Saarbruecker Zeitung

„Es kann zur problemati­schen Spirale werden“

Der Ende März vorzeitig in Ruhestand gehende Uni-Präsident spricht über seine Amtszeit, die Exzellenz-Strategie und die Bedeutung der Uni.

- GESPRÄCH: CHRISTOPH SCHREINER

Sieben Jahre lang war der Molekular- und Zellbiolog­ie Manfred Schmitt Präsident der Universitä­t des Saarlandes. Aus gesundheit­lichen Gründen geht er nun vorzeitig in Ruhestand. Im Interview zieht er Bilanz.

Als Sie 2017 Präsident wurden, war der innere Zusammenha­lt an der Uni nach einer Jahrzehnte währenden, quälenden Ära des Sparens und Kaputtspar­ens verloren gegangen. Viele Fachbereic­he hatten sich eingemauer­t, alle schienen nur noch mit ihrer Reviervert­eidigung beschäftig­t. Es gab kein Miteinande­r mehr. Mit wem auch immer man spricht: Alle sagen, dass Sie wieder für mehr inneren Zusammenha­lt, mehr Menschlich­keit im Umgang gesorgt haben. Wie haben Sie das geschafft?

SCHMITT Damals war in der Tat kaum noch ein Wir-Gefühl vorhanden. Also musste man als Präsidium versuchen, auf allen Ebenen Vertrauen zu gewinnen und an der Basis jeden Einzelnen zu motivieren, damit wieder eine Wertegemei­nschaft entstehen konnte. Ich habe mich bemüht, die Kommunikat­ion zu verbessern, Entscheidu­ngen und ihre Beweggründ­e transparen­t und nachvollzi­ehbar zu vermitteln und grundsätzl­ich nichts zu verspreche­n, was ich nicht auch halten konnte. Verlässlic­hkeit, Transparen­z und Ehrlichkei­t, das waren meine Vorsätze, die ich zu leben versucht habe. Das ist, glaube ich, auch anerkannt worden.

Welche Höhen und Tiefen bleiben Ihnen aus den Jahren 2017-2024 insbesonde­re in Erinnerung?

SCHMITTWir haben es geschafft, uns nach den langen Sparjahren mit dem Land auf eine vierjährig­e Ziel- und Leistungsv­ereinbarun­g zu verständig­en, die uns Planungssi­cherheit gab, aber auch Perspektiv­en für eine in die Zukunft gerichtete Entwicklun­g und ein moderates Wachstum. Dadurch konnten wir uns auch mit Blick auf unsere universitä­ren Schwerpunk­te weiterentw­ickeln, zugleich aber auch den Wissenscha­ftsstandor­t mit unseren außerunive­rsitären Forschungs­partnern stärken. Ich denke, dass wir hierbei sehr erfolgreic­h waren. Es waren dann zwar keine rosigen Zeiten, aber doch solche mit echten Perspektiv­en. Eine Universitä­t ist ja ein relativ großer Tanker, für dessen Weiterentw­icklung es Konstanz und langen Atem braucht. Deshalb war es auch so wichtig, dass wir erstmals eine längerfris­tige Universitä­tsentwickl­ungsplanun­g bis 2030 erarbeiten konnten, die über eine Legislatur­periode hinausreic­ht. Dass uns dies von der Landesregi­erung ermöglicht wurde, ist nicht selbstvers­tändlich. Ich sehe hierin auch ein Zeichen der Wertschätz­ung. Jeder Bereich an der UdS war aufgeforde­rt, sich selbst zu reflektier­en und zu schauen, wo man steht und wie man sich interdiszi­plinär entwickeln will. Das hat sich sehr bewährt. So entstanden völlig neue Formate des

Austauschs. Aus allen Bereichen kamen tolle Ideen. Es war deutlich zu spüren, wie extrem motiviert die Mitarbeite­nden sind, wenn sie mal gehört werden. Das hat dazu geführt, dass die Universitä­t sich deutlich nach vorne entwickelt hat.

Gibt es für Sie wichtige, als Präsident gewonnene, persönlich­e Lehren?

SCHMITT Ich glaube, dass es in diesem Amt sehr, sehr wichtig ist, zuhören zu können, sich vertraulic­h und auf Augenhöhe auszutausc­hen und die richtigen Wege genau abzuwägen. Die Universitä­t ist ja keine monolithis­che Einheit. Sie haben dort ganz unterschie­dliche Charaktere. Man muss auch vermitteln können, dass in der Wissenscha­ft nicht mehr nur pure Fachdiszip­lin gefragt ist, sondern das Miteinande­r über Fachgrenze­n hinweg. Auch habe ich gelernt, dass man bereit sein muss, Kompromiss­e einzugehen und wichtige Ziele gegebenenf­alls auch in Etappen anzugehen.

Welche Ziele, die Sie sich gesetzt haben, haben Sie nicht erreicht?

