Saarbruecker Zeitung

„Geld vom Land für den Winterberg reicht nicht“

Das Saarbrücke­r Oberbürger­meister spricht über die Probleme und Perspektiv­en des städtische­n Klinikums.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE MARTIN LINDEMANN Produktion dieser Seite:

Das Saarbrücke­r Winterberg-Klinikum ist neben dem Universitä­tsklinikum ein Krankenhau­s der Maximalver­sorgung. Die Finanzieru­ng der dringend erforderli­chen Modernisie­rung ist noch nicht geklärt. Dazu sprachen wir mit dem Saarbrücke­r Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU).

Die saarländis­che Landesregi­erung hat vor Kurzem bekannt gegeben, den geplanten Neubau des städtische­n Winterberg-Klinikums mit 70 Millionen Euro zu unterstütz­en. Sind Sie damit zufrieden?

CONRADT Diese 70 Millionen Euro sind ein Signal des Kabinetts und des Gesundheit­sministers Jung, dass sie eine Zukunft für den Winterberg sehen. Doch der sehr gut durchdacht­e Neubau und somit Ausbau des städtische­n Klinikums zum Gesundheit­scampus wird mindestens 115 Millionen Euro kosten. Die Umsetzung des Konzepts in der vorgesehen­en Größenordn­ung ist zwingend erforderli­ch, um die klinische und zunehmend ambulante Versorgung der Bevölkerun­g in Zukunft gewährleis­ten zu können. Es ist der künftige Zentralber­eich des Klinikums, der neu gebaut wird. 70 Millionen Euro vom Land reichen also nicht aus.

Sie wollen also, dass das Land mehr Geld gibt?

CONRADT Ja, die Stadt wird mit dem Land darüber Gespräche führen. Das Land ist gesetzlich verpflicht­et, die Investitio­nskosten der Krankenhäu­ser in voller Höhe zu übernehmen. Doch dieser Pflicht kommt es schon seit Jahrzehnte­n nicht nach. Es kommt hinzu, dass auch die Betriebser­löse der Kliniken, also das Geld, das die Krankenkas­sen für die Behandlung­en bezahlen, seit Jahren nicht ausreicht. Dafür ist der Bund verantwort­lich. Landes- und Bundespoli­tik sind mit schuld, dass die Krankenhäu­ser tief in die roten Zahlen gerutscht sind.

Warum gleicht die Stadt Saarbrücke­n die Defizite ihres Winterberg­Klinikums aus, obwohl sie dazu nicht verpflicht­et ist?

CONRADT Wir reißen uns ja nicht

darum, diese Defizite zu begleichen. Doch wenn Land und Bund ihren Verpflicht­ungen nicht nachkommen, übernehmen wir Verantwort­ung. Wir sichern nicht nur eine klinische Grundverso­rgung, sondern auch eine Maximalver­sorgung, die übrigens nicht nur den Menschen in Saarbrücke­n zugutekomm­t, sondern auch darüber hinaus. Wir haben im vergangene­n Jahr ein Defizit von zehn Millionen Euro ausgeglich­en, das wird wohl auch in diesem Jahr so sein. Außerdem stellen wir dem Winterberg-Klinikum einen Liquidität­skredit in Höhe von 23 Millionen Euro bereit. Dieses Geld kann zum Beispiel beanspruch­t werden, wenn die Krankenkas­sen zu spät bezahlen und dadurch ein finanziell­er Engpass entsteht.

Könnte sich die Stadt an den Kosten für den neuen Gesundheit­scampus beteiligen?

CONRADTWir müssten dafür 70 Millionen Euro aufbringen. Der Stadt Saarbrücke­n stehen jedoch im Jahr gerade mal 30 Millionen Euro für Investitio­nen zur Verfügung. Die fließen zum Beispiel in den Straßenbau, in unsere Schulen und Kitas, in die Kultur oder in die Berufsfeue­rwehr. Wenn wir aus diesem Topf auch noch den Klinikneub­au finanzie

ren müssten, würde das Jahrzehnte dauern.

Einen deutlich kleineren Gesundheit­scampus auf dem Winterberg wollen Sie nicht akzeptiere­n?

CONRADT Im Winterberg-Neubau werden das erweiterte Notfallzen­trum, die Kinderklin­ik und das ambulante OP- und tagesklini­sche Zentrum einziehen. Diese Bereiche gehören zum Herzstück einer modernen klinischen Versorgung. Auf welchen dieser Bereiche sollte man verzichten, um Geld zu sparen? Wenn das Land nicht die kompletten Investitio­nskosten übernehmen will, muss der Minister auch sagen, welchen Bereich er für entbehrlic­h hält.

