„Geld vom Land für den Winterberg reicht nicht“
Das Saarbrücker Oberbürgermeister spricht über die Probleme und Perspektiven des städtischen Klinikums.
Das Saarbrücker Winterberg-Klinikum ist neben dem Universitätsklinikum ein Krankenhaus der Maximalversorgung. Die Finanzierung der dringend erforderlichen Modernisierung ist noch nicht geklärt. Dazu sprachen wir mit dem Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU).
Die saarländische Landesregierung hat vor Kurzem bekannt gegeben, den geplanten Neubau des städtischen Winterberg-Klinikums mit 70 Millionen Euro zu unterstützen. Sind Sie damit zufrieden?
CONRADT Diese 70 Millionen Euro sind ein Signal des Kabinetts und des Gesundheitsministers Jung, dass sie eine Zukunft für den Winterberg sehen. Doch der sehr gut durchdachte Neubau und somit Ausbau des städtischen Klinikums zum Gesundheitscampus wird mindestens 115 Millionen Euro kosten. Die Umsetzung des Konzepts in der vorgesehenen Größenordnung ist zwingend erforderlich, um die klinische und zunehmend ambulante Versorgung der Bevölkerung in Zukunft gewährleisten zu können. Es ist der künftige Zentralbereich des Klinikums, der neu gebaut wird. 70 Millionen Euro vom Land reichen also nicht aus.
Sie wollen also, dass das Land mehr Geld gibt?
CONRADT Ja, die Stadt wird mit dem Land darüber Gespräche führen. Das Land ist gesetzlich verpflichtet, die Investitionskosten der Krankenhäuser in voller Höhe zu übernehmen. Doch dieser Pflicht kommt es schon seit Jahrzehnten nicht nach. Es kommt hinzu, dass auch die Betriebserlöse der Kliniken, also das Geld, das die Krankenkassen für die Behandlungen bezahlen, seit Jahren nicht ausreicht. Dafür ist der Bund verantwortlich. Landes- und Bundespolitik sind mit schuld, dass die Krankenhäuser tief in die roten Zahlen gerutscht sind.
Warum gleicht die Stadt Saarbrücken die Defizite ihres WinterbergKlinikums aus, obwohl sie dazu nicht verpflichtet ist?
CONRADT Wir reißen uns ja nicht
darum, diese Defizite zu begleichen. Doch wenn Land und Bund ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, übernehmen wir Verantwortung. Wir sichern nicht nur eine klinische Grundversorgung, sondern auch eine Maximalversorgung, die übrigens nicht nur den Menschen in Saarbrücken zugutekommt, sondern auch darüber hinaus. Wir haben im vergangenen Jahr ein Defizit von zehn Millionen Euro ausgeglichen, das wird wohl auch in diesem Jahr so sein. Außerdem stellen wir dem Winterberg-Klinikum einen Liquiditätskredit in Höhe von 23 Millionen Euro bereit. Dieses Geld kann zum Beispiel beansprucht werden, wenn die Krankenkassen zu spät bezahlen und dadurch ein finanzieller Engpass entsteht.
Könnte sich die Stadt an den Kosten für den neuen Gesundheitscampus beteiligen?
CONRADTWir müssten dafür 70 Millionen Euro aufbringen. Der Stadt Saarbrücken stehen jedoch im Jahr gerade mal 30 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung. Die fließen zum Beispiel in den Straßenbau, in unsere Schulen und Kitas, in die Kultur oder in die Berufsfeuerwehr. Wenn wir aus diesem Topf auch noch den Klinikneubau finanzie
ren müssten, würde das Jahrzehnte dauern.
Einen deutlich kleineren Gesundheitscampus auf dem Winterberg wollen Sie nicht akzeptieren?
CONRADT Im Winterberg-Neubau werden das erweiterte Notfallzentrum, die Kinderklinik und das ambulante OP- und tagesklinische Zentrum einziehen. Diese Bereiche gehören zum Herzstück einer modernen klinischen Versorgung. Auf welchen dieser Bereiche sollte man verzichten, um Geld zu sparen? Wenn das Land nicht die kompletten Investitionskosten übernehmen will, muss der Minister auch sagen, welchen Bereich er für entbehrlich hält.
