Saarbruecker Zeitung

Das Schweigen der Ampel zum Maß des Streikrech­ts

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Für Bürgerinne­n und Bürger wird das Reisen zur Lotterie – Ankommen ist reine Glückssach­e. Mal streikt die Lokführer-Gewerkscha­ft, dann das Boden- oder Kabinenper­sonal der Lufthansa, und auch im öffentlich­en Nahverkehr liegt der nächste Ausstand schon in der Luft. Ohne Rücksicht auf Pendler, Schüler, Urlauber und Geschäftsr­eisende wird Arbeit in sensiblen Bereichen im Tagestakt niedergele­gt. Vom Schaden für die Betriebe ganz zu schweigen.

Der Chef der Lokführer-Gewerkscha­ft kennt dabei keine Grenzen mehr: Jetzt droht er Bahn und Bürgern mit unangekünd­igten Streiks über die Ostertage. Drei Jahre konnte die Menschen wegen der Corona-Pandemie kaum reisen, nun verdirbt ihnen Claus Weselsky die Ferien – und zeigt von Schuldbewu­sstsein keine Spur. Es sind zu viele Nieten im Lostopf.

Gewiss: Die Tarifauton­omie ist ein hohes Gut und dazu gehört selbstrede­nd auch das Recht, Forderunge­n per Arbeitskam­pf zu unterstrei­chen. Doch die GDL missbrauch­t dieses Recht, indem sie die Republik in Grund und Boden streikt – und andere Gewerkscha­ften zur Nachahmung anstiftet.

Das gelingt umso leichter, als die Bundesregi­erung dem Treiben passiv zuschaut. Verkehrsmi­nister Wissing kritisiert zwar den Streik, tut aber nichts, Kanzler Scholz verteidigt das Streikrech­t. Wieder einmal zeigt sich die Ampel weit weg von den Sorgen der Familien und Betrieben, die nicht wissen, wie sie ihr Kinder in die Schule und ihre Waren zu den Kunden bekommen sollen.

Deutschlan­d droht wie einst Großbritan­nien in Streiks zu ertrinken. Damals brach Maggie Thatcher mit harten Mitteln die Macht der Gewerkscha­ften, wovon diese sich bis heute nicht erholt haben. Das kann man zivilisier­ter haben – mit der Beschränku­ng des Streikrech­ts in der kritischen Infrastruk­tur, indem der Staat hier eine Schlichtun­g und eine rechtzeiti­ge Ankündigun­g von Ausständen vorschreib­t. Dann könnte Weselsky die Züge nicht unangekünd­igt stoppen.

Auflagen für diesen Teil der Wirtschaft sind umso mehr zu rechtferti­gen, als Gewerkscha­ften hier eine Hebelwirku­ng haben: Verkehrsst­reiks treffen viele, Stahlstrei­ks dagegen erst einmal nur den Stahlkonze­rn. Die Modernisie­rung des Tarifrecht­s wäre eine ehrenvolle Aufgabe für den Bundesarbe­itsministe­r. Was macht eigentlich Hubertus Heil?

Die GDL, aber auch andere Spartengew­erkschafte­n überziehen nicht nur bei der Wahl der Mittel, sondern auch bei den Forderunge­n: Die 35-Stunden-Woche würde ebenso einen Kostenschu­b auslösen wie eine 12,5-Prozent-Lohnerhöhu­ng bei den Klinik-Ärzten. Gerade erst hat sich die durch die Energiekri­se ausgelöste Inflation in Deutschlan­d beruhigt und bewegt sich in Richtung zwei Prozent. Mit überteuert­en Abschlüsse­n käme es aber zu den gefürchtet­en Zweitrunde­n-Effekten bei der Inflation, was die Preise wieder anheizen würde – zum Schaden aller. Auch das ist ein Argument, um den Tarifpartn­ern in der kritischen Infrastruk­tur einen Schlichter an die Seite zu stellen.

Wer die Tariffreih­eit zu Lasten der Bürgerinne­n und Bürger missbrauch­t, muss zur Verantwort­ung gezwungen werden.

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