Hintergründe zum Energieträger Wasserstoff erläutert
Beim Dialogabend „Wasserstoff – Chance oder Illusion?“haben sich Experten und Publikum gemeinsam dem Thema genähert.
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Doch der meiste Wasserstoff, der auf unserem Planeten vorkommt, ist im Wasser gebunden. Es muss mithilfe der Elektrolyse in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) aufgespalten werden. Das kostet allerdings eine Menge Strom.
Welche Probleme dies in der Praxis aufwirft, verdeutlichte ein Dialogabend, der sich mit der Frage „Wasserstoff – Chance oder Illusion?“beschäftigte. Ausgerichtet wurde der Dialogabend vom Netzwerk Entwicklungspolitik im Saarland (NES), der Volkshochschule Regionalverband Saarbrücken und der Landeszentrale für politische Bildung Saar.
Der in Europa häufig gehegten Illusion, dass der meiste Wasserstoff in den sonnen- und windreichen Regionen der Südhalbkugel – beispielsweise in Afrika – erzeugt und nach Europa transportiert werden könnte, erteilte Hauptreferent Joachim Fünfgelt eine klare Absage. „Dort kann zwar der Strom für die Wasserstoff-Elektrolyse in großen Windparks und ausgedehnten Photovoltaik-Feldern günstig und vor allem umweltfreundlich erzeugt werden“, sagte der Referent für Energiepolitik beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt. „Doch der Transport nach Europa wäre sehr teuer.“
Daher wäre es sinnvoll, die energieintensiven Industrien, die künftig Wasserstoff in großem Stil benötigen – wie beispielsweise die Chemie und die Stahlproduktion – in diese Regionen zu verlagern, meinte Fünfgelt. Er bezweifelte zudem, „dass die afrikanischen Länder einen Wasserstoff-Kolonialismus akzeptieren würden, bei dem der Kontinent erneut ausgebeutet wird und die Wertschöpfung im reichen Norden stattfindet“.
In der anschließenden Podiumsdiskussion bezweifelten die Teilnehmer, dass die Verlagerung ganzer Industrien beispielsweise nach Afrika sinnvoll und realistisch wäre. „Wir haben uns bei unseren Stahlproduktionen ein spezielles Knowhow aufgebaut“, sagte Michael Fischer, Betriebsratsvorsitzender der Dillinger Hütte.
Er erinnerte daran, „dass unser Grobblechwalzwerk in Dillingen zu den leistungsstärksten weltweit gehört und wir dort die Brammen wälzen, die den Windparks auf hoher See bei ihrer Verankerung auf dem Meeresboden die nötige Stabilität verleihen“.
Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) verwies darauf, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetzespaket der Landesregierung, das der Landtag am Mittwoch in erster Lesung behandelt, „einen Schub in den Ausbau von Windparks und PV
Feldern bringen wird und wir dann mehr grünen Wasserstoff erzeugen können“. Allerdings reiche das bei weitem nicht aus, da der Umbau der Saarhütten in Dillingen und Völklingen auf die Produktion von „grünem Stahl“einen „Strom-Mehrbedarf von mindestens acht Terawattstunden ( TWh) mit sich bringt – so viel wie das gesamte Saarland derzeit verbraucht“.
Fünfgelt wies darauf hin, dass es nicht gleich die große Industrie-Verlagerung von Norden nach Süden sein müsse. Doch der Wasserstoff „muss auch Wertschöpfung in diese Länder bringen“. Er erinnerte daran, „dass in Afrika Millionen von Menschen überhaupt noch keine Stromversorgung haben und ihr Essen auf offenen Feuerstellen kochen müssen“.