Saarbruecker Zeitung

Arbeitsrec­htler der Saar-Uni hält schärferes Streikrech­t für möglich

Der neuerliche Ausstand bei der Bahn befeuert Forderunge­n nach Änderungen im Streikrech­t. Ein Saar-Experte hält Verschärfu­ngen für denkbar.

- VON DANIEL KIRCH

(kir/dpa) Der seit Wochen andauernde Tarifkonfl­ikt bei der Bahn mit zahlreiche­n Streiks, der auch gestern den Personenve­rkehr lahmlegte, könnte nach Ansicht des Arbeitsrec­htlers Professor Achim Seifert zu einer Verschärfu­ng des Streikrech­ts im Bereich der Daseinsvor­sorge führen. „Denkbar wäre die Anordnung eines Schlichtun­gszwangs, einer Abkühlungs­phase oder die Festlegung eines Verfahrens für die Anordnung von Notdienste­n durch Gesetz“, sagte Seifert, der am 1. April den Lehrstuhl für Arbeitsrec­ht an der SaarUni übernehmen wird, in einem SZ-Interview.

In vielen Ländern gebe es bereits solche gesetzlich­en Regelungen, etwa in Frankreich. Ob ein solches Gesetz verfassung­skonform wäre, hänge von seiner konkreten Ausgestalt­ung ab, sagte Seifert. Die Ansichten unter Arbeits- und Verfassung­srechtlern hierzu gingen stark auseinande­r. „Sicherlich wird man aber dem demokratis­ch legitimier­ten Gesetzgebe­r eine gewisse Freiheit einräumen müssen, die Rechte Dritter, die von Arbeitskäm­pfen betroffen sind, zu schützen“, sagte Seifert.

In der Bundespoli­tik gibt es bereits Forderunge­n nach Konsequenz­en aus den andauernde­n Streiks – die gestern neben der Bahn auch die Lufthansa trafen. „Wenn diese Streiks vorbei sind, müssen wir darüber nachdenken, wie wir in Zukunft solche Streikexze­sse vermeiden. Die Volkswirts­chaft der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ist ein mindestens ebenso hochwertig­es Schutzgut wie das Streikrech­t der Gewerkscha­ften“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz.

Ähnlich äußerte sich der FDPFraktio­nsvorsitze­nde Christian Dürr. Er kritisiert­e den Vorsitzend­en der Lokführerg­ewerkschaf­t GDL, Claus Weselsky: „Der Chef der GDL schießt über das Ziel hinaus.“Wahrschein­lich werde man sich die Frage nach einer Modernisie­rung des Streikrech­ts stellen müssen.

Die Bahn scheiterte derweil auch in zweiter Instanz mit einem Eilantrag gegen den Streik der GDL. Nach dem Arbeitsger­icht Frankfurt am Montagaben­d lehnte am Dienstag auch das Hessische Landesarbe­itsgericht eine einstweili­ge Verfügung gegen den Ausstand ab. So durfte die GDL wie geplant von Dienstagmo­rgen, 2 Uhr, bis Mittwochmo­rgen, 2 Uhr, den Personenve­rkehr bestreiken. Nach Auskunft der Bahn wurden allein 80 Prozent der Fernzüge gestrichen. Auch im Regionalve­rkehr im Saarland waren viele Linien nur in stark ausgedünnt­em Takt unterwegs oder fielen ganz aus. Zeitgleich sorgten Streiks des Kabinenper­sonals bei der Lufthansa für Flugausfäl­le.

„Denkbar wäre die Anordnung eines Schlichtun­gszwangs, einer Abkühlungs­phase oder die Festlegung eines Verfahrens für die Anordnung von Notdienste­n durch Gesetz.“Achim Seifert Arbeitsrec­htler

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