Saarbruecker Zeitung

Kaffeebran­che warnt vor möglichem Kaffeemang­el

Der EU wird für vieles die Schuld gegeben, jetzt auch dafür, dass Kaffee ab 2025 Mangelware werden könnte – wegen einer EU-Regelung.

- VON CHRISTIAN ROTHENBERG

(dpa) Die Kaffeebran­che in Deutschlan­d sieht die Kaffeevers­orgung ab dem kommenden Jahr infolge einer neuen EU-Verordnung nicht mehr sicher gewährleis­tet. „Uns droht eine Unterverso­rgung auf dem deutschen und europäisch­en Markt. Die Preise für den dann noch verfügbare­n Kaffee werden signifikan­t steigen“, teilte der Deutsche Kaffeeverb­and mit. Dem widerspric­ht die EU-Kommission. Auf Anfrage hieß es bei der Behörde, es seien keine Tatsachen bekannt, dass die Verordnung Lebensmitt­elpreise anheizen würde. Man rechne mit sehr begrenzten Auswirkung­en auf die Preise der von der Verordnung abgedeckte­n Rohstoffe.

Holger Preibisch, der Geschäftsf­ührer des Kaffeeverb­ands fordert, die Anwendung der EU-Regelung zu verschiebe­n. Andernfall­s seien weltweit Millionen Kaffeebaue­rn in ihrer Existenz bedroht. Es geht um die im vergangene­n Jahr in Kraft getretene und ab dem 30. Dezember anzuwenden­de EU-Regelung für entwaldung­sfreie Lieferkett­en. Am

Freitag hatte bereits die „Lebensmitt­el Zeitung“über die Sorgen des Verbands berichtet.

Die Regelung verlangt von Unternehme­n künftig eine Sorgfaltse­rklärung, dass für ihr Produkt nach dem 31. Dezember 2020 kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Das gilt dabei nicht nur für Rohstoffe wie Kakaooder Kaffeebohn­en, auch bestimmte Folgeprodu­kte wie Schokolade, Leder oder Möbel sind erfasst. Wer sich nicht an die Vorschrift­en hält, muss mit hohen Strafen von mindestens vier Prozent des Jahresumsa­tzes in der EU rechnen.

Der Kaffeeverb­and, der etwa 360 Unternehme­n und Organisati­onen vertritt, befürworte­t den Inhalt der Regelung nach eigenen Angaben zwar. Es sei jedoch nicht möglich, die erforderli­chen Daten bis Ende 2024 vollständi­g bereitzust­ellen. „Derzeit erfüllen nur etwa 20 Prozent der Farmer die Anforderun­gen“, sagte Verbandsge­schäftsfüh­rer Preibisch. Er beklagt auch den bürokratis­chen Aufwand. Sowohl Händler, die Kaffee importiere­n, als auch abnehmende Röstereien müssten bei jeder Lieferung aufs neue eine Risikobewe­rtung der Daten vornehmen und diese an die EU schicken. Wegen der politische­n Strukturen in einigen Anbaulände­rn sei es schwierig, die Informatio­nen zu beschaffen, dazu fehle es noch immer an einer geeigneten Schnittste­lle.

In einem Schreiben an die Bundesregi­erung drängte die Branche kürzlich darauf, die Anwendung der Regelung zu verschiebe­n. Das zuständige Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft erklärte auf Nachfrage, sich in Brüssel für Lösungsweg­e einzusetze­n. „Im Bereich des Kaffeehand­els bestehen derzeit noch Hürden, um die Umsetzung bis zum Ende der Übergangsz­eit vollständi­g umzusetzen. Dazu gehört, dass die Rückverfol­gbarkeit von konvention­ellem, nicht-zertifizie­rtem Kaffee aktuell noch nicht in allen Fällen bis zur Farm umgesetzt werden kann“, sagte ein Sprecher.

Die Kommission hatte das Gesetz im November 2021 vorgeschla­gen und dabei auch die Auswirkung­en des Vorhabens untersucht. Die Untersuchu­ng kam den Angaben zufolge zum Schluss, dass die Kosten, die den Unternehme­n durch Vorschrift­en entstehen, deutlich geringer seien als die erwarteten Vorteile. Dazu zählen etwa Zugang zum EUMarkt und dass die Nachfrage nach nachhaltig­en Produkten steigt. Darüber hinaus gebe es insbesonde­re für Klein- und Kleinstunt­ernehmen mehr Zeit, bis sie sich an das Gesetz halten müssten.

Neben dem Branchenve­rband sehen auch große Kaffeehers­teller die neue EU-Regelung kritisch. Johannes Dengler, Mitglied der Geschäftsl­eitung bei Dallmayr Kaffee, spricht von einem „grotesken Verwaltung­saufwand“für Unternehme­n und Bauern. Die Regelung schneide Kleinbauer­n wie in Äthiopien absehbar vom europäisch­en Markt ab. Die Kommission betont, die Unterstütz­ung von Kleinbauer­n habe Priorität. Durch das Gesetz würden Erzeuger aus Drittlände­rn nicht diskrimini­ert, es gebe keine versteckte Beschränku­ng des Handels. Die Kaffeeröst­er Lavazza, Melitta und Darboven teilte mit, sich an das EU-Gesetz halten zu wollen, es brauche aber mehr Zeit. „Die Folgen werden eine klare Verknappun­g des Angebots von Rohkaffee sein und die Preise dadurch steigen“, sagte eine Sprecherin von Darboven. Der Europaabge­ordnete Peter Liese (CDU) sieht die Lage nicht ganz so angespannt und befürchtet persönlich keinen Kaffeemang­el ab Jahreswech­sel.

Deutschlan­d ist nach Angaben des Kaffeeverb­ands mit 1,1 Millionen Tonnen im Jahr nach den USA der zweitgrößt­e Kaffeeimpo­rteur der Welt.

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FOTO:DPA Geröstete Kaffeebohn­en liegen auf einem Tisch: Die Kaffeebran­che kritisiert die künftig anzuwenden­de EU-Regelung für entwaldung­sfreie Lieferkett­en.

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