Ein zahnloser, doch brüllender Tiger
Die Finanzkontrolleure des Bundesrechnungshofs haben nur eine Waffe: ihre Berichte. Nun findet die Ampel-Koalition, dass die Behörde völlig überzieht.
Lästiges Übel, Erbsenzähler, zynische Kontrolleure – die Bezeichnungen für die Beamten des Bundesrechnungshofs sind oft nicht schmeichelhaft. Und sie kommen vor allem aus der Politik. Denn deren Umgang mit den Geldern der Steuerzahler kontrolliert die Behörde. Unabhängig wie ein Gericht, geschützt von der Verfassung. Der Bundesrechnungshof ist zugleich eine der mächtigsten und der schwächsten Institutionen des Staates. Das lässt sich an ihrem jüngsten Bericht über die Energiewende der Ampel-Koalition ablesen. Präsident Kay Scheller stellte der Bundesregierung und vor allem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein vernichtendes Zeugnis aus. Scheller nannte die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende „ungenügend“. Das Fazit: Die deutsche Energiepolitik gefährde die Versorgungssicherheit, sei zu teuer und obendrein mit hohen Umweltrisiken verbunden. Die Bundesregierung müsse umgehend reagieren, „andernfalls droht die Energiewende zu scheitern“, mahnte Scheller. Entsprechend geharnischt fiel die Reaktion aus. Der Bericht, konterte Habeck, habe „nichts mit der Wirklichkeit zu tun“. Die Schlagzeilen jedenfalls gehörten den Finanzkontrolleuren. Doch Entscheidungsbefugnis hat der Rechnungshof nicht. Er kann keine Zahlung stoppen oder Politikern die
Entlastung verweigern, wie es im Aktienrecht möglich ist. Was beschlossen und bezahlt ist, kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Auch sonst bekommt die Behörde einiges zu hören. So macht derzeit die Runde, dass Scheller als langjähriger Direktor der Unions-Bundestagsfraktion (2005 bis 2014) eine parteipolitische Position hatte, die die Grünen tendenziell kritisch sieht. Auch die Ehefrau des Rechnungshofspräsidenten, Marion Scheller, rückt in diesem Fall in den Fokus. Sie war von 2013 bis 2016 Referatsleiterin im Bereich Energiepolitik des Wirtschaftsministeriums unter dem damaligen Minister Sigmar Gabriel (SPD), bevor sie als Lobbyistin zur Nord Stream 2 AG wechselte. Die Gesellschaft gehört zu 100 Prozent dem russischen Energieriesen Gazprom. In dieser Funktion gehörte es zu Marion Schellers Aufgaben, Verbindungen zu Regierung und Parlament zu pflegen und natürlich, die Interessen der Nord Stream 2 AG dort zu platzieren.
Das muss in Bezug zur Kontrollbehörde nichts heißen. Der Sonderbericht sorgt nun aber so sehr für Aufsehen, dass am Donnerstag auf Antrag der Union eine Aktuelle Stunde im Bundestag stattfinden wird. In diesem Fall spielt der Rechnungshof der Union in die Karten. Dass der Bundesrechnungshof auf Lobby-Interessen Rücksicht nimmt, will eigentlich nicht zum Auftrag der Behörde passen. Sie kontrolliert das Finanzgebaren von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat. Einmal jährlich veröffentlicht der Rechnungshof einen Sammelbericht, in dem ausgewählte Einzelprüfungen aufgeführt sind. In seiner Auswahl ist er völlig frei, ob Rentenversicherung oder Beschaffung von Rüstungsgütern. Dabei prüfen die Kontrolleure, ob die Ausgaben rechtmäßig und wirtschaftlich sind.
Und hier kommt die Öffentlichkeit ins Spiel. Denn die Kontrolleure können nur durch klare Aussagen, Rügen und Zurechtweisungen Einfluss ausüben. Noch nicht einmal die Klagemöglichkeit besteht. Kurzum: Die Kontrollbehörde muss sich rein mit Worten und Berichten Gehör verschaffen. Das gelingt ihr aber nicht schlecht. Denn der Aufschrei ist jedes Mal riesig, vor allem bei den Sonderberichten. Mal ist es eine Kritik an der Funktionsfähigkeit der Deutschen Bahn, mal die Beschaffung eines Transportpanzers durch die Bundeswehr.
Schaut man in die Vergangenheit, war die Große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) genauso oft Adressat von Verschwendungsvorwürfen und mangelnder Wirtschaftlichkeit wie heute die Ampel.
Die Kontrolleure können nur durch klare Aussagen, Rügen und Zurechtweisungen Einfluss ausüben.