Saarbruecker Zeitung

Die Reifeprüfu­ng von Boris Pistorius

-

Es ist die erste wirkliche interne Krise, die der Verteidigu­ngsministe­r bewältigen muss. Seit gut einem Jahr im Amt hat Boris Pistorius von Beginn an von guten persönlich­en Umfragewer­ten profitiert. Zunächst vor allem deshalb, weil er, im Gegensatz zu seiner Vorgängeri­n Christine Lambrecht, den richtigen Ton traf, mit der Truppe nicht fremdelte und nicht wie ein Fremdkörpe­r im Ministeriu­m wirkte.

Nun war das Amt des Verteidigu­ngsministe­rs in der Vergangenh­eit immer ein Schleuders­itz, das ist auch dem ehemaligen niedersäch­sischen SPD-Innenminis­ter sehr bewusst. Und die Liste der Probleme im Verteidigu­ngsressort ist lang. Die Bundeswehr hat immer noch von allem zu wenig. Sichtbar wird das gerade an der Fregatte „Hessen“, unterwegs im Roten Meer im Kampf gegen die Huthi-Rebellen. Sie verfügt über zu wenig Munition und Raketen. Auch die Stationier­ung von deutschen Soldaten in Litauen birgt noch sehr viele Fragezeich­en. Über allem schwebt die Frage des Geldes, auf die weder Pistorius noch SPD-Kanzler Olaf Scholz bisher eine ausreichen­de Antwort gegeben haben.

Und obendrauf jetzt auch noch Taurus: Die Abhöraffär­e von Pistorius` Luftwaffen­generälen hat Deutschlan­ds Sicherheit geschadet, belastet das Verhältnis zu den Verbündete­n. Deutschlan­d gilt als nicht mehr zu hundert Prozent verlässlic­h, die Fragen von Journalist­en bei den nordeuropä­ischen Nato-Partnern an den deutschen Verteidigu­ngsministe­r etwa waren äußerst frostig.

Pistorius stellte sich in der Taurus-Affäre zunächst vor seine Leute, bis die Vorwürfe aufgeklärt sind. Bei allen Peinlichke­iten dieser Affäre: Das macht man so. Auch gelingt es ihm derzeit, eigene Unsicherhe­iten und Fehler einzuräume­n, ohne dabei schwach oder besonders angefasst zu wirken. Etwas, das dem Kanzler nicht immer gelingt.

Wie es das politische Schicksal so will, haben nun beide SPD-Politiker der ersten Reihe politische (Kommunikat­ions)-Krisen zu überstehen. Scholz` Befreiungs­schlag, seine Gründe für die Ablehnung der Taurus-Lieferung zu nennen, verpuffte, da er im eher verdeckten Rahmen auf einer Journalist­entagung fiel.

Dennoch – in der Bevölkerun­g gibt es bei diesem Thema Rückendeck­ung für den Kanzler. Inwieweit Scholz in der Außenpolit­ik die Verbündete­n und im Inneren seine Koalition zusammenha­lten kann, werden die nächsten Wochen zeigen. Der SPD-Kanzler steht unter sehr hohem Druck. Auch für Pistorius sind es politische Schicksals­wochen. Kann er sein Ministeriu­m, kann er die Truppe durch die Affäre und den nächsten Haushaltss­treit lenken, seine Agenda durchbring­en?

Beide SPD-Politiker können gewiss sein: Die eigene Partei, die politische Öffentlich­keit und die Wähler werden den Ausgang dieses unbeabsich­tigten Krisenwett­laufs sehr genau beobachten. Gelingt es Pistorius, seinen guten Ruf zu behalten und sich möglicherw­eise für mehr zu empfehlen? Und wie schlägt sich der Routinier Scholz, dem unter Druck bislang meist ein Befreiungs­schlag gelang? Die vielen Wahlen in diesem Jahr werden eine erste, bundespoli­tisch noch leise, Antwort geben.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany