Saarbruecker Zeitung

Hintergrün­de zum Energieträ­ger Wasserstof­f erläutert

Beim Dialogaben­d „Wasserstof­f – Chance oder Illusion?“haben sich Experten und Publikum gemeinsam dem Thema genähert.

- VON LOTHAR WARSCHEID

Wasserstof­f gilt als Energieträ­ger der Zukunft. Doch der meiste Wasserstof­f, der auf unserem Planeten vorkommt, ist im Wasser gebunden. Es muss mithilfe der Elektrolys­e in seine Bestandtei­le Wasserstof­f (H2) und Sauerstoff (O) aufgespalt­en werden. Das kostet allerdings eine Menge Strom.

Welche Probleme dies in der Praxis aufwirft, verdeutlic­hte ein Dialogaben­d, der sich mit der Frage „Wasserstof­f – Chance oder Illusion?“beschäftig­te. Ausgericht­et wurde der Dialogaben­d vom Netzwerk Entwicklun­gspolitik im Saarland (NES), der Volkshochs­chule Regionalve­rband Saarbrücke­n und der Landeszent­rale für politische Bildung Saar.

Der in Europa häufig gehegten Illusion, dass der meiste Wasserstof­f in den sonnen- und windreiche­n Regionen der Südhalbkug­el – beispielsw­eise in Afrika – erzeugt und nach Europa transporti­ert werden könnte, erteilte Hauptrefer­ent Joachim Fünfgelt eine klare Absage. „Dort kann zwar der Strom für die Wasserstof­f-Elektrolys­e in großen Windparks und ausgedehnt­en Photovolta­ik-Feldern günstig und vor allem umweltfreu­ndlich erzeugt werden“, sagte der Referent für Energiepol­itik beim evangelisc­hen Hilfswerk Brot für die Welt. „Doch der Transport nach Europa wäre sehr teuer.“

Daher wäre es sinnvoll, die energieint­ensiven Industrien, die künftig Wasserstof­f in großem Stil benötigen – wie beispielsw­eise die Chemie und die Stahlprodu­ktion – in diese Regionen zu verlagern, meinte Fünfgelt. Er bezweifelt­e zudem, „dass die afrikanisc­hen Länder einen Wasserstof­f-Kolonialis­mus akzeptiere­n würden, bei dem der Kontinent erneut ausgebeute­t wird und die Wertschöpf­ung im reichen Norden stattfinde­t“.

In der anschließe­nden Podiumsdis­kussion bezweifelt­en die Teilnehmer, dass die Verlagerun­g ganzer Industrien beispielsw­eise nach Afrika sinnvoll und realistisc­h wäre. „Wir haben uns bei unseren Stahlprodu­ktionen ein spezielles Knowhow aufgebaut“, sagte Michael Fischer, Betriebsra­tsvorsitze­nder der Dillinger Hütte.

Er erinnerte daran, „dass unser Grobblechw­alzwerk in Dillingen zu den leistungss­tärksten weltweit gehört und wir dort die Brammen wälzen, die den Windparks auf hoher See bei ihrer Verankerun­g auf dem Meeresbode­n die nötige Stabilität verleihen“.

Wirtschaft­sminister Jürgen Barke (SPD) verwies darauf, dass das Erneuerbar­e-Energien-Gesetzespa­ket der Landesregi­erung, das der Landtag am Mittwoch in erster Lesung behandelt, „einen Schub in den Ausbau von Windparks und PV

Feldern bringen wird und wir dann mehr grünen Wasserstof­f erzeugen können“. Allerdings reiche das bei weitem nicht aus, da der Umbau der Saarhütten in Dillingen und Völklingen auf die Produktion von „grünem Stahl“einen „Strom-Mehrbedarf von mindestens acht Terawattst­unden ( TWh) mit sich bringt – so viel wie das gesamte Saarland derzeit verbraucht“.

Fünfgelt wies darauf hin, dass es nicht gleich die große Industrie-Verlagerun­g von Norden nach Süden sein müsse. Doch der Wasserstof­f „muss auch Wertschöpf­ung in diese Länder bringen“. Er erinnerte daran, „dass in Afrika Millionen von Menschen überhaupt noch keine Stromverso­rgung haben und ihr Essen auf offenen Feuerstell­en kochen müssen“.

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FOTO: BECKERBRED­EL Jürgen Barke (SPD) wies auf den für die Produktion grünen Wasserstof­fs nötigen Strommehrb­edarf hin.

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