Braucht es überhaupt noch Kaufhäuser?
Neue Zahlen zeigen, dass der Umsatz von Kaufhäusern seit 2003 um ein Drittel zurückgegangen ist. Was das für die Zukunftsaussichten der insolventen Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bedeutet.
(dpa) Kleidung, Schuhe, Taschen, Uhren – bei Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) purzeln die Prozente. In den Filialen, in Prospekten und im Internet bewirbt die insolvente Warenhauskette ihre Frühlingsangebote – so wie es die meisten anderen Filialisten auch tun. So als wäre nichts gewesen. Dabei tickt die Uhr. In gut zwei Wochen dürfte zumindest die Tendenz feststehen – nämlich, ob Galeria eine Zukunft hat oder die Unternehmensgeschichte mehr als 140 Jahre nach der Gründung womöglich endet.
Bis zum 22. März läuft die Frist für die Abgabe verbindlicher Angebote für das Unternehmen. Kurz zuvor wurden nun Zahlen veröffentlicht, die potenzielle Käufer interessieren dürften. Dem Statistischen Bundesamt zufolge ist der Umsatz von Kaufhäusern in Deutschland seit 2003
inflationsbereinigt um 35 Prozent gesunken. Die Frage, die sich davon ableitet, ist nicht neu, für Kaufinteressenten aber entscheidend: Braucht es im Jahr 2024 überhaupt noch Kaufhäuser?
Aus Sicht von Johannes Berentzen, dem Geschäftsführer der Handelsberatung BBE, steckt nicht das Kaufhaus insgesamt in der Krise. „Das Geschäftsmodell ist nicht grundsätz
lich aus der Zeit gefallen, sondern die Art und Weise, wie Galeria es betreibt. Kleinere inhabergeführte Warenhäuser wie Kaufring aus München oder das älteste Kaufhaus Deutschlands, Rid aus Weilheim, sind – auch in den letzten Jahren – durchaus erfolgreich.“
Der vorläufige Insolvenzverwalter von Galeria, Stefan Denkhaus, berichtete zuletzt von mehreren Kauf
interessenten. Bei den Gesprächen mit potenziellen Investoren liegen viele Zahlen auf dem Tisch. Welche Standorte sind wirtschaftlich? Wie viele müssen mindestens erhalten bleiben? Wie stark kann die Miete reduziert werden? Auch Faktoren wie die Kaufkraft der Stadt und Region, in der eine Filiale liegt, spielen eine Rolle. Am Ende gilt es, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.
Einem neuen Eigentümer wird kaum etwas anderes übrig bleiben: Er oder sie muss das Konzept ändern, Galeria mindestens ein Stück weit neu erfinden und auf moderne Bedürfnisse ausrichten – zum Beispiel mit mehr Unterhaltungs- und Erlebnis-Elementen.
Der stationäre Einzelhandel erlebt wegen vieler Krisen und Konsumflaute schwierige Zeiten. Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) mussten seit 2019 deutschlandweit etwa 46 000 Geschäfte schließen. „Das ist eine dramatische Entwicklung, die Spuren in unseren Innenstädten hinterlässt“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Mit Blick auf die vergangenen 20 Jahre sieht es für die Branche jedoch zumindest etwas besser aus als bei Galeria. Seit 2003 verzeichnet der Einzelhandel insgesamt ein Umsatz-Plus von 11 Prozent, der Versand- und Onlinehandel legte sogar um 170 Prozent zu.
Im Gegensatz zu anderen Branchen lässt sich der Abwärtstrend bei Galeria nicht einfach nur mit kurzfristigen Phänomenen wie hoher Inflation und gestiegenen Preisen begründen. Die Krise sitzt tiefer.
Das Unternehmen steckt in der dritten Insolvenz innerhalb von dreieinhalb Jahren. Die Anzahl der Filialen hat sich seit 2019 halbiert. Der einstige Warenhaus-Riese hat nur noch weniger als 90 Standorte. Der Umsatz ist laut dem Handelsforschungsinstitut EHI allein zwischen 2019 und 2022 von 4,5 auf 1,9 Milliarden Euro zurückgegangen.
Das Warenhaus ist im Jahr 2024 längst nur noch Nischen-Erscheinung. Der Marktanteil, der in den 60ern bei 15 Prozent lag, ist auf 1,2 Prozent geschrumpft. Kult alleine wird künftig nicht mehr reichen.
Die Handelsexpertin sieht sogar günstige Voraussetzungen dafür, dass sich der Trend wieder zurück, zugunsten des stationären Einzelhandels verlagert. Menschen kauften im Vergleich zu den Jahren zuvor wieder bevorzugt dort ein, das habe positive Effekte. „Dadurch geben sich die einzelnen Läden wieder mehr Mühe, auf eine besondere Atmosphäre, ein schönes Design, auf Gastronomie und auf Beratung zu setzen. Das führt auch zu mehr Kaufkraft in der Stadt, die auch andere Unternehmen ermutigen kann, wieder auf eine Fläche in der Innenstadt zu setzen“.