Ermutigung, politisch aktiv zu werden
Politik und Poesie beim Frauenfest „ Stimmen des Wandels“anlässlich des Weltfrauentages in der Wehrdener Kulturhalle. Neben der Gleichberechtigung im Allgemeinen ging es dabei auch insbesondere um die gesellschaftliche und politische Teilhabe von Frauen m
„Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen”, so schrieb es Johann Wolfgang von Goethe im 19. Jahrhundert. Das moderne Asylrecht konnte er nicht gemeint haben. Aber der Dichterfürst sah, dass die gebildeten Frauen im Jenaer Kreis ihre eigenen literarischen Schriften unter den Namen ihrer Männer veröffentlichen mussten und es stillschweigend duldeten. Keine Spur von Anerkennung. Zwei Jahrhunderte später erfahren Frauen zumindest im literarisch-künstlerischen Bereich Wertschätzung. Aber wie sieht es im sozialen und politischen Leben aus? Und welche Rolle spielen Migrantinnen?
„Dass Frauen ihr soziales Engagement sichtbar machen und anderen Frauen Mut geben, im sozialen sowie politischen Leben aktiv zu werden“, war das Ziel des Festes zum Weltfrauentages 2024 in der Kulturhalle Wehrden, ausgerichtet von „Ramesch – Forum für kulturelle Begegnung“, dem Völklinger Integrationsbeirat, der Frauenbeauftragten der Stadt Nicole Appel, sowie dem AWOStadtteilprojekt Wehrden „Nachbarn kommen zusammen“.
Den stimmungsvollen Auftakt mit „Liedern aus aller Welt“gestaltete Diana Balanescu, begleitet von
Franco Jagues auf der Gitarre. Staatssekretärin Bettina Altesleben sprach in ihrem Grußwort unter anderem über das hohe Maß an unbezahlter Arbeit von Frauen und räumt ein, dass es bis zur tatsächlichen Gleichberechtigung noch ein weiter Weg sei. Der Völklinger Norbert Degen, ehrenamtlicher Beigeordneter im Regionalverband, erinnerte auch an den Equal Pay Day, der für den Tag steht, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, ein Tag verbunden mit den Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und angemessener Bezahlung. Er warb auch für die Ausstellung „Für und mit Frauen aus Afghanistan“im VHS-Zentrum Saarbrücken. Gezeigt werden Werke von Frauen, die unter größten persönlichen Risiken hergestellt und auf geheimen Wegen nach Deutschland geschickt wurden.
Christiane Blatt (SPD), Oberbürgermeisterin der Stadt Völklingen, in der mehr als ein Drittel der Einwohner eine Zuwanderungsgeschichte haben, kennt die Probleme, die das Zusammenleben verschiedener Nationen, Kulturen und Religionen mit sich bringt und betonte, dass Integration nur gelingen könne, wenn Männer und Frauen gemeinsam daran arbeiten. Das Frauentrio „Herztöne“, das in der Formation Alisa Verminska, Viktoria Denysiuk und Natalia Shpotko Bühnenpremiere feierte, berührte mit zwei lyrischen Volksliedern aus der Ukraine und einem alten und dennoch aktuellen polnischen Schlager – es geht darin um Soldaten, die kämpfen und doch nach Hause zurückkehren wollen.
