Viele Ideen zu bezahlbarem Wohnraum
Um „wirksame“kommunale Sozialpolitik vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Spannungen ging es bei einer Diskussion in Malstatt. Ein wichtiger Tenor: Saarbrücken braucht mehr soziale Durchmischung.
Nicht immer sind große Veranstaltungen auch die ergiebigeren. Das zeigte sich am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion in der Breite63 in Malstatt, zu der die Wählervereinigung „Bunt.Saar“eingeladen hatte. Und zwar den Saarbrücker Sozialdezernenten Tobias Raab (seit kurzem SPD-Mitglied) und die Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes an der Saar, Anne Fennel. „Bunt.Saar“war selbst mit zwei Mitgliedern auf dem Podium vertreten: Herbert Loskill moderierte, der Vorsitzende Frank Lichtlein diskutierte mit. Im Publikum: sieben Menschen, darunter Britta Blau, SPD-Stadtratsmitglied.
Langweilig, könnte man meinen. War es aber gar nicht. Denn Moderator Herbert Loskill entschied schnell, dass man die Diskussion sofort öffnet. Und so gab es einen regen Austausch in kleiner Gruppe über sozial- und klimapolitische Themen vor Ort.
Wer über Armut und Chancenungleichheit diskutiert, landet zwangsläufig beim Thema bezahlbarer Wohnraum und sozialverträgliche
Stadtentwicklung. Hier erweitert um die Dimension des Ökologischen. Denn dafür steht „Bunt.Saar“– und man startet schließlich in den Kommunalwahlkampf: Am 9. Juni sind Europa- und Kommunalwahlen.
Wie lässt sich der soziale Wohnungsbau in Saarbrücken voranbringen? Und was muss passieren, um die „hohe Segregationsrate“, die die Sozial-Managerin Fennel beklagte, zu senken. Denn in Saarbrücken – so stellten alle übereinstimmend fest – sei die ungleiche Einkommensverteilung in den Stadtteilen ein Problem. Gerade die Kinderarmut ist in der Landeshauptstadt im Bundesvergleich nachweislich überdurchschnittlich hoch. Wer arm ist, wohnt meist in armen Vierteln, hat weniger Bildungs- und Aufstiegschancen. „Wir brauchen dringend mehr gemischte Stadtteile“, forderte Fennel, denn nur dann könnten Kinder aus bildungsfernen Familien von einem besser ausgestatteten Umfeld profitieren – und ihre Chancen wahrnehmen. Ein Schlüssel für sozialen Ausgleich.
Stattdessen hätten sich die sozialen Grenzen in Saarbrücken viele Jahre lang auch städtebaulich zementiert, befand das Plenum. Und nannte als Negativbeispiel das hochpreisige Neubaugebiet Franzenbrunnen auf der Bellevue, wo nicht eine einzige Sozialwohnung entstanden ist. Die müsste es aber auch in wohlhabenden Wohngegenden geben, forderte das Publikum. „Da hat man in der Vergangenheit Fehler gemacht“, gab Sozialdezernent Raab zu. Bei den Stadtentwicklungsprojekten, die jetzt in die konkrete Planung gehen, müsse man „es anders und besser“machen. Er nannte das Gebiet „Westlich der Metzer Straße“, wo man unter anderem eine gute Anbindung an die Sozialsiedlung Folsterhöhe hinbekommen will. Auch der Forderung nach mehr genossenschaftlichem Bauen war er nicht abgeneigt.
„In 57 Prozent der Saarbrücker Haushalte lebt nur eine Person.“Tobias Raab Sozialdezernent der Stadt Saarbrücken
Britta Blau nannte die Moltkestraße in Alt-Saarbrücken als positives Beispiel für zunehmend gute soziale Durchmischung. Dort gebe es nicht nur die „super funktionierende“, integrativ wirkende Grundschule Am Ordensgut, sondern bald auch neuen Wohnraum für Studierende. Gerade werden dort dafür Mietshäuser der gemeinnützigen städtischen Siedlungsgesellschaft saniert.
Überhaupt stellte man die Frage, warum diese Siedlungsgesellschaft, deren ureigene Aufgabe es ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, nicht mehr selbst bauen und sanieren kann. Man müsse sie dafür finanziell besser ausstatten und
über die Bauleitplanung der Stadt enge Vorgaben machen, so die Forderung. Raab verwies auf das seit 2018 bestehende „Bauland-Modell“, wonach Investoren 20 Prozent der Wohnungen für sozialen und zehn Prozent für preisgünstigen Wohnraum reservieren müssen. Was gerade am Burbacher Füllengarten umgesetzt wird. Über Konzeptvergaben wirke man ebenfalls auf die Wohnraumentwicklung ein. Zudem diskutiere der Stadtrat einen „Bodenfonds“, der aus Verkäufen städtischer Bauflächen gespeist und für Wohnungsbauprojekte genutzt werden soll.
„Das sind Tropfen auf den heißen
Stein“, kritisierte Frank Lichtlein. Er schlägt vor, Wohnraum über eine „Leerstandsteuer“zu mobilisieren. Die müssten Eigentümer bezahlen, wenn sie Wohnungen oder Flächen aus spekulativen Gründen nicht vermieten. „Saargemünd macht das bereits“, gab er ein Beispiel. Das sei auch juristisch nicht kompliziert. „Die Kommune könnte dazu eine Satzung erlassen.“Sozialdezernent Raab begeisterte der Vorschlag nicht. Eine solche Steuer sei „kontraproduktiv“, weil sie Wohnraum verteuere und womöglich Leerstände an die Falschen vermietet würden, wenn Eigentümer sich zum Vermieten gedrängt fühlten.
„In 57 Prozent der Saarbrücker Haushalte lebt nur eine Person“, berichtete Raab. Darunter sind viele ältere Menschen. „Viele vereinsamen, wir müssen uns auch überlegen, wie wir in Zukunft miteinander leben wollen“, forderte ein Bürger. Während kinderreiche Familien kaum bezahlbaren Wohnraum finden, leben andere in überdimensionierten, auch energetisch teuren Häusern. Gerade hier will „Bunt.Saar“ran: Die Stadt müsse Bürgerenergiegenossenschaften fördern und den Ausbau bezahlbarer (!) Fernwärme-Versorgung in dicht besiedelten Stadtteilen wie Malstatt.