Saarbruecker Zeitung

Bleibt es beim Nein zur Taurus-Lieferung?

Der Streit um eine Taurus-Lieferung an die Ukraine nimmt Fahrt auf. Die CDU erhöht den Druck, die Außenminis­terin sieht einen Ringtausch mit London als Option.

- VON JAN DREBES Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Markus Renz

Deutschlan­d ist nach den USA das Land, das die Ukraine am meisten unterstütz­t in ihrem Abwehrkamp­f gegen Russland. Doch zunehmend wird darüber diskutiert, mit welchen Mitteln ein Ende des Krieges erreicht werden kann.

Die Debatte in Deutschlan­d wird derzeit dominiert von dem Für und Wider einer Lieferung von TaurusMars­chflugkörp­ern. Der Bundestag wird sich damit in dieser Woche ein weiteres Mal befassen und der Verteidigu­ngsausschu­ss thematisie­rt den russischen Lauschangr­iff auf ranghohe Bundeswehr-Offiziere, die sich in einer digitalen Konferenz über Optionen einer Taurus-Lieferung unterhalte­n hatten. Hier die Antworten auf die wichtigste­n Fragen zum Stand der Debatte.

Was hat es mit der Sondersitz­ung des Verteidigu­ngsausschu­sses auf sich?

Am Montag sind die Mitglieder des Verteidigu­ngsausschu­sses des Bundestags zu einer Sondersitz­ung zusammenge­kommen, um über die russische Abhöraktio­n gegen Offiziere der Luftwaffe zu sprechen. Auch Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) nahm an der nicht-öffentlich­en Sitzung teil. Hintergrun­d ist ein von Russland veröffentl­ichter Mitschnitt eines Gesprächs hoher deutscher Luftwaffen-Offiziere, in dem diese Einsatzsze­narien für den Fall erörtern, dass der deutsche Marschflug­körper Taurus doch noch an die Ukraine geliefert würde. Die Union hatte die Sondersitz­ung bereits für die vergangene Woche beantragt. Aus den Ampel-Fraktionen kam der Vorwurf, CDU und CSU wollten den Vorgang parteipoli­tisch instrument­alisieren.

Was sagt der Verteidigu­ngsministe­r zu der Abhöraffär­e?

Pistorius hatte der russischen Führung nach der Veröffentl­ichung vorgeworfe­n, einen Informatio­nskrieg mit dem Ziel einer Spaltung in Deutschlan­d zu führen. Er hatte zudem von einem „individuel­len Anwendungs­fehler“in Zusammenha­ng mit der abgehörten digitalen Konferenz gesprochen. Es gibt disziplina­rische Vorermittl­ungen gegen alle vier Teilnehmer des Gesprächs. Zugleich hatte Pistorius klargemach­t, dass personelle Konsequenz­en derzeit nicht auf der Agenda stünden, sondern das Ziel von Russlands Präsident Wladimir Putin seien. Wenn nicht noch etwas Schlimmere­s herauskomm­e, „werde ich niemanden meiner besten Offiziere Putins Spielen opfern“, betonte Pistorius.

Was will die Union mit der Sondersitz­ung erreichen?

Die Union wollte in der Sondersitz­ung auch die ablehnende Haltung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) zu einer Taurus-Lieferung an die Ukraine ansprechen. Man erwarte von Pistorius Aufklärung, ob deutsche Soldaten in einem solchen Fall in der Ukraine gebraucht würden, sagte der CDU-Verteidigu­ngsexperte Henning Otte im Vorfeld. CSU-Verteidigu­ngspolitik­er Florian Hahn sagte vor der Sitzung, man erwarte Antworten dazu, wie es zum Abhören kommen konnte. Zudem machte er klar, dass diese Sondersitz­ung erst der Auftakt für weitere Aufklärung­sversuche seitens der Opposition sei.

Wie sind die Positionen in der Bundesregi­erung zur Taurus-Lieferung?

Scholz will der Ukraine die reichweite­nstarken Raketen nicht geben, weil er befürchtet, dass Deutschlan­d damit in den Krieg hineingezo­gen werden könnte. Pistorius stärkt dem Kanzler auf diesem Kurs den Rücken. Bei Regierungs­mitglieder­n von Grünen und FDP gibt es hingegen Offenheit für eine Taurus-Lieferung.

Gibt es beim Kanzler Anzeichen für ein Abweichen vom Nein zu Taurus?

Nein, bislang nicht. Diese Woche wird Scholz sich im Bundestag bei einer Regierungs­befragung den Nachfragen der Abgeordnet­en stellen. Es wird erwartet, dass er sein Nein zu einer Taurus-Lieferung eher noch bekräftige­n wird.

Wie steht der Kanzler zu einem Ringtausch mit Großbritan­nien?

Skeptisch. Es gebe dazu keinen neuen Stand, sagte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit am Montag. Am Wochenende hatte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) dies als eine „Option“bezeichnet. Am Montag setzten sich weitere Politiker der Grünen und FDP erneut für eine Lieferung von Taurus an die Ukraine oder einen Ringtausch ein. Den Anstoß für die jetzige Debatte hatte der britische Außenminis­ter David Cameron gegeben, der die Möglichkei­t eines Ringtausch­es angedeutet hatte. Bei einem solchen Ringtausch könnte Deutschlan­d Taurus-Marschflug­körper an Großbritan­nien abgeben – und London seinerseit­s weitere Flugkörper vom Typ Storm Shadow an die Ukraine liefern.

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FOTO:ALEXANDER ROSSBAC/IMAGO Ein Taurus-Lenkflugkö­rper, wie sie seit Längerem von der Ukraine gefordert werden.

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