In der Begrüßung erklärte die Ramesch-Vorsitzende und QuartiersManagerin in Wehrden, Dr. Sennur Agirbasli, warum das Fest erst am Sonntag und somit zwei Tage nach dem Weltfrauentag stattfand: Am Freitag mussten viele Frauen arbeiten – lediglich in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern ist der Weltfrauentag ein Feiertag. So regte sie an, den Tag auch im Saarland zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Auch wünschte sie sich einen Wan
del in der Politik: „Dass Frauen in Führungspositionen und Entscheidungsorganen unterrepräsentiert sind, zeigen die Statistiken immer wieder. Frauen mit Migrationshintergrund sind noch schlechter gestellt. Ein deutliches Beispiel sehen wir im Landtag: Der Frauenanteil im saarländischen Landtag ist 37,3 Prozent. Frauen mit Migrationshintergrund machen gerade mal zwei Prozent der Abgeordneten aus. Wir denken, das passt in unserem weltoffenen Saarland nicht.“
Dem Thema „Frauen im Integrationsprozess“widmete sich Kiymet Kırtas, seit zehn Jahre Sprecherin des Integrationsbeirats der Stadt Völklingen. Integration sei ein nie endender Prozess. „Wie wir Integration leisten“, so Kiymet Kırtas, „ist entscheidend für unsere Kinder und Enkelkinder.“Exil-Iranerin Negin Salari machte in ihrem Kurzvortrag „Frauen, Leben, Freiheit“auf die frauenverachtende Politik des Mullah-Regimes aufmerksam: Politische Gefangene, Verhaftungen und Verurteilungen ohne Rechtsbeistand, Folter und Hinrichtungen seien an der Tagesordnung. Sie fordert einen Kurswechsel in der deutschen Iranpolitik. Käme es im Iran zu einem Regimewechsel, dann sei das mit dem Mauerfall in Deutschland vergleichbar.
Dr. Mariam Djafari, ebenfalls aus dem Iran, sang stimmgewaltig zwei persische Lieder und ein spanisches, spielte, begleitet von Franco Jagues,
selbst Gitarre. Auch sie brandmarkte die repressive Führung der Mullahs und insbesondere die Unterdrückung der Frauen im Iran. Das öffentliche Singen und Tanzen sei dort Frauen verboten. Was die Unterdrückung für die Psyche bedeutet, wisse sie als Psychotherapeutin nur zu gut.
In der Podiumsrunde, moderiert von Ramesch-Vorstandsmitglied Yasam Kirbayir, diskutierten Jeanne Dillschneider (Bündnis 90/Grünen), Anja Wagner-Scheid (CDU), Gabriele Ungers (Die Linke), Angelika Hießerich-Peter (FDP) und Sevim KayaKaradag (SPD) über das politische
Engagement von Migrantinnen im Saarland. Die Moderatorin wollte wissen, wie und wo Migrantinnen politisch eingebunden werden. Die Politikerinnen verwiesen auf die jeweiligen Anstrengungen ihrer Partei: Frauenstatut bei den Grünen, paritätisch gefüllte Liste der SPD bei der Kommunalwahl in Homburg, Mentoring-Programm und Quorum der CDU, Frauenquote bei den Linken. Einig waren sich jedoch alle, dass es noch Handlungsbedarf gibt, und sie appellierten an die Frauen im Publikum, sich politisch zu betätigen.
„Wer keine Vernetzung hat, hat keine Chance, sich politisch zu engagieren“, sagte die Moderatorin. Dass Netzwerke wichtig seien, bestätigten die Politikerinnen. Sie erlaubten zum Teil Einblicke in ihren eigenen politischen Werdegang und zeigten ihre Bereitschaft, Frauen persönlich anzusprechen und zu ermuntern, eventuelle Hemmungen zu überwinden, insbesondere auch Migrantinnen, für die diese Hürden besonders hoch seien.
Mit bosnischen Liedern und Harmonika-Begleitung des Duos Emina und Safet Seferagic, sowie einem kurdischen Tanz endete der erste Teil der Veranstaltung. Nach einer Pause, in der sich sowohl Frauen als auch Männer an dem reich gedeckten Büffet mit leckeren Speisen aus unterschiedlichen Kulturen stärken konnten, war der zweite Teil ausschließlich den Frauen vorbehalten zum Austausch und zum Tanz.
„Dass Frauen in Führungspositionen und Entscheidungsorganen unterrepräsentiert sind, zeigen die Statistiken immer wieder. Frauen mit Migrationshintergrund sind noch schlechtergestellt.“Dr. Sennur Agirbasli Vorsitzende von „Ramesch“