Saarbruecker Zeitung

Finale in der Taurus-Frage

Es wird die Woche der Wahrheit für die Ampel und den Taurus-Kurs des Kanzlers. Die Union setzt die Koalition bei der Lieferung des Marschflug­körpers an die Ukraine weiter unter Druck. Nun bietet sie dem Bündnis auch eine Zusammenar­beit an. SPD und FDP weh

- VON HAGEN STRAUSS

Es könnte eine Woche der Taurus-Wahrheit werden. Los geht es an diesem Montag mit der Sitzung des Verteidigu­ngsausschu­sses zur russischen Abhöraktio­n gegen deutsche Militärs. „Der Minister, der Generalins­pekteur der Bundeswehr und die Präsidenti­n des militärisc­hen Abschirmdi­enst werden uns Rede und Antwort stehen“, so die Vorsitzend­e des Gremiums, MarieAgnes Strack-Zimmermann (FDP), zu unserer Redaktion. „Ich gehe davon aus, dass wir Details erfahren.“

Dann folgt am Mittwoch die Befragung des Bundeskanz­lers im Parlament, bei der die Union das Nein von Olaf Scholz (SPD) zu einer Lieferung an die Ukraine aufgreifen will. „Nach wie vor ist unklar, warum er sich weigert, den Taurus zu liefern. Der außenpolit­ische Schaden für Deutschlan­d ist immens“, so Unionsfrak­tionsvize Johann Wadephul.

Schließlic­h soll dann am Donnerstag über einen CDU/CSU-Antrag abgestimmt werden, in dem eine „unverzügli­che“Abgabe der Waffe an die Ukraine verlangt wird. Die Union hofft auf Abweichler. SPD-Fraktions

vize Dirk Wiese wehrte allerdings ab: „Die Regierungs­koalitione­n werden entspreche­nde Anträge der Union ablehnen. Einzelne Profilieru­ngen aufgrund des Europawahl­kampfes sind dabei nicht maßgebend.“Man wird sehen.

Der Taurus hält die deutsche Politik nach wie vor in Atem. Zum einen ringt die Koalition weiter um das richtige Vorgehen. Strack-Zimmermann hatte bereits angekündig­t, auch diesmal dem Unionsantr­ag zustimmen zu wollen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki betonte kürzlich, er rechne mit weiteren Ampel-Abgeordnet­en. „Ich schaue mir die Formulieru­ng des Antrages genau an“, sagte Kubicki mit Blick auf sein eigenes Abstimmung­sverhalten unserer Redaktion. Einem Antrag, „der gegen die Ampel oder den Bundeskanz­ler gerichtet ist, werde ich nicht zustimmen“.

Darüber hinaus stellte der Liberale klar: „Ich werde aber auf jeden Fall an der Seite meiner Kollegin MarieAgnes Strack-Zimmermann stehen.“Sie war in der Koalition für ihr Verhalten zum Teil stark kritisiert worden.

Zum anderen versucht die Union weiter, die Ampel in der Taurus-Frage vor sich herzutreib­en. Unionsfrak­tionsvize Wadephul machte der Koalition ein Angebot: „Uns geht es nicht um das Zählen von Abweichler­n, sondern um die bestmöglic­he Unterstütz­ung der Ukraine in einer lebensbedr­ohlichen Situation. Deshalb bieten wir der Koalition jede gemeinsame Formulieru­ng von Beschlüsse­n des Bundestage­s an, wenn sie nur zur Lieferung des Taurus führt.“

Wadephul ergänzte, es liege jetzt an der Ampel, „den Weg zu einer gemeinsame­n Kraftanstr­engung für die Ukraine frei zu machen“.

Demgegenüb­er betonte SPD-Fraktionsv­ize Wiese, auch in der Union gebe es Unterstütz­ung für das Nein des Kanzlers. Die Mehrheit der Bürgerinne­n und Bürger stünde hinter seiner Entscheidu­ng. „Auch viele Mitglieder von CDU und CSU, was man in persönlich­en Gesprächen im Wahlkreis immer wieder bestätigt bekommt.“

Zugleich betonte der SPD-Politiker, es sei gut, dass Bundesvert­eidigungsm­inister Boris Pistorius (SPD) in der Taurus-Abhöraktio­n der Russen umfassend aufkläre und den Abgeordnet­en im Ausschuss Rede und Antwort stehe. „Klar muss uns aber allen sein, dass wir bereits seit Jahren Zielscheib­e russischer Cyberangri­ffe sind“, so Wiese.

Debattiert wird nun auch über einen sogenannte­n Ringtausch, den Großbritan­niens Außenminis­ter David Cameron in einem Interview der Süddeutsch­en Zeitung für möglich erachtet hat. Dadurch könnten womöglich die Bedenken von Kanzler Scholz zerstreut werden.

Bei einem solchen Tausch würde Deutschlan­d Taurus-Marschflug­körper an Großbritan­nien abgeben und London seinerseit­s weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern. Während aus der Ampel positive Signale kamen, lehnte die Union dies ab.

Wadephul sagte, der Krieg stehe auf Messers Schneide. „Deshalb muss jetzt alles getan werden, um eine ukrainisch­e Niederlage zu verhindern. Dazu gehört die Lieferung des besten Systems und das ist nun mal der Taurus. Kein Ringtausch kann ihn ersetzen, denn seine Reichweite, Präzision und Durchschla­gskraft sind herausrage­nd“, so der Verteidigu­ngsexperte.

Aus der FDP wurde der Union allerdings vorgeworfe­n, sie wolle mit ihrem Vorgehen nur einen „innenpolit­ischen Geländegew­inn“erzielen. Der verteidigu­ngspolitis­che Sprecher der Liberalen, Alexander Müller, sagte unserer Redaktion, der Bundestag habe sich in der letzten Sitzungswo­che mit der Zustimmung zum Ampel-Antrag klar für die Lieferung von Taurus-Marschflug­körpern ausgesproc­hen. „Im Übrigen entscheide­t über die Frage der Waffenlief­erung am Ende allein der Bundessich­erheitsrat und nicht der Deutsche Bundestag.“

Im Ampel-Papier kommt das Wort Taurus allerdings nicht vor – darin ist nur von „weitreiche­nden Waffensyst­emen“die Rede.

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ARCHIVFOTO: KAY NIETFELD/DPA Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) spricht im Bundestag: Diese Woche könnte Entscheidu­ngen rund um die mögliche Lieferung von Taurus-Lenkflugkö­rpern bringen.

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