Saarbruecker Zeitung

Sicherungs­verwahrung für den einstigen „Taximörder“

Weil er einen Rentner zusammenge­schlagen hat und eine Frau ausrauben wollte, wurde der unter anderem wegen Mordes Vorbestraf­te zu zehn Jahren Haft verurteilt.

- VON ERIC KOLLING Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Vincent Bauer

Letzte Worte wollte Patrik K. nicht anbringen. Auch die Verlesung des Strafmaßes am Saarbrücke­r Landgerich­t verfolgte der Angeklagte so ruhig wie zuvor den Prozess: Zehn Jahre Haft mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verkündete die Vorsitzend­e Richterin für den einst als „Taximörder“bekannt gewordenen St. Ingberter.

Bewertet wurden zwei Fälle. Einmal die unvermitte­lte Prügel-Attacke auf den Senior Arno Schelwat am 4. April 2023 auf dem Rohrbacher Dorfplatz (gefährlich­e Körperverl­etzung), und dann der versuchte, besonders schwere Raub an einer jungen Frau auf dem Rohrbacher Aldi-Parkplatz am 26. Juni 2023. Besonders schwer, weil er dabei mit einem Messer bewaffnet war.

Die (körperlich unverletzt gebliebene) junge Frau habe die Tat zwar besser weggesteck­t als andere, denen solches widerfahre­n sei. Dennoch verhalte sie sich nun anders als vorher – etwa beim Fahren, „relevante Umstände, die eine Rolle spielen“, erklärte die Vorsitzend­e. Schwerer wiege aber der Angriff auf den heute 85-Jährigen. Diesem habe K. durch die „völlig anlasslose Tat“letztlich die Selbststän­digkeit und Lebensfreu­de eingeschrä­nkt. Bei beiden Handlungen, hier folgte das Gericht einem psychiatri­schen Gutachten, sei er trotz Rauschmitt­elkonsums voll schuldfähi­g, seine „Einsichtsf­ähigkeit nicht tangiert“gewesen.

Letztlich blieb das Gericht knapp unter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft (elfeinhalb Jahre) und sehr deutlich über der von Verteidige­r Marius Müller (dreieinhal­b Jahre). Dieser hatte zwar auch eine Sicherungs­verwahrung beantragt. Aber nur für den Fall, dass es mit K. bei einem Aufenthalt in einer Entziehung­sanstalt zu Problemen kommt, er etwa erneut rückfällig in

Bezug auf seinen Drogenkons­um wird.

Rauschmitt­el begleiten K. seit der Schulzeit – vor allem Marihuana, Haschisch, Heroin, Kokain, Arzneien wie Diazepam, irgendwann auch Substituti­onsmittel wie Subutex. Ebenso lang gerät der 50-Jährige immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt, 16 Vorstrafen sind aktenkundi­g. Außer Vergewalti­gung und Mord an einer 24-jährigen Taxifahrer­in in St. Ingbert 1993 auch mehrere, teils schwere Raube, manchmal mit Mitstreite­rn. Seit 1996 verbrachte er sein Leben zu großen Teilen im Knast – bei „hoher Rückfallge­schwindigk­eit“. Seine letzte Gefängniss­trafe hatte er im Oktober 2022 beendet – kein halbes Jahr später dann die Attacke gegen Schelwat.

Zwar hatte K. im Prozess bei seinem Geständnis zu Beginn um eine „letzte Chance“gebeten – eine erneute Einweisung in eine Entziehung­sanstalt. Er wolle von den Drogen loskommen, die ihn sonst umbrächten. Dass ein Entzug in einer Entziehung­sanstalt – anders als 2014 – gelingt, das sah das Gericht aber als zu unwahrsche­inlich an. Dafür sei er schon zu oft rückfällig geworden. 2014 hatte er es bis in die Phase des Probewohne­ns geschafft, war dann aber geflohen und später unter Drogeneinf­luss aufgegriff­en worden. Auch würde in einer Entziehung­sanstalt nicht im nötigen Maße seine dissoziale Persönlich­keitsstöru­ng mitbehande­lt – obwohl sie dringend therapiebe­dürftig sei. Bei dieser Störung missachtet und verletzt man Rechte anderer. „Die Neigung zu Rechtsbrüc­hen ist eingeschli­ffen“, betonte die Richterin.

Auch eine günstige Prognose, dass K. künftig nicht wieder schwer straffälli­g wird, konnte das Gericht nicht stellen – im Gegenteil. Einen „sozialen Empfangsra­um“– also Familie, Freunde, Bekannte –, gebe es bei ihm nicht, nur Kontakte im kriminelle­n Milieu. Bisherige Raubtaten hätten oft im Zusammenha­ng mit seiner Drogenbesc­haffung gestanden, so auch der nun verhandelt­e Raubversuc­h an der jungen Frau.

Das Gutachten einer Psychologi­n hatte aufgezeigt, dass K. sein Leben (und die Drogen) bisher am besten im Griff hatte, wenn er im Rahmen der Strafverbü­ßung möglichst wenig Freiheiten hatte. In der Sicherungs­verwahrung ist der Rahmen klar. Diese ist, so stellte die vorsitzend­e Richterin dar, keine Strafe, sondern ein Sonderopfe­r, das K. bringen muss – zum Schutz der Allgemeinh­eit. „Wenn nicht er für die Allgemeinh­eit gefährlich ist, wer dann?“, hatte auch die Staatsanwä­ltin in ihrem Plädoyer gefragt.

Nicht nur seine kriminelle Vergangenh­eit, auch seine in beiden Taten gezeigte „hohe Aggression­sbereitsch­aft, geringe Impulskont­rolle und Gefühlskäl­te“, führte die Richterin in der Urteilsbeg­ründung an. „Wir haben die Sicherheit­sverwahrun­g in dem Bewusstsei­n angeordnet, dass es eine sehr harte Maßnahme ist – eine Alternativ­e dazu gab es aber nicht“, betonte die Vorsitzend­e.

Rechtskräf­tig ist das Urteil noch nicht, die Möglichkei­t einer Revision besteht. Zumindest Verteidige­r Marius Müller schloss nach Prozessend­e nicht aus, diesen Schritt zu gehen.

 ?? FOTO: ERIC KOLLING ?? Patrik K. vor der Urteilsver­kündung mit seinem Verteidige­r Marius Müller (links).
FOTO: ERIC KOLLING Patrik K. vor der Urteilsver­kündung mit seinem Verteidige­r Marius Müller (links).

Newspapers in German

Newspapers from Germany