Das Glück der schlichten Worte
Nach überstandener Krebs-Erkrankung krönt Nicole ihre „ Ich bin zurück“-Tour mit drei Konzerten im Saarland, nach Dillingen und Nonnweiler das letzte an diesem Samstag in Neunkirchen. Ein besonderes Heimspiel.
„Ein bisschen Frieden“gibt es schon für zehn Euro: Selbst fern der aktuellen Kriegs- und Krisenlage ist das ein kleiner Preis. Der praktische Beutel mit den Zeilen ihres Welterfolgs geht am Merchandising-Stand in der Dillinger Stadthalle allerdings nicht gerade weg wie die warmen Semmeln, die man damit prima vom Bäcker holen könnte. Verständlich: Die, die heute Abend da sind, sind durch die Bank textsicher, wie sie nachher noch beweisen werden. Und haben vermutlich das meiste längst, was man von und mit ihr drauf kaufen könnte.
Ja: Sie hat einiges hinter sich. Den Krebs überstanden, auch wenn die Angst natürlich blieb. Gerade konnte man in diversen bunten Blättern lesen, wie sie damit umgeht. Unterkriegen lässt sie sich auf jeden Fall nicht.
Doch wer dachte, das wird jetzt so eine wehmütige Nummer wie es der Titel von Album und Tour nahelegt, liegt falsch. Grundfalsch. Genau einen Song lang reckt sie zu „Ich bin zurück“schicksalstrotzig die Faust – im bodenlangen schwarzen Mantel, Modell Lord Voldemort.
Den Rest des Abends feiert sie mit ihren Fans. Wippend, wirbelnd, federnd, die Stimme oft und immer noch in dieser schwerelosen Höhe, mit der sie 1982 in Harrogate die Welt beeindruckte. Und wer befürchtete, dass dieser rechtwinkligen Stadthallenmultifunktionalität keinerlei Gefühl abzuringen ist: bitte, sie kann es!
Es dauert keine zwei Minuten, bis die ersten neben den Stuhlreihen auf den Beinen sind, klatschen und tanzen. Dass sie im Laufe des Abends eine Randerscheinung bleiben, liegt kaum an mangelnder Begeisterung in den gut gefüllten Reihen, sondern
eher an der Zahl der Gehhilfen, die auch mit ins Konzert mussten.
Nicole im Saarland: Das ist tatsächlich was Besonderes. Ein besonderes Heimspiel. Vielleicht, weil
sie hier nicht noch näher an ihren Fans dran ist, sondern mit ihnen eins werden kann. Wenn sie Platt schwätzen kann. Davon erzählt, wie sie eben in dieser Stadthalle als
Achtjährige bei einem Talentwettbewerb dabei war. Mit einem gewissen „Herbert“, Roy Black und Anita nachsingend. „Und der musste mich die ganze Zeit auf einem Arm tragen, dem lief der Schweiß in Strömen“, lacht sie. Immerhin: Platz vier und einen Kassettenrekorder gab es.
In über vier Jahrzehnten Karriere ist vieles, vieles dazugekommen.
Preise, Ehrungen, Auszeichnungen. Ihr Kapital aber war und ist – neben ihrer Musik natürlich – ihre Bodenständigkeit. Andere singen von Diamanten, Millionen und never ending love, Nicole singt „...du bist doch mein Mann. Und ich bin deine Frau....“. Das Glück lässt sich manchmal sehr einfach fassen. Mit fast 60 macht frau sich vielleicht keine Illusionen mehr, aber Träume hat sie sicher noch. Und davon singt sie.
Mittlerweile lässt sich Nicole auch mal Lieder von Heinz-Rudolf Kunze dichten, den man früher Liedermacher nannte. Ein studierter Germanist und Philosoph, der sich sogar mal an eine Doktorarbeit über das Gottesbild bei Spinoza wagte. Allerdings beugen sich selbst die Nackenschläge des Lebens in Nicoles Liedern nach wie vor dem Endreim. Und die Arrangements auf ihrem letzten Album sind so kuschelweich wie eine Mikrofaserdecke.
Wippend, wirbelnd, federnd, die Stimme oft und immer noch in dieser schwerelosen Höhe, mit der sie 1982 in Harrogate die Welt beeindruckte.
Das Glück lässt sich manchmal sehr einfach fassen.
Im Konzert aber ist sie eine andere. Nicole ist einfach eine LiveKünstlerin, die selbst Schlager der schlichten Reimungsart auf der Bühne vitalisiert. Und die vier Herren an ihrer Seite folgen ihr souverän durch alles, was an Rhythmen und Stilrichtungen anfällt.
Ein Hauch Soul, ein bisschen Chanson, kein Problem. Und wenn Nicole Udo Jürgens mit „Griechischem Wein“eine Reverenz erweist, sind sie mit Akkordeon und kleinem Set zur Stelle. Unaufdringliche Könner eben. Und geht Nicole auf Lieder-Zeitreise, um „Party zu machen“, haben sie auch das drauf.
Manchmal ahnt man es zwar und denkt sich: Da wäre musikalisch auch ganz anderes drin. Dann, wenn Nicole einen ihrer größten Erfolge und schönsten Kompositionen aus der Ralph-Siegel-Ära anstimmt: „So viele Lieder sind in mir“. Und sich ähnlich wie damals schon bei ihrem Grand-Prix-Bravourstück als 17-Jährige durch diverse Sprachen singt. Fraglos, es hätte bei ihr auch Chanson werden können. Doch sie blieb beim Schlager. Und genau dafür lieben sie ihre Fans.
Und wenn sie – fast ganz zum Schluss – „ihr kleines Friedenslied“noch mit einem neuen russischen Refrain versieht, damit „der eine da“im Kreml vielleicht doch noch einsichtig wird, mag das ja naiv klingen. Aber alle im Saal hoffen irgendwie mit ihr.
An diesem Samstag, 9. März, 20 Uhr, gastiert Nicole noch in der Gebläsehalle Neunkirchen.