Ein Fehlbarer irritiert mit Plaudereien zum Krieg
Mit dem Ratschlagg Richtungg Kiew, die Weiße Fahne zu hissen, hat sich Papst Franziskus Ärger eingehandelt. An diesem Mittwoch könnte er sich erklären.
(dpa) Mittwochs immer, wenn es die Gesundheit zulässt, bittet der Papst zur Generalaudienz. Morgens gegen neun Uhr kommt Franziskus auf den Petersplatz, leitet die Messe, spendet seinen Segen und spricht zu den vielen Tausend Gläubigen dann meist auch ein paar Sätze. Ein Routinetermin.
An diesem Mittwoch allerdings, auf den Tag genau elf Jahre nach seiner Wahl, wäre die Audienz für das Oberhaupt von mehr als 1,4 Milliarden Katholiken eine ausgezeichnete Gelegenheit, einige Dinge klarzustellen, die seit seinem Interview im Schweizer Fernsehen weltweit für Aufregung sorgen.
Insbesondere, an wen genau sein Ratschlag ging, nach jetzt schon mehr als zwei Jahren Krieg in der Ukraine mit vielen Zehntausend Toten die Weiße Fahne zu hissen. Auf jeden Fall ist auch dem Vatikan inzwischen klar, welch' verheerendes Echo das Interview zur Folge hatte. US-Präsident Joe Biden, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) – sie alle machten, „bei allem Respekt vor dem Heiligen Vater“, ihre Missbilligung deutlich. In Deutschland nannte selbst der christdemokratische Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz die Äußerungen „grundfalsch“. Am größten ist der Ärger aber naturgemäß in der Ukraine: Präsident Wolodymyr Selenskyj ließ den Apostolischen
Nuntius in Kiew – praktisch der Botschafter des Vatikans – zum Rapport einbestellen.
Offensichtlich war dem 87-Jährigen und auch keinem in seiner Umgebung so recht bewusst, welche Folgen die eher dahingeplauderten Sätze haben könnten. Das Interview fand schon vor mehr als einem Monat statt, für eine Kultursendung, in der es eher grundsätzlich um die
Bedeutung der Farbe Weiß gehen sollte – beispielsweise, warum der Papst weiß trägt. Dann jedoch ließ sich Franziskus auch auf die Frage ein, ob die Ukraine nicht den Mut haben solle, die Weiße Fahne zu hissen, oder ob dies bedeute, dem Stärkeren Recht zu geben.
Die Antwort war dann eher ein allgemeines Sinnieren, aber Franziskus sagte eben auch: „Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln.“An anderer Stelle fügte er später hinzu: „Verhandlungen sind niemals eine Kapitulation“, was weniger beachtet wurde. Viele sehen in dem Interview eine einseitige Parteinahme für Russland – was auch daran liegt, dass der Papst schon länger unter Verdacht steht, prorussisch zu sein.
Beispielsweise stellte Franziskus schon im Mai 2022 die Frage, ob die Nato mit ihrer Osterweiterung durch „Kläffen vor den Toren Russlands“zum Kriegsbeginn beigetragen habe. Im vergangenen Sommer, nach vielen Kriegsverbrechen, fand er Grund zum Lob für das „große Russland“, was in der Ukraine enorm schlecht ankam. Für Papst-Kritiker in Kiew und anderswo passen die neuen Äußerungen also ins Bild.
Andere gehen mit Franziskus nicht so streng ins Gericht. Viele Vaticanisti – wie die professionellen Papst-Beobachter in Rom heißen – verweisen darauf, dass der Pontifex eben kein gelernter Diplomat sei, mit einer gewissen Eigenwilligkeit vieles anders mache als die Vorgänger und seinen Gedanken im Gespräch ganz gern freien Lauf lasse. Tatsächlich gibt Franziskus Interviews wie kaum ein Papst zuvor. Im Gespräch mit der „Zeit“sagte er vor Jahren auch: „Ich bin Sünder und ich bin fehlbar.“
Ohnehin ist der Vatikan aktuell vor allem um Schadenbegrenzung bemüht. Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin – Nummer Zwei im Kirchenstaat – stellte in der Zeitung „Corriere della Sera“(Dienstag) klar, gerechter und dauerhafter Frieden sei nur durch Anstrengungen beider Kriegsparteien möglich.