Arbeitsrechtler der Saar-Uni hält schärferes Streikrecht für möglich
Der neuerliche Ausstand bei der Bahn befeuert Forderungen nach Änderungen im Streikrecht. Ein Saar-Experte hält Verschärfungen für denkbar.
(kir/dpa) Der seit Wochen andauernde Tarifkonflikt bei der Bahn mit zahlreichen Streiks, der auch gestern den Personenverkehr lahmlegte, könnte nach Ansicht des Arbeitsrechtlers Professor Achim Seifert zu einer Verschärfung des Streikrechts im Bereich der Daseinsvorsorge führen. „Denkbar wäre die Anordnung eines Schlichtungszwangs, einer Abkühlungsphase oder die Festlegung eines Verfahrens für die Anordnung von Notdiensten durch Gesetz“, sagte Seifert, der am 1. April den Lehrstuhl für Arbeitsrecht an der SaarUni übernehmen wird, in einem SZ-Interview.
In vielen Ländern gebe es bereits solche gesetzlichen Regelungen, etwa in Frankreich. Ob ein solches Gesetz verfassungskonform wäre, hänge von seiner konkreten Ausgestaltung ab, sagte Seifert. Die Ansichten unter Arbeits- und Verfassungsrechtlern hierzu gingen stark auseinander. „Sicherlich wird man aber dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber eine gewisse Freiheit einräumen müssen, die Rechte Dritter, die von Arbeitskämpfen betroffen sind, zu schützen“, sagte Seifert.
In der Bundespolitik gibt es bereits Forderungen nach Konsequenzen aus den andauernden Streiks – die gestern neben der Bahn auch die Lufthansa trafen. „Wenn diese Streiks vorbei sind, müssen wir darüber nachdenken, wie wir in Zukunft solche Streikexzesse vermeiden. Die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ist ein mindestens ebenso hochwertiges Schutzgut wie das Streikrecht der Gewerkschaften“, sagte CDU-Chef Friedrich Merz.
Ähnlich äußerte sich der FDPFraktionsvorsitzende Christian Dürr. Er kritisierte den Vorsitzenden der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky: „Der Chef der GDL schießt über das Ziel hinaus.“Wahrscheinlich werde man sich die Frage nach einer Modernisierung des Streikrechts stellen müssen.
Die Bahn scheiterte derweil auch in zweiter Instanz mit einem Eilantrag gegen den Streik der GDL. Nach dem Arbeitsgericht Frankfurt am Montagabend lehnte am Dienstag auch das Hessische Landesarbeitsgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Ausstand ab. So durfte die GDL wie geplant von Dienstagmorgen, 2 Uhr, bis Mittwochmorgen, 2 Uhr, den Personenverkehr bestreiken. Nach Auskunft der Bahn wurden allein 80 Prozent der Fernzüge gestrichen. Auch im Regionalverkehr im Saarland waren viele Linien nur in stark ausgedünntem Takt unterwegs oder fielen ganz aus. Zeitgleich sorgten Streiks des Kabinenpersonals bei der Lufthansa für Flugausfälle.
„Denkbar wäre die Anordnung eines Schlichtungszwangs, einer Abkühlungsphase oder die Festlegung eines Verfahrens für die Anordnung von Notdiensten durch Gesetz.“Achim Seifert Arbeitsrechtler