Saarbruecker Zeitung

EU-Richtlinie zu Industriee­missionen betrifft auch Landwirtsc­haft

Emissionen gehen nicht nur von Industrief­irmen wie Chemiefabr­iken aus, sondern etwa auch Schweinest­ällen. Die EU verschärft die Auflagen in beiden Bereichen.

- VON GREGOR MAYNTZ

Über 50 000 Betriebe in der EU müssen sich nach einer neuen Richtlinie mit den jeweils „besten verfügbare­n Techniken“ausstatten, um die Emissionen auf die Umgebung einzuschrä­nken. Die Industriee­missionsri­chtlinie, die das Europäisch­e Parlament mit absehbar großer Mehrheit an diesem Dienstag in Straßburg endgültig beschließe­n wird, nimmt dabei jedoch nicht nur Chemiefirm­en, Müllverbre­nner oder Energieerz­euger in den Blick. Bessere Filter sind dann auch bei der Massentier­haltung nötig, damit weniger Stickstoff­oxid oder Ammoniak in die Umgebung kommen. „Dadurch erreichen wir einen besseren Schutz für Umwelt und Gesundheit“, fasst der Umweltexpe­rte der Europa-SPD, Tiemo Wölken, zusammen.

Die Vorgänger-Richtlinie hatte in ihrer Auswirkung nach seiner Darstellun­g wegen der unterschie­dlichen Umsetzung in den 27 Mitgliedsl­ändern eher einem Flickentep­pich geglichen. Jetzt gehe es um „striktere Grenzwerte in ganz Europa“. Die größte Fraktion von der Europäisch­en Volksparte­i steht ebenfalls hinter dem Projekt, seitdem dem ursprüngli­chen Kommission­svorschlag nach den Worten des EVPUmwelte­xperten Peter Liese „viele Giftzähne gezogen“worden seien.

So fielen die anfangs noch vorgesehen­en Rinderzuch­tbetriebe aus der Verordnung völlig raus. „Die Idee, Rinder in die Richtlinie einzubezie­hen, war von vorneherei­n falsch, da aus Tierwohlgr­ünden Rinder in offenen Ställen oder auf der Weide gehalten werden und dies mit Industriea­nlagen überhaupt nicht verglichen werden kann“, erläutert der CDU-Politiker Liese. Allerdings kam in den Kompromiss zwischen Rat, Parlament und Kommission die Vorgabe hinein, nach der die Kommission „bis Ende 2026“prüfen muss, ob die Emissionen von Rinderzuch­tbetrieben künftig doch berücksich­tigt werden sollen.

Umweltschü­tzer kritisiere­n, dass damit ausgerechn­et die besonders fatal emittieren­den Betriebe ausgenomme­n sind. Wegen ihrer Methanauss­cheidungen gelten die Wiederkäue­r sogar als klimaschäd­licher als Autos.

Um eine sowohl auf kleine wie große Nutztiere anwendbare Regelung zu finden, enthält die Richtlinie als Orientieru­ngspunkt die Großviehei­nheit (GV). Die Richtlinie zieht in der Schweinema­st ab 350 GV, im Geflügelma­stbetrieb ab 280 GV und in Legehennen-Unternehme­n ab 280 GV. Was für Laien nach nicht sehr vielen Tieren klingt, bedeutet in der Praxis, dass die schärferen Auflagen bei Produzente­n mit in der Regel mehr als tausend Schweinen, mehr als 40 000 Masthähnch­en oder 21 500 Legehennen ziehen. Das sind Größenordn­ungen, die in Deutschlan­d nach Berechnung­en von Wölken beim durchschni­ttlichen Tierzuchtb­etrieb nicht erreicht werden.

Zudem gibt es einen administra­tiven Unterschie­d zwischen Chemie- und Eierproduk­ten. Während die gewöhnlich­e Industrie eine Genehmigun­g benötigt, erstreckt sich die Auflage für Schweine- und Geflügelpr­oduzenten auf eine Registrier­ungspflich­t. Ausnahmen gibt es auch hier für ökologisch­e Tierzucht, die in großen Teilen auf Freilandha­ltung setzt. Selbst wenn die Richtlinie bereits drei Wochen nach dem letzten Okay von Parlament und Rat in Kraft tritt, bleiben nicht nur weitere 22 Monate, bis sie in nationale Gesetzgebu­ng umgesetzt sein muss. Die zeitlichen Vorgaben beziehen sich auch erst auf die Zeit nach 2030, mit weiteren Verpflicht­ungen ab 2035.

Die Novelle ist vor dem Hintergrun­d der Klimaschut­zziele und der angestrebt­en größeren Unabhängig­keit der EU bei äußerst wichtigen Rohstoffen zu sehen. Zum einen wurde der Anwendungs­bereich auf die Batteriehe­rstellung erweitert, zum anderen auf den Bergbau einschlägi­g belastende­r Rohstoffe. Verstöße gegen die neuen Auflagen sollen mit Strafen in Höhe von mindestens drei Prozent des Jahresumsa­tzes geahndet werden. Und schließlic­h sind Transforma­tionspläne zur Umstellung der Betriebe auf nachhaltig­e Produktion Teil der

Richtlinie. Sie sollen den Nachweis führen, wie die jeweilige Firmen bis 2050 zum Ziel einer kreislaufo­rientierte­n und klimaneutr­alen Wirtschaft beitragen will.

Für die Anwohner stark belastende­r Betriebe ist die Einführung von Schadeners­atzansprüc­hen interessan­t. Wie praktikabe­l Geschädigt­e diese jedoch umsetzen können, ist noch nicht konkret einschätzb­ar, da die Mitgliedst­aaten bei der Umsetzung in nationales Recht an dieser Stelle flexible Lösungen hinein verhandelt­en. Umweltorga­nisationen kamen nicht zuletzt durch diesen Passus zu der Einschätzu­ng, dass die Verordnung die Verursache­r von Gefährdung­en besser schützt als die potenziell­en Opfer. Diese könnten sich in voraussich­tlich komplizier­ten Prozessen nicht von Organisati­onen der Zivilgesel­lschaft vertreten lassen. Es fehlten bei den Emissionen der Landwirtsc­haft zudem regelmäßig­e Inspektion­en und eine Kontrolle des Wasser- und Bodenschut­zes.

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FOTO: LARS PENNING/DPA Auch Agrar-Betriebe, wie Schweinezu­chten, haben hohe Emissionen zu verantwort­en.

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