Saarbruecker Zeitung

Stiftung hilft ausgewande­rten Rentnern

Nicht wenige Deutsche ziehen nach der Pensionier­ung nach Mallorca. Der Traum vom ewigen Urlaub unter der Sonne endet jedoch leicht in Einsamkeit und Armut. Warum immer mehr Rentner in Not geraten.

- VON RALF PETZOLD

dpa) Am Anfang hatte Roland Werner nur eine Art Kaffeeklat­sch für deutsche Senioren geplant, die nach Mallorca ausgewande­rt sind. 2017 gründete der 62-Jährige aus Worms die Hilfsorgan­isation „Herztat“. Mittlerwei­le ist der Verein mit der prominente­n Schirmherr­in, der Fernsehmod­eratorin Birgit Schrowange, jedoch eine Hilfsorgan­isation, die deutschen Auswandere­rn beisteht – nicht nur, damit sie sich in der Fremde zurechtfin­den, sondern auch um ihnen notfalls eine Rückkehr in die Heimat zu ermögliche­n.

Die Sonne strahlt am Himmel. 20 Grad Celsius zeigt das Thermomete­r auf Mallorca, auch wenn noch lange nicht Sommer ist. Zu warm, um im Pullover auf der Terrasse zu sitzen. Verständli­ch, dass viele Deutsche bei solchen Bedingunge­n davon träumen, der kalt grauen Tristesse in der Heimat zu entkommen und auf die Urlaubsins­el auszuwande­rn. Nicht wenige Rentnerinn­en und Rentner erfüllen sich diesen Wunsch, viele begehen dabei aber folgenschw­ere Fehler.

Werner ist selbst aus gesundheit­lichen Gründen bereits mit 52 Jahren in Rente gegangen. Nur auf der Couch liegen wollte er nicht. „Ich suchte eine neue Aufgabe“, erzählt er. Daher nahm er Kontakt mit der deutschspr­achigen evangelisc­hen Gemeinde auf Mallorca auf. Dort gab es bereits das Projekt „Wandern mit Leib und Seele“. „Einmal im Monat einen Ausflug machen – das reichte mir nicht“, sagt Werner. Er suchte eine Herausford­erung, stiftete eine sechsstell­ige Summe und gründete „Herztat“. „Ich habe keine Kinder.

Das wird mein Erbe sein.“

Die Geschichte sei fast immer gleich, erzählt Werner. Ein älteres Ehepaar wandert kurz nach Rentenbegi­nn nach Mallorca aus. Sie brechen in Deutschlan­d alle Zelte ab, kündigen Versicheru­ngen und melden sich bei den Behörden ab. Auf eine Anmeldung in Spanien verzichten sie aber. Einerseits kostet das Geld, anderersei­ts sprechen sie in der Regel kaum ein Wort Spanisch.

„Je nach Alter betragen die Sozialabga­ben an die 200 Euro im Monat. Die Rentner fühlen sich fit und den

ken, auch ohne Krankenver­sicherung über die Runden kommen zu können“, erzählt der 62-Jährige. Ein oft folgenschw­erer Fehler. Denn mit zunehmende­m Alter stellen sich dann bei den meisten immer mehr Gebrechen ein. Die Senioren erkranken und die Behandlung­skosten verschling­en die wenigen Ersparniss­e.

Verstirbt schließlic­h einer der Eheleute, ist der Super-Gau da. „Eine Rente fällt weg. Die Mietkosten bleiben aber in gleicher Höhe bestehen“, sagt Werner. Auf Mallorca ist die Wohnungsno­t groß. „Viele Deutsche haben den Trugschlus­s, dass das Leben auf der Insel günstiger sei. Die Mieten sind aber höher als in den meisten deutschen Gebieten. Eine Einzimmerw­ohnung unter 900 Euro findet man auf Mallorca nicht.“

Ursprüngli­ch war die „Herztat“Stiftung nur als ein Treffpunkt vorgesehen. Dabei engagieren sich Paten ehrenamtli­ch, um mit vereinsamt­en Rentnern mal einen Kaffee zu trinken, ins Kino oder zu einem Konzert zu gehen. „Das gibt es zwar immer noch, zwei Drittel unserer betreuten Personen sind mittlerwei­le aber Notfälle“, sagt der Initiator. Ein Problem ist auch, dass sich die Leute für ihre Lage schämen. Freundscha­ften und Kontakte brechen ab und die Bedürftige­n sagen immer wieder Treffen aus Geldsorgen ab, da das Budget einfach keinen Kaffee oder Bier erlaubt.

Vor zwei Jahren wurde Schrowange auf die Stiftung aufmerksam. Sie drehte eine Dokumentat­ion über Armut auf der Insel. Man verstand sich gut und der Projektlei­ter fragte, ob sich die 65-Jährige nicht vorstellen könne, für „Herztat“als Schirmherr­in zu werben. Schließlic­h ist die Organisati­on auch auf Spendengel­der angewiesen, die zuletzt immer weniger wurden. „Ich bin gesund und fit, und das Leben hat es sehr gut mit mir gemeint. Daher möchte ich einfach etwas zurückgebe­n“, sagte Schrowange in einem Interview mit dem Mallorca Magazin. Der Mallorca

Zeitung erzählte sie, dass sie schon als 17-Jährige angefangen habe, sich um ihre Altersvors­orge zu kümmern.

40 Paten betreuen heute die Notfälle. „Das sind meist Rentner, die aus Deutschlan­d und der Schweiz stammen“, sagt Werner. Im Laufe der Zeit sind aus den Ehrenamtli­chen wahre Experten im Umgang mit der Bürokratie geworden. Zuerst muss geschaut werden, wie die Bedürftige­n in eine Krankenver­sicherung aufgenomme­n werden können. Die öffentlich­en Krankenhäu­ser auf Mallorca behandeln zwar auch unversiche­rte Patienten, dann aber werden nur lebenswich­tige Maßnahmen ergriffen. „Bei einem Herzinfark­t wird die Person zwar ruhig gestellt, aber kein Stent (Anm. der Redaktion: eine künstliche Gefäßstütz­e) gesetzt, der das Risiko einer weiteren Attacke mindern würde“, beschreibt Werner.

So bleibt als letzter Ausweg meist nur die Rückkehr nach Deutschlan­d. „Die Sozialämte­r haben zwar Notfallpro­gramme, es ist aber nicht gesetzlich geregelt“, sagt Werner. Die „Herztat“-Paten kontaktier­en die Ämter, wo die Rentner zuletzt in Deutschlan­d gemeldet waren oder wo Familienan­gehörige leben, und kämpfen darum, dass die Bedürftige­n wieder in das System aufgenomme­n werden. Die Stiftung zahlt dann den Rückflug und Umzugskost­en. „Die betragen in der Regel 500 Euro“, sagt Werner.

„Die Rentner fühlen sich fit und denken, auch ohne Krankenver­sicherung über die Runden kommen zu können.“Roland Werner Gründer „Herztat“

 ?? FOTO: JOSEFFSON/PICTURE ALLIANCE ?? Vater und Sohn verbringen gemeinsame Zeit auf Mallorca. Viele Rentner, die nach Mallorca auswandern, kündigen ihre Krankenver­sicherung. Doch bei Erkrankung­en droht dann häufig ein böses Erwachen.
FOTO: JOSEFFSON/PICTURE ALLIANCE Vater und Sohn verbringen gemeinsame Zeit auf Mallorca. Viele Rentner, die nach Mallorca auswandern, kündigen ihre Krankenver­sicherung. Doch bei Erkrankung­en droht dann häufig ein böses Erwachen.

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