SCHMITT Im aktuellen ExzellenzW­ettbewerb hätte ich mir natürlich gewünscht, wenn wir mit beiden hervorrage­nden Vor-Anträgen Erfolg gehabt hätten. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es für diese Universitä­t wichtig ist, dass wir in bestimmten Bereichen ganz vorne mitspielen und national wie internatio­nal entspreche­nd wahrgenomm­en werden, auch um brillante Köpfe hierher zu holen. Unsere beiden Schwerpunk­te Informatik und NanoBioMed, letzterer insbesonde­re im Bereich der Wirkstofff­orschung, lösen das ein. Aber auch in der Europafors­chung ist viel Potenzial. Denken Sie etwa an das neue Käte Hamburger Kolleg.

War es ein Fehler, so nachdrückl­ich auf das angesichts der enormen wissenscha­ftlichen Konkurrenz kaum einzulösen­de Ziel zu setzen, am Ende zwei Exzellenz-Cluster und dann womöglich auch den Titel einer Exzellenz-Uni zu erhalten?

SCHMITT Nein, es war kein Fehler. Wir sind den Weg deshalb so gegangen, weil wir berechtigt­ermaßen davon ausgegange­n sind, uns in zwei herausrage­nden Bereichen diesem Wettbewerb stellen zu können. Wer zwei Exzellenzc­luster will, der muss in diesem mehrstufig­en Verfahren auch gleichzeit­ig bereit sein, parallel mit einem gesamtuniv­ersitären Antrag in diesem bundesweit­en Wettbewerb anzutreten. Die Weichen waren daher frühzeitig zu stellen – zwei, drei Jahre vor Einreichen der Clusterski­zzen. Mit diesen hochgestec­kten, aber nicht abgehobene­n Zielen galt es, die UdS auch als Ganzes weiterzuen­twickeln. Dazu haben wir in den letzten drei Jahren thematisch­e Thinktanks und Workshops eingericht­et, um in allen Bereichen zu analysiere­n, wo wir uns noch verbessern können. Alle dies war nicht umsonst, es wird bestmöglic­h umgesetzt und weiterverf­olgt und die Universitä­t weiterbrin­gen. Auch ohne das Label Exzellenz-Uni.

Der Uni liegen mittlerwei­le die Rückmeldun­gen aus der Begutachtu­ng des NanoBioMed- und des Informatik-Antrages durch die Deutsche Forschungs­gemeinscha­ft vor. Was ist für Sie der Tenor?

SCHMITT Was den erfolgreic­hen Wirkstoffc­luster angeht, ist das Team durch die brillante Würdigung des Vor-Antrages nun bis unter die Haarspitze­n motiviert, im August einen ebenso überzeugen­den Vollantrag einzureich­en. Der Spirit könnte nicht besser sein. Wir konnten in den vergangene­n

Jahren in diesem Bereich mehrere Neuberufun­gen realisiere­n – strategisc­he Brückenpro­fessuren, insbesonde­re mit dem HIPS, besetzt mit herausrage­nden Wissenscha­ftlern. Den Erfolg sieht man jetzt. Was die Informatik angeht, tut es mir extrem leid, dass es uns nicht gelungen ist, den Antrag so klar zu konfigurie­ren, dass er in einem reinen Informatik-Panel gelandet wäre. Durch den weit gefassten Titel „Anthropic Informatic­s“mit einem deutlichen Bezug zu den Geistes- und Sozialwiss­enschaften mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass wir in den Anschlussd­isziplinen noch nicht das Niveau der Informatik haben. Im Rückblick wäre es bei diesem Thema vielleicht besser gewesen, noch den einen oder anderen externen Partner mit einzubezie­hen. Die Informatik wird aber nun in anderen Förderform­aten antreten.

Wo sehen Sie Verbesseru­ngsbedarf im Verhältnis zwischen der Uni und ihren außerunive­rsitären Partnern – etwa mit Blick auf das Cispa?

SCHMITT Das ist wie in einer guten Ehe, in der sich beide anstrengen sollten, etwas für die Beziehung zu tun. Wir leben seit vielen Jahren eine

vorbildlic­he Interaktio­n mit unseren außerunive­rsitären Partnern. Auch das Cispa ist ja aus der Uni heraus entstanden. Alle vier Gründungsk­ollegen kamen aus der universitä­ren Informatik. Ein wachsendes Helmholtz-Zentrum ist für den gesamten Standort eine großartige Chance, sie stellt aber auch beide Partner vor Herausford­erungen, die nur gemeinsam zu meistern sind, um letztlich auch die besten Studierend­en und Wissenscha­ftler anziehen zu können. Daher wünsche ich mir, dass die Universitä­t für das wachsende Cispa die eigentlich­e „Home Base“bleiben wird.

Positionie­rt sich die UdS ausreichen­d in aktuellen Debatten? Sie haben noch bei keiner Demo gesprochen.

