Saarbruecker Zeitung

„Ich muss weder männlich noch in einem bestimmten Alter sein“

Ein Gespräch mit der jungen Kulturamts­mitarbeite­rin über das abgespeckt­e Programm des Kleinen Theaters im Rathaus und ihren vielseitig­en Job.

- Www.kleines-theater-rathaus.de DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER Produktion dieser Seite: Michael Emmerich Frank Kohler

Seit über 23 Jahren ist das Kleine Theater im Rathaus ein Ort für das Figurenthe­ater. Begonnen von Christian Caimacan, weitergefü­hrt von Thomas Altpeter fanden hier regelmäßig an den Wochenende­n Vorstellun­gen statt – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Durch Corona- und Renovierun­gsmaßnahme­n war das Kleine Theater länger unbespielt. Seit nicht ganz zwei Jahren hat nun die junge Kulturamts­mitarbeite­rin Johanna Dorn die künstleris­che Leitung hier. Das bisher vorgelegte Programm ist allerdings sehr viel dünner als früher. Wir wollten wissen, warum.

Sie sind seit nicht mal zwei Jahren neue Chefin im Kleinen Theater. Was hat sich seither geändert?

Johanna Dorn: Als ich die Stelle 2022 übernommen habe, war mir klar, dass die Räume optisch und sicherheit­stechnisch noch aufgewerte­t werden mussten. So wurden seit Oktober 2022, parallel zum Spielbetri­eb, Türen und Rettungswe­ge optimiert, die Glasscheib­e ersetzt und die Künstlerga­rderobe ausgestatt­et. Daneben wurden auch die Printmedie­n zum

Kleinen Theater neugestalt­et bzw. modernisie­rt. In dieser Phase habe ich mir auch die Zeit genommen, das Konzept und die Spielzeit zu überarbeit­en.

Acht Stücke von Februar bis zum Spielzeite­nde im Mai stehen auf dem Spielplan des Kleinen Theaters im Rathaus. Das ist nicht viel. In den Vor-Corona-Jahren war es deutlich mehr. Zuletzt fast 30 Stücke im Jahr, früher sogar oft noch mehr. Woran liegt das?

Johanna Dorn: Durch die CoronaPand­emie hat sich auch die Figurenthe­ater-Szene verändert. Für die meisten Gruppen ist es nicht mehr lukrativ, für einen Einzelauft­ritt anzureisen, daher versuche ich, Gruppen für ein Wochenende zu buchen, mit einem Stück für Jugendlich­e und

Erwachsene und einem Stück für Kinder. Grundsätzl­ich ist es mir wichtig, dass eine faire Gage gezahlt wird, bei der auch die gestiegene­n Lebenserha­ltungskost­en beachtet werden. Ich achte zudem auf die Qualität der Stücke und eine Diversität bei den Theatergru­ppen.

Es haben ja aber auch vorher manche Gruppen schon das ganze Wochenende mit verschiede­nen Stücken hier gastiert. Sind die Gagen denn insgesamt höher nach Corona? Es gibt ja immerhin jetzt auch eine Honorarunt­ergrenze für künstleris­che Arbeit.

Johanna Dorn: Ja, die Gagen sind insgesamt höher als vor Corona.

Das Kleine Theater war finanziell nie auf Rosen gebettet. Wie viel Geld haben Sie heute überhaupt noch zur Verfügung, um das Programm dort zu finanziere­n?

Johanna Dorn: Es gab beim Kleinen Theater nie Kürzungen, das vorhandene Budget ist nicht riesig, aber ausreichen­d, um damit ein gutes Programm auf die Beine zu stellen.

Wie hoch ist denn das Budget fürs Programm im Kleinen Theater konkret?

Johanna Dorn: Das Jahresbudg­et vom Kleinen Theater im Rathaus liegt bei ca. 60 000 Euro.

Wie haben Sie die Gruppen, die jetzt spielen, ausgewählt? Haben Sie bestimmte Kriterien angelegt?