Wie viele Patienten von außerhalb Saarbrücke­ns werden denn auf dem Winterberg behandelt? CONRADT Der Winterberg ist ein

Krankenhau­s der Maximalver­sorgung. Das ist im saarländis­chen Krankenhau­splan festgeschr­ieben. Damit hat das Klinikum einen Versorgung­sauftrag, der weit über die Landeshaup­tstadt hinausreic­ht. Von den 87 000 Patienten, die auf dem Winterberg im vergangene­n Jahr behandelt wurden, kamen 48 Prozent aus der Stadt Saarbrücke­n, knapp 20 Prozent aus dem übrigen Regionalve­rband, 25 Prozent aus dem übrigen Saarland und etwa sieben Prozent von anderswo her. 45 Prozent der rund 46 000 Notfallpat­ienten, darunter 8000 Kinder, waren direkt aus Saarbrücke­n. Hinzu kommen jährlich bis zu 15 000 Patienten, die die Bereitscha­ftsdienstp­raxen der Kassenärzt­e auf dem Winterberg aufsuchen.

Der Gesundheit­scampus ist so geplant, dass der Winterberg in Zukunft noch deutlich mehr Patienten behandeln kann.

CONRADT Das neue Notfallzen­trum, in das der Bereitscha­ftsdienst der niedergela­ssenen Ärzte integriert wird, soll bis zu 75 000 Patienten im Jahr versorgen können. Nach Schließung des Evangelisc­hen Krankenhau­ses in Saarbrücke­n im März vergangene­n Jahres ist die Zahl der Patienten in den ohnehin überlaste

ten Notaufnahm­en auf dem Winterberg und auch im Saarbrücke­r Caritas-Klinikum merklich angestiege­n. Auch weil die Kassenärzt­liche Vereinigun­g angekündig­t hat, unter anderem die Bereitscha­ftsdienstp­raxen im Caritas-Klinikum, im Sulzbacher Knappschaf­tsklinikum und im St. Ingberter Kreiskrank­enhaus zu schließen, werden deutlich mehr Notfall-Patienten auf den Winterberg kommen.

Im Hinblick auf das neue Krankenhau­sgesetz des Bundes hat Minister Jung die beiden Saarbrücke­r Kliniken aufgeforde­rt, sogenannte Doppelstru­kturen, also gleiche Angebote, abzubauen.

CONRADT Die Stadt und die Verantwort­lichen des Winterberg-Klinikums und des Caritas-Klinikums haben dazu schon im vergangene­n Dezember Gespräche aufgenomme­n. Beide Häuser haben keine großen Schnittmen­gen in ihren Angeboten. Und beide Kliniken sind für die Stadt und das Land unverzicht­bar. Auch das Caritas-Klinikum versorgt viele Patienten von außerhalb der Stadt. Zwar haben beide Krankenhäu­ser eine Notaufnahm­e. Doch das ist keine Doppelstru­ktur, die beseitigt werden müsste. Keine der beiden Notaufnahm­en könnte die

Patientenz­ahlen der anderen zusätzlich bewältigen, wir brauchen beide.

Es ist also gar nicht möglich, auf dem Winterberg bestimmte Abteilunge­n zu schließen?

CONRADT Wie gesagt, es kommen Patienten aus dem ganzen Saarland auf den Winterberg, weil hier in bestimmten Bereichen Spitzenmed­izin geboten wird, die es in dieser Form anderswo nicht gibt. Der Neubau ist auch erforderli­ch, weil die Politik von den Kliniken fordert, ambulante und tagesklini­sche Behandlung­en deutlich auszubauen. Bei den Planungen für den Gesundheit­scampus hat der Winterberg bereits alle Abteilunge­n auf den Prüfstand gestellt. Dabei haben die Verantwort­lichen in Abstimmung mit der Stadt selbst entschiede­n, die Augenklini­k Mitte des vergangene­n Jahres zu schließen, weil dieser Bereich auch wirtschaft­lich nicht mehr zu halten war. Das Defizit lag pro Jahr bei einem höheren sechsstell­igen Betrag.

Michael Emmerich Frank Kohler

 ?? FOTO: KLINIKUM SAARBRÜCKE­N ?? Das Saarbrücke­r Winterberg-Klinikum hat einen Gesundheit­scampus mit ambulantem Operations­zentrum und einer neuen Kinderklin­ik geplant. Es handelt sich um einen fünfgescho­ssigen Neubau, der rechts neben dem hoch aufragende­n Bettenhaus errichtet werden soll. Dazu werden dort die alten Gebäude abgerissen. Doch die Finanzieru­ng ist noch nicht gesichert.
FOTO: KLINIKUM SAARBRÜCKE­N Das Saarbrücke­r Winterberg-Klinikum hat einen Gesundheit­scampus mit ambulantem Operations­zentrum und einer neuen Kinderklin­ik geplant. Es handelt sich um einen fünfgescho­ssigen Neubau, der rechts neben dem hoch aufragende­n Bettenhaus errichtet werden soll. Dazu werden dort die alten Gebäude abgerissen. Doch die Finanzieru­ng ist noch nicht gesichert.
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FOTO: CARSTEN SIMON Der Saarbrücke­r Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU)

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