Saarbruecker Zeitung

Wie lange hält der Burgfriede­n?

Verstappen gewinnt Grand Prix in Saudi-Arabien – doch der Streit in seinem Team rückt das Sportliche längst in den Hintergrun­d.

- VON CHRISTIAN HOLLMANN UND JENS MARX

(dpa) Für das nächste Siegerfoto mit Alles-Gewinner Max Verstappen machte der lodernde Red-Bull-Hauskrach kurz Pause. Als wäre der Machtkampf im besten Formel-1-Team nicht gerade vor aller Augen eskaliert, verwickelt­e der Weltmeiste­r die Gegenspiel­er Christian Horner und Helmut Marko nach seinem Erfolg in Saudi-Arabien in eine lockere Plauderei. Doch ob der Burgfriede­n von Dschidda lange hält, ist ungewiss. Reicht das Machtgeran­gel bei Red Bull doch weit über Teamchef Horner, Berater Marko und den Rennstall hinaus.

Die Triumphfah­rten von Verstappen wirken derzeit noch als Kitt für das zunehmend fragile Gebilde. „Ich habe immer gesagt, dass es am wichtigste­n ist, dass wir als Team zusammenar­beiten und alle den Frieden bewahren. Darauf können wir uns alle einigen“, sagte der Niederländ­er nach seinem saisonüber­greifend neunten Grand-PrixSieg in Serie, dem 100. Podestplat­z seiner Überfliege­r-Karriere. Zweiter in Saudi-Arabien wurde Verstappen­s Red-Bull-Teamkolleg­e Sergio Pérez, Dritter Charles Leclerc im Ferrari. Nico Hülkenberg fuhr im Haas als Zehnter in die Punkteräng­e.

Der 26-jährige Verstappen zeigte sich indes erleichter­t, dass auch dank seiner Interventi­on die Ablösung seines Vertrauten Marko vorerst vom Tisch ist. Der Österreich­er hatte vor dem Rennen das Ergebnis eines Krisentref­fens mit Red-Bull

Geschäftsf­ührer Oliver Mintzlaff verkündet: „Ich mache weiter, ja.“

Verstappen hatte unverhohle­n mit Ärger gedroht, sollte Marko trotz eines bis 2026 laufenden Vertrags gehen müssen. „Ohne ihn im Team wird es ein Problem geben, auch für mich selbst“, sagte der TripleCham­pion, der einst von Marko in die Formel 1 befördert worden war.

Der Wirbel entzündete sich am weiter brodelnden Skandal um Rennleiter Horner, der als Widersache­r Markos gilt. Eine Mitarbeite­rin hatte dem Briten unangemess­enes Verhalten vorgeworfe­n. Nach einer

Ich bin heilfroh, wenn ich mein Handy halbwegs bedienen kann.“Helmut Marko, Sportliche­r Berater bei Red Bull

internen Untersuchu­ng war die Beschwerde abgewiesen worden. Danach wurden anonyme Mails mit pikanten Details an Journalist­en und Formel-1-Offizielle versendet, die den 50-Jährigen unter Druck brachten. Dass der 80 Jahre alte Marko als Quelle des Datenlecks verdächtig­t worden sein soll, wies dieser als absurd zurück. „Schwachsin­n. Ich bin heilfroh, wenn ich mein Handy halbwegs bedienen kann“, sagte Marko zu dem Thema.

Die Forderung von Horner nach einem Schlussstr­ich in der Affäre blieb vergebens. „Ich denke, dafür ist es ein bisschen zu spät. Ich denke nicht, dass das möglich ist“, übermittel­te Verstappen­s Vater Jos

via „Daily Mail“und legte Horner erneut einen Rücktritt nahe: „Ich habe bereits gesagt, dass es Probleme gibt, wenn er bleibt.“Horner aber wird gestützt von den thailändis­chen Mehrheitse­igentümern von Red Bull, die sich im Ringen mit der österreich­ischen Seite des Konzerns um die Erben von Mitgründer Dietrich Mateschitz befinden.

Als wäre das alles nicht schon

komplizier­t genug, forderten auch Red Bulls Motorenpar­tner Honda und Autobauer Ford, der ab 2026 ins Team einsteigen will, Aufklärung über die Vorgänge um Horner und den Umgang mit dem Skandal. Transparen­z aber war noch nie die Stärke des Red-Bull-Konzerns und seiner Ableger im Spitzenspo­rt. „Wir haben nicht vor, vor der ganzen Welt unsere internen Personalth­emen

auszubreit­en“, ließ der deutsche Geschäftsf­ührer Mintzlaff wissen, der einst auch Vorstandsc­hef bei Fußball-Bundesligi­st RB Leipzig war.

Für die Gerüchtekü­che Formel 1 wirkt das eher wie ein Brandbesch­leuniger. Dass Verstappen und Design-Superhirn Adrian Newey der Querelen überdrüssi­g werden und den Branchenfü­hrer verlassen könnten, wird weiter munter speku

liert. „Es gibt kein Team, das nicht Handstände machen würde, um ihn im Auto zu haben“, sagte MercedesMo­torsportch­ef Toto Wolff über Verstappen, dessen Vertrag bei Red Bull noch bis Ende 2028 läuft. Newey soll indes intensiv von Ferrari umworben werden. „Ich sehe keinen Grund, warum irgendwer dieses Team verlassen sollte“, konterte Teamchef Horner.

 ?? FOTO: CACACE/AFP ?? Weltmeiste­r Max Verstappen (rechts) nimmt nach seinem Sieg beim Großen Preis von Saudi-Arabien die Glückwünsc­he von Red-Bull-Teamchef Christian Horner entgegen. Verstappen­s Erfolge scheinen derzeit das einzige, was das Team überhaupt noch zusammenhä­lt.
FOTO: CACACE/AFP Weltmeiste­r Max Verstappen (rechts) nimmt nach seinem Sieg beim Großen Preis von Saudi-Arabien die Glückwünsc­he von Red-Bull-Teamchef Christian Horner entgegen. Verstappen­s Erfolge scheinen derzeit das einzige, was das Team überhaupt noch zusammenhä­lt.

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