„Gehöre ich dazu, kann mich keiner remigrieren“
Pasquale Marino (67) lebt seit 1970 in Deutschland, hat lange im italienischen Konsulat an der Saar gearbeitet. Er ist Sohn eines italienischen Gastarbeiters und bei Antenne Saar seit fast 40 Jahren die Stimme der Italienerinnen und Italiener im Saarland.
Pasquale Marino liebt Literatur, schreibt auch selbst. 2022 hat er ein Buch über Italiener im Saarland veröffentlicht. Und so dauert es in unserem Gespräch nicht lang, bis er Max Frisch zitiert: „Wir wollten Arbeiter, und es kamen Menschen.“
Marino, lange Zeit beim italienischen Konsulat angestellt, hat viel zu erzählen. Er kennt noch die Zeiten, als es Schilder an Lokalen gab „Eintritt für Italiener verboten“. Über die Jahre ist den meisten die Integration geglückt. Vor 65 Jahren, 1949 bereits, gab es das erste Anwerbeabkommen mit Italien. Deutsche und Italiener hatten ein gemeinsames Interesse. Die Italiener suchten Arbeit, die Deutschen hatten Arbeit.
Arbeit gab es, aber die Menschen hätten am Rande der Stadt gelebt, sagt Marino. Auf der Folsterhöhe hätte es die Gastarbeiterbaracken gegeben. Die echte Integration habe angefangen, als die Italiener die sogenannte Illusion der Wiederkehr aufgaben. Und jetzt müssen sich die Einwanderer von einst ebenso wie die von heute erschreckende Parolen anhören. Remigration! Marino kommentiert es auf seine direkte Art: Die erste Reaktion war „Die sind bekloppt.“Allerdings, das ergänzt er sofort, bedeute das nicht, dass sie nicht gefährlich seien. „Dahinter steckt Methode.“
Stimmen bekomme man, indem man populistisch vorgeht. Probleme vereinfacht, ein Feindbild aufbaut. Was kann man tun? „Partizipation, Partizipation, Partizipation“, sagt Marino. Das sei der Schlüssel: Vereine seien wichtig, natürlich auch Freundschaften. „Wenn ich dazu gehöre, kann mich keiner remigrieren.“
Für Partizipation, die Teilhabe also, hat Marino in seiner (langen) Zeit im Saarland viel getan. Er hat Deutschkurse in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler gegeben, er war in der Jugendgerichtshilfe tätig, von 1984 bis 2016 leitete er im italienischen Konsulat an der Saar die Abteilung Arbeit und Soziales. 2016 wurde das Konsulat geschlossen, sechs Jahre lang leitete er danach die Abteilung für Arbeit und Soziales im Konsulat in Frankfurt, kam dann zurück ins Konsulatsbüro in Saarbrücken, bis zu seiner Rente im September 2023.
Rente bedeutet für ihn natürlich nicht „Nichtstun“. Noch immer sitzt er sonntags am Mikrofon; einmal im Monat abgelöst von Wolfgang Korb. Sonntags um 10 Uhr heißt es bei Antenne Saar „Mezz´ora italiana“.
In dieser halben Stunde befragt Marino Gäste. Gerade war der SPDLandtagsabgeordnete Sascha Haas im Studio zu Gast, um über das föderale System zu sprechen. Im Juni sind im Saarland Kommunalwahlen. Und auch Wählen ist ja Partizipation. Im Oktober kann Marino Jubiläum feiern: 40 Jahre ist er dann auf Sendung.
Sein Weg in die deutsche Gesellschaft war nicht einfach. „Alle Versuche, mich in der Schule zu integrieren, scheiterten kläglich.“Nach großen Anfangsschwierigkeiten ging er seinen Weg dann doch: Der führte in ein italienisches Internat in Nordrhein-Westfalen, in eine Ausbildung zum Elektromechaniker, in die Abendschule, zum Fachabitur und dann zum Studium der Sozialarbeit und der Sozialpädagogik. 1984 habe ihn der italienische Konsul gerufen und gesagt: „Sie machen Radio“.
Oskar Lafontaine, damals Oberbürgermeister von Saabrücken, habe den italienischen Hörern dann „Buon natale“und „buon anno a tutti“gewünscht. Dann kam in den 80er Jahren die italienische Welle. Italienische Mode, italienische Sportwagen, alles, was aus Italien kam, war sehr gefragt. „Auf dieser Welle sind wir geritten und haben 1992 das erste Italo-Pop-Konzert am Bostalsee organisiert“, sagt Marino.
Mit „wir“meint er den Saarländischen Rundfunk. Marinos Sendung blieb auch in der Zeit, in der er in Frankfurt arbeitete. Die Aufnahmen für die Mezz´ora Italiana, sein ItaloMagazin, wie er es nennt, liefen weiter: beim Hessischen Rundfunk.
Frei vom Konsulat sei er in der Sendung nie gewesen, sagt Marino. Im Gegenteil: Der Maulkorb sei sehr eng gewesen. „Ich habe nie in 40 Jahren das Wort Mafia ausgesprochen oder über eine Regierungskrise in Italien geredet.“Spaß gemacht hat ihm seine Sendung immer, bis heute.
Noch immer sitzt Pasquale Marino sonntags am Mikrofon. Sonntags um 10 Uhr heißt es bei Antenne Saar „Mezz´ora italiana“.