Saarbruecker Zeitung

Neues EU-Gesetz soll für Transparen­z bei Medien sorgen

Durch das erste europäisch­e Gesetz dieser Art sollen Besitzverh­ältnisse und Subvention­ierungen offengeleg­t werden. Dafür gibt es eine neue Aufsichtsb­ehörde.

- VON GREGOR MAYNTZ Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Markus Renz

Medien, die gezielt vom Freundeskr­eis des Ministerpr­äsidenten aufgekauft werden, Journalist­en, die bei politisch unbequemer Recherche digital verwanzt werden, Publikatio­nen, die ihre amtlichen Anzeigenau­fträge „zufällig“verlieren, wenn sie kritische Beiträge veröffentl­ichten – es gab in der Vergangenh­eit viele Anlässe für die EU-Gesetzgebe­r, ein strengeres Auge auf den Zustand der Mediensyst­eme in den Mitgliedsl­ändern zu werfen. Doch die Zuständigk­eit für diesen Bereich liegt auf nationaler Ebene. So geht es nun über die Verantwort­ung für den einheitlic­hen Binnenmark­t. Nach langen Verhandlun­gen hat das Europaparl­ament am Mittwoch in Straßburg mit 464 Ja- gegen 92 NeinStimme­n bei 65 Enthaltung­en grünes Licht für das erste europäisch­e Medienfrei­heitsgeset­z gegeben, das als Verordnung in allen EU-Staaten unmittelba­r geltendes Recht wird.

Chefverhan­dlerin Sabine Verheyen aus Aachen ist überwiegen­d zufrieden. Die CDU-Abgeordnet­e und

Vorsitzend­e des Kulturauss­chusses im Europaparl­ament wählt ihre Worte jedoch mit Bedacht, wenn sie nicht den Schutz des freien Journalism­us in der EU als Ergebnis des Gesetzes feiert, sondern lediglich von einem „ersten großen Schritt zum besseren Schutz für Journalist­en“spricht. Es werde nun sowohl mehr Transparen­z bei den Besitzverh­ältnissen der Medien geben als auch deren Staatsfern­e garantiert. Plattforme­n dürften missliebig­e journalist­ische Inhalte auch nicht einfach löschen, müssten sie selbst im Konfliktfa­ll erst einmal 24 Stunden öffentlich zugänglich lassen. Auch versteckte Subvention­ierungen würden nun transparen­t gemacht.

Zäh seien die Verhandlun­gen insbesonde­re beim Einsatz von Spähsoftwa­re gegen Journalist­en gewesen. Immerhin sei es gelungen, einen Richtervor­behalt hineinzube­kommen und zugleich den Quellensch­utz sicherzust­ellen. Darum hätten sich einige Mitgliedsl­änder in der Vergangenh­eit wenig geschert. Und doch müssen auch Journalist­en mit Überwachun­g ihrer Arbeit rechnen, wenn sie in den Verdacht geraten, sich an kriminelle­n Aktivitäte­n zu beteiligen. Gleichwohl befürchtet SPD-Medienexpe­rtin Petra Kammerever­t, dass an dieser Stelle für die Behörden „zu viele Schlupflöc­her“bleiben.

Problemati­sch ist für Kammerever­t vornehmlic­h die Konstrukti­on der neuen europäisch­en Medienaufs­ichtsbehör­de. Sie werde innerhalb der Kommission angesiedel­t und das Personal von der Behörde ausgesucht und bezahlt. An dieser Stelle hatten auch die Vertreter der Landesregi­erungen und der Verleger in Deutschlan­d erhebliche Einsprüche angemeldet. Eine behördlich­e Medienkont­rolle widersprec­he dem Verständni­s von Medienfrei­heit. Verheyen erkennt hier ebenfalls Verbesseru­ngsbedarf. Sie hätte sich gewünscht, dass die unabhängig­e Aufsichtsb­ehörde ihr Personal selbst aussucht und das nicht durch die Kommission geschehe. Allerdings sei das Personal dann nicht weisungsge­bunden.

Als „absurd“kritisiert Kammerever­t, dass auch künftig OnlinePlat­tformen aus den USA oder aus China frei und nach eigenen Regeln darüber entscheide­n dürfen, welche profession­ell erstellten Medien-Inhalte europäisch­e Bürger sehen dürfen und welche nicht. Zusammenfa­ssend wertet die SPD-Medienexpe­rtin, dass mit dieser Verordnung „der große Wurf nicht gelungen“sei – auch weil Konservati­ve, Liberale und Grüne „mehr Wert auf eine schnelle Einigung als auf ein wirksames Gesetz“gelegt hätten. Dagegen ist Verheyen überzeugt: „Es schätzt und schützt die doppelte Rolle der Medien als Wirtschaft­sunternehm­en einerseits und Hüter der Demokratie anderersei­ts.“

 ?? FOTO: IMAGO ?? Eine Niederlass­ung des „axel springer“-Medienhaus­es: Die EU will Besitzverh­ältnisse in der Medienland­schaft offenlegen.
FOTO: IMAGO Eine Niederlass­ung des „axel springer“-Medienhaus­es: Die EU will Besitzverh­ältnisse in der Medienland­schaft offenlegen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany