Der Glaube an die nächste Sensation ist da
Fußball-Drittligist 1. FC Saarbrücken empfängt den Bundesligisten Borussia Mönchengladbach im Viertelfinale des DFB-Pokals.
„Wir brauchen ein Wunder – warum soll uns das nicht gelingen?“, sagt Julian GüntherSchmidt und spricht den Fans des Fußball-Drittligisten 1. FC Saarbrücken aus der Seele. „Die Vorfreude ist riesig. Wir werden alles auf dem Platz lassen. Das wird kein einfaches Spiel – für die“, sagt Teamkollege Luca Kerber. Und Stürmer Kai Brünker meint: „Wenn wir vom Trainingsgelände runter zum Stadion laufen, die Flutlichter sehen, den Rasen riechen – dann ist das eine ganz besondere Energie.“
Diese Energie hat im DFB-Pokal bislang alle Favoriten beeindruckt. Erst Zweitligist Karlsruher SC, dann Rekordmeister Bayern München, schließlich Eintracht Frankfurt. An diesem Dienstag (20.45 Uhr/ZDF) kommt es nun zum verspäteten Viertelfinale gegen den nächsten Bundesligisten, gegen Borussia Mönchengladbach. Und der FCS, der in der 3. Liga seinen Erwartungen hinterherläuft, kann abseits des tristen Liga-Alltags wieder glänzen – und hofft auf die Zutaten, die es braucht, das DFB-Pokal-Märchen fortzuschreiben: das nötige Spielglück, die Wucht der Fans im diesmal spielfähigen Ludwigsparkstadion und natürlich eine taktisch wie spielerisch herausragende Leistung der Mannschaft.
„Wir dürfen nicht vergessen: Wir sind Drittligist und die Bundesligist“, sagt FCS-Trainer Rüdiger Ziehl: „Aber wenn wir schaffen, das zusammenzubekommen, haben wir eine klitzekleine Chance.“Der Glaube daran, das Unmögliche nun zum vierten Mal möglich zu machen, ist bei den Fans nach dem endlich wieder guten Liga-Auftritt
beim 2:0-Heimerfolg gegen Erzgebirge Aue am vergangenen Samstag noch einmal gewachsen. Der Ludwigspark ist natürlich ausverkauft. Ein Teil der Anhänger wird sich ab 16.30 Uhr auf dem Saarbrücker Landwehrplatz treffen, um gegen 17.15 Uhr von dort aus durch die Stadt zum Stadion zu marschieren.
Viel Laufarbeit wird auf die Saarbrücker Mannschaft zukommen. „Gladbach wird mehr Ballbesitz haben. Wir werden viel hinterherlaufen und verteidigen müssen“, glaubt Ziehl: „Aber wir werden
auch Phasen mit eigenem Ballbesitz brauchen, um erfolgreich zu sein. Das ist uns in den bisherigen Pokalspielen auch gut gelungen.“Dennoch wird es wohl zunächst auf die defensive Stabilität ankommen. Ein frühes Gegentor wäre auch für die Stimmung Gift. „Wir müssen schauen, dass die Abstände stimmen. Gerade die letzte Linie vorm Torwart darf dem Gegner wenig Raum lassen“, fordert Ziehl.
Gut, dass Kapitän Manuel Zeitz, der gegen Aue gelb-gesperrt fehlte, wieder mitwirken kann. Er ist
neben dem verletzten Boné Uaferro der letzte Aktive im FCS-Trikot, der beim legendären Halbfinaleinzug vor vier Jahren dabei war. Mit 7:6 nach Elfmeterschießen warf der FCS damals Fortuna Düsseldorf im Viertelfinale raus. „Wir waren Regionalligist, mussten im Gegensatz zu den Profis monatelang pausieren und sind dann kalt in die Partie gegangen“, erinnert sich Zeitz an die anschließende Pleite im Corona-bedingten Geisterspiel gegen Bayer Leverkusen: „Wir werden alles daran setzen, im Pokal noch einmal die
Überraschung zu schaffen. Gladbach ist gewarnt. Gegen Frankfurt passte einfach alles, aber: Wir bleiben trotzdem der Außenseiter. Um weiterzukommen, brauchen wir einen besonders guten Tag und vielleicht etwas Glück. Der Gegner muss einen schwächeren Tag erwischen.“
Personell fehlen beim FCS nur die Langzeitverletzten Patrick Schmidt, Sebastian Jacob, Uaferro und Richard Neudecker. Simon Stehle steht mit muskulären Problemen in der Wade auf der Kippe, Julius Biada kann nach Adduktorenbeschwerden wohl wieder dabei sein. „Jeder von uns muss an seine Grenze gehen“, sagt FCS-Torhüter und Pokal-Rückhalt Tim Schreiber: „Natürlich will ich wieder die Null halten, aber ich stelle mich auf alles ein.“
Der Rasen im Ludwigspark dürfte – im Unterschied zum ersten Versuch – keine Probleme bereiten. Schon beim Aue-Spiel waren die Standschwierigkeiten der Spieler deutlich geringer, das Anwachsen der Sode schreitet voran. Die Stadt arbeitet mit Hochdruck am Geläuf – eine weitere Blamage will und kann sich niemand erlauben. „Der Rasen ist bespielbar. Die Gesundheit der Spieler ist nicht gefährdet“, sagt Gladbachs Trainer Gerado Seoane.
Den Druck, gewinnen zu müssen, haben ohnehin die Rheinländer. Manager Roland Virkus betont, dass es zum Sieg in Saarbrücken keine Alternative gäbe. Denn die Saison in der Bundesliga läuft wenig zufriedenstellend. Der Klassenverbleib als Minimalziel sollte geschafft werden, für den Kampf ums internationale Geschäft fehlte die Konstanz. Gerade gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellenbereich tut sich die Borussia schwer. Beim 3:3 gegen den abstiegsbedrohten 1. FC Köln am Samstag präsentierte sich die Mannschaft von Seoane offensiv durchaus wuchtig, defensiv aber sehr luftig. Die Favoritenrolle also eine Bürde? „Wir müssen mit der notwendigen Entschlossenheit, Intensität und Aggressivität zu Werke gehen“, sagt Seoane: „Wir haben den Anspruch, in die nächste Runde zu kommen. Darauf liegt unser Fokus.“Das allerdings sagten auch die Trainer des KSC, des FC Bayern und der Frankfurter Eintracht vor dem Spiel in Saarbrücken. Das Ende ist bekannt – das Pokal-Märchen lebt.