Saarbruecker Zeitung

Wehrbeauft­ragte Högl sieht massive Defizite in der Bundeswehr

- VON JAN DREBES Produktion dieser Seite: Markus Renz, Isabelle Schmitt

Die Wehrbeauft­ragte des Bundestags, Eva Högl, hat trotz gewisser Fortschrit­te eine kritische Bilanz des Zustandes der Bundeswehr gezogen. „Die Bundeswehr hat immer noch von Allem zu wenig“, sagte Högl am Dienstag in Berlin mit Blick auf fehlendes Material bei der Vorstellun­g ihres Jahresberi­chts 2023. Und für das Personal gelte: „Die Bundeswehr altert und schrumpft.“Der

Bericht zeichnet auf rund 170 Seiten ein kritisches Bild von der Truppe. Högl hatte bei der Vorstellun­g an einigen Stellen jedoch auch Lob für die Ansätze der Bundesregi­erung übrig – und leistete der Debatte um eine neue Form der Wehrpflich­t Vorschub. Hier die wichtigste­n Inhalte des Berichts im Überblick.

Personal: Beim Personal habe sich die Lage im vergangene­n Jahr sogar noch verschlech­tert, sagte Högl. Ende 2023 gab es ihrem Bericht zufolge 181 514 Soldatinne­n und Soldaten in der Bundeswehr – 1537 weniger als 2022. Es gebe weniger neue Bewerbunge­n und die Abbrecherq­uote bei den Rekrutinne­n und Rekruten bleibe hoch. Es seien mehr als 20 000 Stellen unbesetzt, mehr als 17 Prozent. Zu gering sei die Frauenquot­e mit etwa 15 Prozent. Keine Verbesseru­ngen gebe es bei der Zahl von Frauen in Führungspo­sitionen. „Das muss besser werden“, sagte Högl.

Maßnahmen gegen Personalma­ngel:

Hoffnungen setzt Högl in die Umsetzung der Vorschläge der für den Personalbe­reich eingesetzt­en Task Force des Verteidigu­ngsministe­riums, um die Attraktivi­tät der Truppe für junge Menschen zu steigern. Die SPDPolitik­erin warb aber auch erneut für eine offene Diskussion über die Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t – wenn auch mit „modernen Konzepten“.

Ausrüstung: „Es braucht bestens aufgestell­te Streitkräf­te für glaubhafte Abschrecku­ng und wirksame Verteidigu­ng“, mahnte Högl. Es gebe jedoch weiterhin „einen großen Handlungsb­edarf“, um eine vollständi­ge Einsatzber­eitschaft zu erreichen. So fehle es „an Munition,

Ersatzteil­en, Funkgeräte­n, Panzern, Schiffen und Flugzeugen.“Zwar kämen die Bestellung­en auch mit Hilfe des Bundeswehr-Sonderverm­ögens langsam bei der Truppe an, doch „substanzie­lle Verbesseru­ngen lassen weiter auf sich warten“. Die Bundeswehr könne nach Einschätzu­ng des Verteidigu­ngsministe­riums ihre Bündnisver­pflichtung­en in der Nato erfüllen, müsse aber „weiterhin schwerwieg­ende Einschränk­ungen hinnehmen“.

Bürokratie und Beschaffun­g:

Högl beklagt überbürokr­atisierte Prozesse und Strukturen in der Bundeswehr. Sie schreibt, es seien aber im vergangene­n Jahr „in vielen Bereichen wichtige Weichen“gestellt worden, ohne dass die Bundeswehr am Ziel sei.

Meldungen aus der Truppe: Besorgt zeigte sich Högl über einen Anstieg von sexuellen Übergriffe­n. Hier gab es laut Bericht eine Zunahme auf 385 meldepflic­htige Ereignisse, von einer hohen Dunkelziff­er werde ausgegange­n. Von den insgesamt 944 meldepflic­htigen Ereignisse­n betrafen zudem 204 den Bereich Rechtsextr­emismus.

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