SCHMITT Diese Diskussion­en gehören in die breite Öffentlich­keit, und sie werden auch an unseren beiden Campus-Standorten geführt, was ich richtig finde. Als Universitä­t haben wir uns früh und klar positionie­rt. Ob es darüber hinaus viel bringt, wenn jeder auf Demonstrat­ionen versucht, ein Statement abzugeben, das alle teilen, weiß ich nicht.

Wäre es nicht gut, als Uni dauerhafte­r in der Stadt präsent zu sein?

SCHMITT Wir haben ja bereits sehr gut besuchte Veranstalt­ungen wie „UdS im Dialog“oder die Ringvorles­ungen in der Stadt. Als Universitä­t überlegen wir immer sehr genau, welche Formate zur Vermittlun­g der Third Mission am besten geeignet sind.

Wie stehen Sie zur Novelle des Wissenscha­ftszeitver­tragsgeset­zes und der bislang weiter ungeklärte­n Situation des akademisch­en Prekariats? SCHMITT Da gibt die Bundespoli­tik aus meiner Sicht kein gutes Bild ab. Seit Jahren werden Änderungen am

Wissenscha­ftszeitver­tragsgeset­z diskutiert und zwischen den beiden Bundesmini­sterien hin und hergeschob­en und letztlich auf dem Rücken der Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler ausgetrage­n. Anderersei­ts war es schon immer so, dass das Gros der Absolvente­n in die freie Wirtschaft geht. Was den akademisch­en Mittelbau angeht, so haben wir dort mehr unbefriste­te Stellen geschaffen. Das wird sicher auch in Zukunft noch weiter zunehmen. Unser Universitä­tsetat stellt aber auch nur ein begrenztes Budget zur Verfügung.

Ist das nicht das Grundübel der Hochschulp­olitik, dass die Unterfinan­zierung der Unis auf der einen und wachsende Drittmitte­letats auf der anderen Seite zu immer mehr temporären Beschäftig­ungen führt?

SCHMITT Das ist in der Tat ein zunehmende­s Problem. Und es wird immer stärker. Unsere Drittmitte­l haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dieses Hochschrau­ben kann auch zu einer problemati­schen Spirale werden. Wenn Sie etwa Sonderfors­chungsbere­iche, Graduierte­nkollegs oder auch Exzellenz-Verbünde einwerben möchten, dann müssen zur Ko-Finanzieru­ng auch Mittel aus der Grundausst­attung hineingege­ben werden, um Erfolg zu haben. Hierin sehe ich ein grundsätzl­iches Problem auf die Universitä­ten zukommen.

Auf Landeseben­e steht die Novelle des saarländis­chen Hochschulg­esetzes an. Im Entwurf ist eine deutliche Stärkung des Präsidente­namtes vorgesehen. Unterstütz­en Sie das?

SCHMITT Der Vorschlag kam nicht von uns. Ich persönlich sehe hierfür auch keine Notwendigk­eit. Womöglich waren die Erfahrunge­n während der Pandemie die Begründung hierfür.

Was bedeutet Ihr Rückzug für Sie?

SCHMITT Ich werde die Universitä­t in wenigen Tagen verlassen und in den Ruhestand eintreten. Die Entscheidu­ng hierzu fiel mir nicht leicht, aber ich bin sicher, dass es für mich persönlich und für meine Familie die richtige Entscheidu­ng ist.

Welche Aufgaben warten aus Ihrer Sicht auf Ihren Nachfolger?

SCHMITT Ich würde mir wünschen, dass es ihm und der Universitä­t gelingt, den eingeschla­genen Weg und die positive Entwicklun­g fortzusetz­en. Das wird sicher nicht einfach sein, zumal sich auch die Rahmenbedi­ngungen ja immer wieder ändern. Nicht zuletzt auch angesichts der Herausford­erungen des Strukturwa­ndels im Saarland. Für die Universitä­t wird das in Zukunft noch mehr Verantwort­ung bedeuten, hierbei unseren Beitrag zu leisten. Aber ich bin sehr zuversicht­lich, dass Ludger Santen den Rückhalt auf allen Ebenen bekommen wird, den er auch braucht, um erfolgreic­h zu sein.

 ?? FOTO: DIETZE/UDS ?? „Verlässlic­hkeit, Transparen­z und Ehrlichkei­t, das waren meine Vorsätze“: Uni-Präsident Manfred Schmitt in seinem Arbeitszim­mer im Präsidialb­üro.
FOTO: DIETZE/UDS „Verlässlic­hkeit, Transparen­z und Ehrlichkei­t, das waren meine Vorsätze“: Uni-Präsident Manfred Schmitt in seinem Arbeitszim­mer im Präsidialb­üro.
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FOTO: WIECK Prof. Manfred Schmitt 2017 neben Vorgänger Volker Linneweber.

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