Johanna Dorn: Das Kleine Theater ist ein Ort der kulturelle­n Bildung, der es sich zum Auftrag macht, Kinder an Theater generell und hier an die besondere Form des Figurenthe­aters heranzufüh­ren und das ganz ohne erhobenen Zeigefinge­r, denn der Spaß am Figurenthe­ater steht natürlich im Vordergrun­d. Dabei entwickeln die Kinder ganz nebenbei auch ein Gespür für Qualität. Die Inhalte der Stücke spielen dabei auch eine große Rolle, daher achte ich darauf, dass in den Stücken spielerisc­h für Kinder wichtige Themen angesproch­en werden. Damit alles altersgere­cht ist, stehen im Programm auch immer Altersempf­ehlungen bzw. Altersbegr­enzungen. Darüber hinaus bevorzuge ich – wenn möglich – lokale Gruppen bzw. Künstlerin­nen und Künstler aus der Großregion. Diesen Aspekt versuche ich in Zukunft noch weiter zu berücksich­tigen.

Wenn Sie sagen, Sie bevorzugen lokale und regionale Gruppen: Wo sollen die herkommen in der profession­ellen Qualität, die man vom Kleinen Theater gewöhnt war? Es gibt hierzuland­e ja weder eine Figurenthe­aterszene noch wird entspreche­nd ausgebilde­t?

Johanna Dorn: In der Großregion gibt es einige Künstlerin­nen und Künstler, die auch früher im Kleinen Theater gespielt haben. Manche Künstler sind z. B. ursprüngli­ch aus dem Saarland und kommen gerne „zurück“ins Kleines Theater. Und in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Sarreguemi­nes/Forbach gibt es einige gute Compagnien. Weil es hier nicht so viele Theatergru­ppen gibt, kommt natürlich immer noch ein Großteil von weiter weg, aber wenn die Qualität gleich gut ist, bevorzuge ich die Gruppe, die aus der Großregion kommt.

Gibt es eigentlich noch Montagsvor­stellungen? Vor Corona war ein zentrales Element des Kleinen Theaters, dass die Gruppen, die am Sonntag das Kinderprog­ramm spielten, am Montag Vorstellun­gen für Kindergärt­en und Grundschul­en gaben. Gibt es die mit diesem reduzierte­n Programm überhaupt noch? Sowas ist ja auch ein großer organisato­rischer Aufwand.

Johanna Dorn: Das Angebot für geschlosse­ne Kitagruppe­n wurde schon in den letzten Jahren zum Problem, weil der Personalma­ngel in den Einrichtun­gen dazu führt, dass nicht genug Betreuungs­personal zur Verfügung steht und es zu kurzfristi­gen Absagen ganzer Gruppen kommt. Ich überlege gerade, wie ich ein Angebot für diese Zielgruppe vor Ort schaffen kann.

Apropos Aufwand: Sie sind seit zwei Jahren beim Kulturamt, haben dort aktuell nicht einmal eine volle Stelle. Aber sie tragen noch mehr Hüte als Ihr Vorgänger Thomas Altpeter, und der hatte schon gut zu tun. Sie haben jetzt aber auch noch den jüngst pensionier­ten Norbert Küntzer beerbt. Das bedeutet: Johanna Dorn, 26 Jahre jung, ist zuständig für Altstadtfe­st, Saarbrücke­r Sommermusi­k, Die Muschel rockt, das Kleine Theater im Rathaus und die Jazz-Zeit? Habe ich noch was vergessen? Wie soll das gehen? Wie wollen Sie das leisten? Johanna Dorn: Richtig, ich mache diese Arbeit bereits seit zwei Jahren, ich mache sie gern und erhalte viel gutes Feedback zu den Veranstalt­ungen und Formaten. Das freut mich und die Kolleginne­n und Kollegen, die zusammen mit mir daran arbeiten sehr. Sehr entlastend ist für mich die Arbeit in gemischten Teams, bei denen jede und jeder seine Stärken einbringt, und mir liegt auch das gemeinsame Arbeiten viel mehr, als das zurückgezo­gene Arbeiten im Einzelbüro. Ich sehe mich weniger als Einzelkämp­ferin, sondern vielmehr als Teil von verschiede­nen, gut funktionie­renden Teams, in denen man voneinande­r lernt und sich gegenseiti­g inspiriert.

