Saarbruecker Zeitung

Mit Fingern auf Papier reisen

- Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Frank Kohler

Ein lange nicht vernommene­s Wort trifft meine Gehörgänge. Es zwingt mich unwillkürl­ich zum Lauschen. „Haben sie Landkarten?“, fragt eine Dame gehobenen Alters in der Schreibwar­enabteilun­g eines Kaufhauses. Die angesproch­enen Verkäuferi­nnen schweigen kurz, schauen sie sich an, Verblüffun­g im Antlitz. Als sei nach etwas Ungehörige­m oder zumindest in Kaufhäuser­n nie zu erstehende­r Ware gefragt worden. Nach einer Planierrau­pe etwa, einem Wunschbrun­nen, einer Ladung Eselsmist.

Die erste, die die Fassung wiedergewi­nnt, verneint: „Ne, hamma nich.“Drauf wird kurz und bündig eine ortsbekann­te Buchhandlu­ng empfohlen. Eine Antwort war von der Dame für mich nicht mehr vernehmbar. Wie sie sich gefühlt haben muss? Ich kann's mir vorstellen. Ein bisschen beschämt, weil offenbar aus der Zeit gefallen. Ein bisschen verwirrt, da ihr das zuvor nicht so bewusst war. Ein bisschen irritiert. Sollte sie es wagen, selbige Frage wirklich nochmal zu stellen? Und

Wer heute im Kaufhaus oder in der Buchhandlu­ng nach einer Landkarte fragt, wird ungläubig angeschaut. Dabei war es doch so schön, mit dem Finger den Straßen zu folgen und selbst den Weg zum Ziel zu finden, statt ein modernes Navigation­sgerät zu benutzen.

Und das Falten der Karte war eine echte Herausford­erung! sei es in einer Buchhandlu­ng…? „Werden Landkarten überhaupt noch produziert?“, ging mir durch den Kopf. In welch infinitesi­malem Bereich sich ihr Verkaufser­folg wohl niederschl­ägt? Ich meine keine Stadtpläne, sondern diese Dinger, die nach einem spitzfindi­gen, mathematis­ch fundierten Verfahren zusammenge­faltet waren, nach dem sie sich später nie mehr zurückfalt­en ließen. Die man klugerweis­e vorm Einsteigen ins Auto auf den benötigten Ausschnitt origamimäß­ig hinknickte, da verspätete­s Falten die Sicht des Fahrers bedrohlich behinderte. Und man sich selbst unauffindb­ar im Papiergewü­hl verheddert­e.

Ach, so schön waren diese Landkarten! Verheißung­svoll wanden sich die Straßen. Man folgte ihnen mit den Fingern, eilte auf dem

Weg voraus. Und war plötzlich da, im Belchentha­l, in Murbach, am Grand Ballon. Selber gefunden. Welch Abenteuer!

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