Wie viele Patienten von außerhalb Saarbrückens werden denn auf dem Winterberg behandelt? CONRADT Der Winterberg ist ein
Krankenhaus der Maximalversorgung. Das ist im saarländischen Krankenhausplan festgeschrieben. Damit hat das Klinikum einen Versorgungsauftrag, der weit über die Landeshauptstadt hinausreicht. Von den 87 000 Patienten, die auf dem Winterberg im vergangenen Jahr behandelt wurden, kamen 48 Prozent aus der Stadt Saarbrücken, knapp 20 Prozent aus dem übrigen Regionalverband, 25 Prozent aus dem übrigen Saarland und etwa sieben Prozent von anderswo her. 45 Prozent der rund 46 000 Notfallpatienten, darunter 8000 Kinder, waren direkt aus Saarbrücken. Hinzu kommen jährlich bis zu 15 000 Patienten, die die Bereitschaftsdienstpraxen der Kassenärzte auf dem Winterberg aufsuchen.
Der Gesundheitscampus ist so geplant, dass der Winterberg in Zukunft noch deutlich mehr Patienten behandeln kann.
CONRADT Das neue Notfallzentrum, in das der Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte integriert wird, soll bis zu 75 000 Patienten im Jahr versorgen können. Nach Schließung des Evangelischen Krankenhauses in Saarbrücken im März vergangenen Jahres ist die Zahl der Patienten in den ohnehin überlaste
ten Notaufnahmen auf dem Winterberg und auch im Saarbrücker Caritas-Klinikum merklich angestiegen. Auch weil die Kassenärztliche Vereinigung angekündigt hat, unter anderem die Bereitschaftsdienstpraxen im Caritas-Klinikum, im Sulzbacher Knappschaftsklinikum und im St. Ingberter Kreiskrankenhaus zu schließen, werden deutlich mehr Notfall-Patienten auf den Winterberg kommen.
Im Hinblick auf das neue Krankenhausgesetz des Bundes hat Minister Jung die beiden Saarbrücker Kliniken aufgefordert, sogenannte Doppelstrukturen, also gleiche Angebote, abzubauen.
CONRADT Die Stadt und die Verantwortlichen des Winterberg-Klinikums und des Caritas-Klinikums haben dazu schon im vergangenen Dezember Gespräche aufgenommen. Beide Häuser haben keine großen Schnittmengen in ihren Angeboten. Und beide Kliniken sind für die Stadt und das Land unverzichtbar. Auch das Caritas-Klinikum versorgt viele Patienten von außerhalb der Stadt. Zwar haben beide Krankenhäuser eine Notaufnahme. Doch das ist keine Doppelstruktur, die beseitigt werden müsste. Keine der beiden Notaufnahmen könnte die
Patientenzahlen der anderen zusätzlich bewältigen, wir brauchen beide.
Es ist also gar nicht möglich, auf dem Winterberg bestimmte Abteilungen zu schließen?
CONRADT Wie gesagt, es kommen Patienten aus dem ganzen Saarland auf den Winterberg, weil hier in bestimmten Bereichen Spitzenmedizin geboten wird, die es in dieser Form anderswo nicht gibt. Der Neubau ist auch erforderlich, weil die Politik von den Kliniken fordert, ambulante und tagesklinische Behandlungen deutlich auszubauen. Bei den Planungen für den Gesundheitscampus hat der Winterberg bereits alle Abteilungen auf den Prüfstand gestellt. Dabei haben die Verantwortlichen in Abstimmung mit der Stadt selbst entschieden, die Augenklinik Mitte des vergangenen Jahres zu schließen, weil dieser Bereich auch wirtschaftlich nicht mehr zu halten war. Das Defizit lag pro Jahr bei einem höheren sechsstelligen Betrag.
Michael Emmerich Frank Kohler