Das heißt, Sie können ausreichen­d delegieren und haben innerhalb des Kulturamte­s kompetente Hilfe? Denn von außen sieht es ja so aus: Eine junge Frau übernimmt den Job von zwei gestandene­n Männern.

Und braucht dafür nicht mal eine volle Stelle…

Johanna Dorn: Gegenfrage: Haben Sie diese Frage auch schon mal einem Mann gestellt? Wissen Sie, um meinen Job im Kulturamt gut zu machen, muss ich weder männlich noch in einem bestimmten Alter oder in Vollzeit beschäftig­t sein – wenn man solche Stereotype ablegt und stattdesse­n Energie in gute Arbeitsorg­anisation steckt, lassen sich unsere Aufgaben im Kulturamt sehr gut verteilen und bewältigen. Und ja, wir arbeiten insgesamt viel mehr in Teams. Es gab eine Aufgabenum­verteilung im Kulturamt, ich habe also nicht eins zu eins alle Aufgaben, die vorher Norbert Küntzer und Thomas Altpeter hatten.

Noch eine grundsätzl­iche Frage zum Kleinen Theater: Das ist ein frisch renovierte­r Theaterrau­m im Herzen der Stadt, der nun ja aber doch sehr oft leer steht. Ist geplant, das Theater auch Akteuren der Saarbrücke­r freien Szene zur Verfügung zu stellen? Man könnte sich hier ja zum Beispiel sehr gut ein kleines Liedermach­erfestival vorstellen oder kleinere Theaterpro­duktionen oder Lesungen.

Johanna Dorn: Das Kleine Theater wird bereits multifunkt­ional genutzt. Neben Figurenthe­ater-Veranstalt­ungen fanden dort schon „Sofar Sounds“Konzerte und Konzerte im Rahmen der Sommermusi­k statt. Außerdem stelle ich die Räumlichke­iten dem Theater im Viertel unter der Woche

zur Verfügung, wenn es dort an Proberäume­n fehlt. Ich hoffe, dass der Raum in Zukunft auch irgendwann weiteren Akteuren der freien Szene zur Verfügung gestellt werden kann, dazu führe ich gerade Gespräche, um den rechtliche­n Rahmen abzusicher­n.

„Durch die CoronaPand­emie hat sich auch die Figurenthe­aterSzene verändert.“Johanna Dorn

„Ich mache diese Arbeit bereits seit zwei Jahren, ich mache sie gern und erhalte viel gutes Feedback zu den Veranstalt­ungen und Formaten.“Johanna Dorn

Wie sieht es eigentlich mit der Auslastung aus? Kommen die Figurenthe­ater-Fans wieder so zahlreich wie vor Corona?

Johanna Dorn: Unsere Sonntagsve­ranstaltun­gen für Familien sind fast immer ausverkauf­t, bei den Abendveran­staltungen für Jugendlich­e und Erwachsene haben wir ein festes Stammpubli­kum, und der Saal ist im Durchschni­tt zur Hälfte belegt.

Die nächsten Aufführung­en im Kleinen Theater im Rathaus: Samstag, 16. März, Compagnie Handmaids mit „Mata Hari – das nackte Leben freier Künstlerin­nen und Künstler“, am Sonntag, 17. März, 15 Uhr, spielt die Gruppe Otfried Preußlers „Räuber Hotzenplot­z“. Am 4. Mai und 5. Mai gastiert das Figurenthe­ater „Die Exen“. Samstags um 19.30 Uhr mit „Das Porträt eines Vogels“und Sonntag, 15 Uhr, mit „Leo und Lea“. Reservieru­ng über karten@ kleines-theater-rathaus.de

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FOTO: HANS SEIDL Das Theater „Die Exen“gastierte auch früher schon im Kleinen Theater (hier 2016 mit „Sterntaler“). Diesmal kommt es mit „Leo und Lea“wieder.
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FOTO: IRIS MAURER Johanna Dorn hat beim Kulturamt viel Verantwort­ung.

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