EU-Richtlinie zu Industrieemissionen betrifft auch Landwirtschaft
Emissionen gehen nicht nur von Industriefirmen wie Chemiefabriken aus, sondern etwa auch Schweineställen. Die EU verschärft die Auflagen in beiden Bereichen.
Über 50 000 Betriebe in der EU müssen sich nach einer neuen Richtlinie mit den jeweils „besten verfügbaren Techniken“ausstatten, um die Emissionen auf die Umgebung einzuschränken. Die Industrieemissionsrichtlinie, die das Europäische Parlament mit absehbar großer Mehrheit an diesem Dienstag in Straßburg endgültig beschließen wird, nimmt dabei jedoch nicht nur Chemiefirmen, Müllverbrenner oder Energieerzeuger in den Blick. Bessere Filter sind dann auch bei der Massentierhaltung nötig, damit weniger Stickstoffoxid oder Ammoniak in die Umgebung kommen. „Dadurch erreichen wir einen besseren Schutz für Umwelt und Gesundheit“, fasst der Umweltexperte der Europa-SPD, Tiemo Wölken, zusammen.
Die Vorgänger-Richtlinie hatte in ihrer Auswirkung nach seiner Darstellung wegen der unterschiedlichen Umsetzung in den 27 Mitgliedsländern eher einem Flickenteppich geglichen. Jetzt gehe es um „striktere Grenzwerte in ganz Europa“. Die größte Fraktion von der Europäischen Volkspartei steht ebenfalls hinter dem Projekt, seitdem dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag nach den Worten des EVPUmweltexperten Peter Liese „viele Giftzähne gezogen“worden seien.
So fielen die anfangs noch vorgesehenen Rinderzuchtbetriebe aus der Verordnung völlig raus. „Die Idee, Rinder in die Richtlinie einzubeziehen, war von vorneherein falsch, da aus Tierwohlgründen Rinder in offenen Ställen oder auf der Weide gehalten werden und dies mit Industrieanlagen überhaupt nicht verglichen werden kann“, erläutert der CDU-Politiker Liese. Allerdings kam in den Kompromiss zwischen Rat, Parlament und Kommission die Vorgabe hinein, nach der die Kommission „bis Ende 2026“prüfen muss, ob die Emissionen von Rinderzuchtbetrieben künftig doch berücksichtigt werden sollen.
Umweltschützer kritisieren, dass damit ausgerechnet die besonders fatal emittierenden Betriebe ausgenommen sind. Wegen ihrer Methanausscheidungen gelten die Wiederkäuer sogar als klimaschädlicher als Autos.
Um eine sowohl auf kleine wie große Nutztiere anwendbare Regelung zu finden, enthält die Richtlinie als Orientierungspunkt die Großvieheinheit (GV). Die Richtlinie zieht in der Schweinemast ab 350 GV, im Geflügelmastbetrieb ab 280 GV und in Legehennen-Unternehmen ab 280 GV. Was für Laien nach nicht sehr vielen Tieren klingt, bedeutet in der Praxis, dass die schärferen Auflagen bei Produzenten mit in der Regel mehr als tausend Schweinen, mehr als 40 000 Masthähnchen oder 21 500 Legehennen ziehen. Das sind Größenordnungen, die in Deutschland nach Berechnungen von Wölken beim durchschnittlichen Tierzuchtbetrieb nicht erreicht werden.
Zudem gibt es einen administrativen Unterschied zwischen Chemie- und Eierprodukten. Während die gewöhnliche Industrie eine Genehmigung benötigt, erstreckt sich die Auflage für Schweine- und Geflügelproduzenten auf eine Registrierungspflicht. Ausnahmen gibt es auch hier für ökologische Tierzucht, die in großen Teilen auf Freilandhaltung setzt. Selbst wenn die Richtlinie bereits drei Wochen nach dem letzten Okay von Parlament und Rat in Kraft tritt, bleiben nicht nur weitere 22 Monate, bis sie in nationale Gesetzgebung umgesetzt sein muss. Die zeitlichen Vorgaben beziehen sich auch erst auf die Zeit nach 2030, mit weiteren Verpflichtungen ab 2035.
Die Novelle ist vor dem Hintergrund der Klimaschutzziele und der angestrebten größeren Unabhängigkeit der EU bei äußerst wichtigen Rohstoffen zu sehen. Zum einen wurde der Anwendungsbereich auf die Batterieherstellung erweitert, zum anderen auf den Bergbau einschlägig belastender Rohstoffe. Verstöße gegen die neuen Auflagen sollen mit Strafen in Höhe von mindestens drei Prozent des Jahresumsatzes geahndet werden. Und schließlich sind Transformationspläne zur Umstellung der Betriebe auf nachhaltige Produktion Teil der
Richtlinie. Sie sollen den Nachweis führen, wie die jeweilige Firmen bis 2050 zum Ziel einer kreislauforientierten und klimaneutralen Wirtschaft beitragen will.
Für die Anwohner stark belastender Betriebe ist die Einführung von Schadenersatzansprüchen interessant. Wie praktikabel Geschädigte diese jedoch umsetzen können, ist noch nicht konkret einschätzbar, da die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung in nationales Recht an dieser Stelle flexible Lösungen hinein verhandelten. Umweltorganisationen kamen nicht zuletzt durch diesen Passus zu der Einschätzung, dass die Verordnung die Verursacher von Gefährdungen besser schützt als die potenziellen Opfer. Diese könnten sich in voraussichtlich komplizierten Prozessen nicht von Organisationen der Zivilgesellschaft vertreten lassen. Es fehlten bei den Emissionen der Landwirtschaft zudem regelmäßige Inspektionen und eine Kontrolle des Wasser- und Bodenschutzes.