Breitz-Affäre: Jahn geht schon Ende April
Paukenschlag bei der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz: Vorständin Andrea Jahn geht vorzeitig. Ihr Vertrag werde einvernehmlich gelöst, erklärte Kulturministerin Christine Streichert- Clivot am Sonntag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz.
Wenn eine Ministerin für Sonntagmorgen kurzfristig zu einem Pressegespräch bittet, ist klar: Die Hütte brennt. Auch wenn sich Christine Streichert-Clivot (SPD) dann sehr um positive Sonntagmorgen-Atmosphäre bemüht. Butterkuchen steht parat. Und den Kaffee schenkt die Kulturministerin höchstpersönlich aus.
Dann aber ist Schluss mit gemütlich. Die Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSK) und deren Vorständin Andrea Jahn werden „aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über die Weiterentwicklung der Stiftung und ihrer Einrichtungen, den bestehenden Vertrag vorzeitig und einvernehmlich auflösen“, teilt Streichert-Clivot mit angespannter Stimme mit. Eigentlich wäre deren Vertrag noch bis zum 30. Juni 2025 gelaufen.
Was – wie in solchen Fällen üblich – sehr allgemein gefasst klingt, hat einen konkreten Auslöser. Die Absage der Ausstellung der umstrittenen Film- und Videokünstlerin Candice Breitz am 24. November, die ein Höhepunkt im Haupthaus der Stiftung, dem Saarlandmuseum, sein sollte, beschert dem Saarland und weit darüber hinaus eine erhitzte Debatte. Angeblich habe sich die jüdischsüdafrikanische Künstlerin nicht hinreichend vom Terrorangriff der Hamas auf Israel distanziert. Mit dieser knappen Begründung cancelte die Stiftung damals die Schau.
Was folgte, waren geharnischte Proteste gegen die Absage, auch von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region. Auch Medien und Politik äußerten sich zum Teil kritisch, sahen die Freiheit der Kunst in Gefahr. Eine Sondersitzung des Landtags-Kulturausschusses ist für diesen Montag, 11. März, anberaumt: Die CDU fordert etwa eine lückenlose Aufklärung und attackierte auch Streichert-Clivot scharf. Auch Breitz selbst machte ihrem Unmut medienwirksam Luft. Allerdings betonten Jahn, Ministerin wie auch Kuratorium nach außen hin stets, man trage die Absage-Entscheidung gemeinsam.
Bereits am Donnerstag habe das Kuratorium der Stiftung, bei dem die Ministerin den Vorsitz hat, die Vertragsauflösung beschlossen, erklärte Streichert-Clivot nun am Sonntag. Knapp nur, bevor der SR einen Whatsapp-Chatverlauf öffentlich machte, in dem Jahn Candice Breitz mitteilte, sie stehe nicht hinter der Absage, und dass die Ministerin sie „kontrollieren“wolle.
Streichert-Clivot agierte offenbar jetzt so kurzfristig, weil sie und auch Jahn am Montag in der Sondersitzung des Kulturausschusses aussagen sollen. Jahn, betont die Ministerin ausdrücklich, sei auch zu dem Sonntagstermin mit der Presse eingeladen gewesen. Habe aber nicht kommen wollen. Streichert-Clivot lässt da auch ihre generelle Unzufriedenheit über die Situation in der Stiftung und mit deren Chefin deutlich werden. „Die Stiftung braucht einen neuen und selbstbewussten Umgang mit ihrer Sammlung, auch um neue und jüngere Besucher*innengruppen zu erreichen“, erklärte sie. Die Vernetzung der Museen der Stiftung mit anderen Kulturorten im Saarland müsse jetzt wieder stärker im Vordergrund stehen.
Die Pressemitteilung, die vom Ministerium verbreitet wurde, lässt allerdings auch Andrea Jahn zu Wort kommen. „Ich habe in die Stiftung meine internationalen Kontakte eingebracht und mit großartigen Künstlerinnen und Künstlern wie Claire Morgan, Katharina Grosse und Parastou Forouhar wichtige Ausstellungsprojekte realisiert. Jetzt möchte ich den Blick in die Zukunft richten und meinen Lebensmittelpunkt aus familiären Gründen nach Freiburg verlagern und mich stärker auf meine wissenschaftliche Tätigkeit und die Entwicklung von Ausstellungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts konzentrieren“, wird sie zitiert.
Zur Causa Breitz lässt Jahn mitteilen: „Der Eindruck, den ich von Frau Breitz gewonnen hatte, veränderte sich aber nach dem 7. Oktober mit einer Geschwindigkeit, die schneller war, als ich das in dieser Zeit erfassen konnte.“Und: „Als Candice Breitz wahrnahm, dass wir unsere Entscheidung der Absage nicht rückgängig machen, hat sie am 28. November den Kontakt abrupt beendet.“Und: „Ich musste fortan einsehen, dass sie mich angesichts der aufgeheizten Nahost-Debatte für ihre eigenen Zwecke hatte einspannen wollen, um eine möglichst große Öffentlichkeit für ihre politischen Positionen zu schaffen.“Was sich allerdings diametral anders liest, als der angebliche Chatverlauf von Jahn und Breitz.
Klar ist freilich auch, dass die Chemie zwischen Museumschefin und Ministerin angesichts der anhaltenden Debatte immer explosiver wurde „Die letzten Monate waren nicht einfach, für Frau Dr. Jahn nicht und vor allem für die Stiftung“, sagt die Ministerin. Und räumt ein, dass die Kommunikation über die Absage nicht gut gelaufen sei, trotz der kurzen Wege im Saarland. Aber sie untermauert auch ihre grundsätzliche Überzeugung: „Ich halte es nach wie vor für richtig, Candice Breitz keine staatlich finanzierte Bühne für ihre Kunst zu bieten.“Streichert-Clivot geht es offenkundig um eine klare Haltung gegen Antisemitismus. Ein Thema, dass sie auch beim Kulturgipfel unter anderem mit Künstlern aus der Region noch in diesem Jahr
aufs Tapet bringen will.
Ob auf die Stiftung eine Abfindungszahlung zukommt, ist noch unklar. Jahn lasse sich anwaltlich vertreten, ließ die Ministerin anklingen. In der Stiftung selbst wird man sich nun wohl auf eine längere Interimszeit einstellen müssen. Die Ministerin hat jetzt offiziell den Auftrag, „das Ausschreibungsverfahren vorzubereiten“. Top-Leute, wie sie das Saarlandmuseum und die weiteren Häuser der Stiftung brauchen, sind aber meist vertraglich länger gebunden.
Zudem hat die Stiftung durch diese Debatte wohl einen massiven Image-Schaden erlitten. Ausstellungen wie just „Mythos Paris“, so Streichert-Clivot, zeigten aber, dass die Besucher treu blieben. Zudem habe man „eine tolle Sammlung und tolle Möglichkeiten“. Auch die Grenzlage sollte für einen künftigen Stiftungsvorstand doch eigentlich attraktiv sein.
Allerdings ist die Stiftung nicht die einzige Kultur-Baustelle. Auch für Staatstheater-Intendant Bodo Busse muss ein Nachfolger gefunden werden. Gleiches gilt für die Leitung des Theaterfestivals „Perspectives“. Da will die Ministerin zur nächsten Festivalausgabe zumindest eine „Personalie“nennen können. Immerhin. Ansonsten aber hat Streichert-Clivot auch weiterhin alle Hände voll zu tun.