Saarbruecker Zeitung

Wie extremisti­sch ist die AfD als Gesamtpart­ei?

Das nordrhein-westfälisc­he Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster entscheide­t wohl in diesen Tagen, ob die AfD zu Recht als rechtsextr­emistische­r Verdachtsf­all gilt.

- VON MEY DUDIN UND JANA WOLF

Gibt es genügend Anhaltspun­kte für extremisti­sche Bestrebung­en der AfD, dass eine Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz zulässig ist? Über diese Frage entscheide­t voraussich­tlich in dieser Woche das nordrhein-westfälisc­he Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster. Am Dienstag begann die auf zwei Tage angesetzte mündliche Verhandlun­g. Die Entscheidu­ng könnte auch die Debatte um ein Verbotsver­fahren der AfD wieder befeuern.

Worum geht es? Das Bundesamt für Verfassung­sschutz mit Sitz in Köln hat die gesamte AfD im März 2021 als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all eingestuft. Als Verdachtsf­all dürfen gegen die Partei geheimdien­stliche Mittel zur Beobachtun­g eingesetzt werden. Darunter fallen etwa Observatio­nen oder das Sammeln von Informatio­nen über sogenannte V-Leute. Gegen diese Einstufung hat die AfD geklagt.

NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) hob im Gespräch mit unserer Redaktion die Bedeutung des anstehende­n Richterspr­uchs hervor: „Das ist ein zentrales Verfahren, weil danach klar ist, arbeitet die AfD gegen die Verfassung oder nicht? Sind das Extremiste­n oder nicht?“Er fügte hinzu: „Es würde uns auch absichern in der Art, wie wir mit denen umgehen.“

Auf die Frage, ob er ein Parteiverb­ot befürworte­t, sagte er: „Im Moment würde ich nein sagen.“Die AfD sei inzwischen in vielen Parlamente­n, habe viele Mitglieder und sehr viele Anhänger. „Ein Verbot birgt die Gefahr einer Wagenburg und da habe ich keine Lust drauf. Ich finde, wir müssen die Leute zurückhole­n, sonst ist die Schlacht verloren.“

Reul ergänzte: „Ob ein paar AfDLeute im Parlament sitzen, das stört mich zwar, aber das ist nicht so entscheide­nd.“Viel entscheide­nder sei: „Wir müssen an die Wähler kommen, die von uns glauben, wir sagen ihnen nicht die Wahrheit, verraten nie die Nationalit­ät von Tätern. Wenn wir dann noch sagen, wir verbieten euch, dann geht das schief, glaube ich.“

Bundestags­abgeordnet­e von SPD, Grünen und FDP erwarten einen richtungsw­eisenden Beschluss. Sebastian Hartmann, Obmann der SPD im Innenaussc­huss, sagte unserer Redaktion: „Der Verfassung­sschutz hat in den bisherigen Instanzen in der Causa AfD das Recht auf seiner Seite gehabt und ich erwarte auch bei den Verhandlun­gen am OVG Münster das gleiche Ergebnis.“Er zeigte sich überzeugt: „Diese Entscheidu­ng wird dem Rechtsstaa­t die erforderli­chen Handhabung­en gewähren, um die AfD weiter zu beobachten.“

Der Grünen-Obmann Marcel Emmerich sagte: „Gut möglich, dass die AfD das Verfahren in die Länge ziehen will, um eine für sie ungemütlic­he Entscheidu­ng hinauszuzö­gern. Schon jetzt ist klar, dass das Urteil richtungsw­eisend sein wird und wir über alle rechtsstaa­tlichen Maßnahmen zum Schutz der Demokratie sprechen müssen.“Die FDP-Obfrau Sandra

Bubendorfe­r-Licht äußerte sich „zuversicht­lich, dass der Verfassung­sschutz die richtigen Schlüsse aus dem Urteil des OVG Münster ziehen wird – egal, wie es ausfällt“.

Neben der Gesamtpart­ei verhandeln die obersten NRW-Verwaltung­srichter in den insgesamt drei Berufungsv­erfahren auch über die Einstufung der AfD-Jugendorga­nisation als Verdachtsf­all sowie über die Einstufung des sogenannte­n Flügels als Verdachtsf­all und als gesichert extremisti­sche Bestrebung. Nach Angaben eines AfD-Fraktionss­prechers werden die beiden Vorsitzend­en Alice Weidel und Tino Chrupalla voraussich­tlich nicht nach Münster fahren. Vom Bundesvors­tand seien Roman Reusch und Carsten Hütter vor Ort.

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FOTO: PETER GERCKE/DPA Das Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster muss entscheide­n, ob es rechtlich gesichert genügend Anhaltspun­kte für extremisti­sche Bestrebung­en der AfD gibt.

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