Neues EU-Gesetz soll für Transparenz bei Medien sorgen
Durch das erste europäische Gesetz dieser Art sollen Besitzverhältnisse und Subventionierungen offengelegt werden. Dafür gibt es eine neue Aufsichtsbehörde.
Medien, die gezielt vom Freundeskreis des Ministerpräsidenten aufgekauft werden, Journalisten, die bei politisch unbequemer Recherche digital verwanzt werden, Publikationen, die ihre amtlichen Anzeigenaufträge „zufällig“verlieren, wenn sie kritische Beiträge veröffentlichten – es gab in der Vergangenheit viele Anlässe für die EU-Gesetzgeber, ein strengeres Auge auf den Zustand der Mediensysteme in den Mitgliedsländern zu werfen. Doch die Zuständigkeit für diesen Bereich liegt auf nationaler Ebene. So geht es nun über die Verantwortung für den einheitlichen Binnenmarkt. Nach langen Verhandlungen hat das Europaparlament am Mittwoch in Straßburg mit 464 Ja- gegen 92 NeinStimmen bei 65 Enthaltungen grünes Licht für das erste europäische Medienfreiheitsgesetz gegeben, das als Verordnung in allen EU-Staaten unmittelbar geltendes Recht wird.
Chefverhandlerin Sabine Verheyen aus Aachen ist überwiegend zufrieden. Die CDU-Abgeordnete und
Vorsitzende des Kulturausschusses im Europaparlament wählt ihre Worte jedoch mit Bedacht, wenn sie nicht den Schutz des freien Journalismus in der EU als Ergebnis des Gesetzes feiert, sondern lediglich von einem „ersten großen Schritt zum besseren Schutz für Journalisten“spricht. Es werde nun sowohl mehr Transparenz bei den Besitzverhältnissen der Medien geben als auch deren Staatsferne garantiert. Plattformen dürften missliebige journalistische Inhalte auch nicht einfach löschen, müssten sie selbst im Konfliktfall erst einmal 24 Stunden öffentlich zugänglich lassen. Auch versteckte Subventionierungen würden nun transparent gemacht.
Zäh seien die Verhandlungen insbesondere beim Einsatz von Spähsoftware gegen Journalisten gewesen. Immerhin sei es gelungen, einen Richtervorbehalt hineinzubekommen und zugleich den Quellenschutz sicherzustellen. Darum hätten sich einige Mitgliedsländer in der Vergangenheit wenig geschert. Und doch müssen auch Journalisten mit Überwachung ihrer Arbeit rechnen, wenn sie in den Verdacht geraten, sich an kriminellen Aktivitäten zu beteiligen. Gleichwohl befürchtet SPD-Medienexpertin Petra Kammerevert, dass an dieser Stelle für die Behörden „zu viele Schlupflöcher“bleiben.
Problematisch ist für Kammerevert vornehmlich die Konstruktion der neuen europäischen Medienaufsichtsbehörde. Sie werde innerhalb der Kommission angesiedelt und das Personal von der Behörde ausgesucht und bezahlt. An dieser Stelle hatten auch die Vertreter der Landesregierungen und der Verleger in Deutschland erhebliche Einsprüche angemeldet. Eine behördliche Medienkontrolle widerspreche dem Verständnis von Medienfreiheit. Verheyen erkennt hier ebenfalls Verbesserungsbedarf. Sie hätte sich gewünscht, dass die unabhängige Aufsichtsbehörde ihr Personal selbst aussucht und das nicht durch die Kommission geschehe. Allerdings sei das Personal dann nicht weisungsgebunden.
Als „absurd“kritisiert Kammerevert, dass auch künftig OnlinePlattformen aus den USA oder aus China frei und nach eigenen Regeln darüber entscheiden dürfen, welche professionell erstellten Medien-Inhalte europäische Bürger sehen dürfen und welche nicht. Zusammenfassend wertet die SPD-Medienexpertin, dass mit dieser Verordnung „der große Wurf nicht gelungen“sei – auch weil Konservative, Liberale und Grüne „mehr Wert auf eine schnelle Einigung als auf ein wirksames Gesetz“gelegt hätten. Dagegen ist Verheyen überzeugt: „Es schätzt und schützt die doppelte Rolle der Medien als Wirtschaftsunternehmen einerseits und Hüter der Demokratie andererseits.“