter weist darauf hin, dass der Zeuge eventuell Zugang zu Ermittlungsakten hatte und deshalb seine Aussage auf die der anderen Pflegekinder anpasse. Fabian selbst gibt im Prozess an, dass er die schriftlichen Aussagen der anderen mutmaßlichen Opfer eingesehen habe.
Der Prozess wird kommenden Dienstag fortgesetzt.