Saarbruecker Zeitung

Giftfreie Teddybären für die kleinen Europäer

Gefährlich­es Spielzeug hat in der EU nichts zu suchen. Darüber sind sich die europäisch­en Gesetzgebe­r einig. Doch zuletzt war jedes fünfte Produkt, das von der EU aus dem Verkehr gezogen wurde, ein Spielzeug. Deshalb will die Union die SpielzeugR­ichtlinie

- VON KATRIN PRIBYL Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran Markus Renz

Die Geschichte von Cayla wird in Brüsseler Kreisen gerne erzählt, wenn es um neue Regeln für Europas Kinderzimm­er geht. Cayla mit den großen blauen Augen und den blonden Haaren sollte einst die neue Freundin von unzähligen Mädchen und Jungen werden. Doch die sprechende Puppe wurde als Spionin enttarnt. Die Behörden zogen daraufhin das Modell des chinesisch­en Unternehme­ns Genesis Toys 2017 aus dem Handel, denn alles, was das Mikrofon des Spielzeugs er

fasste, konnte auch weitergese­ndet werden, Daten wurden kabellos und via ungesicher­ter Bluetooth-Verbindung ans Smartphone oder Tablet übertragen. Eine getarnte Abhöranlag­e sozusagen. Mittlerwei­le stecken in etlichen Smart Toys ausgefeilt­e Mikrochips und Technologi­en, die es Kindern ermögliche­n, mit den Figuren zu sprechen, sie fernzusteu­ern oder mithilfe von Apps zu bedienen. Doch nicht nur das. Obwohl sich

die Gemeinscha­ft rühmt, auf dem europäisch­en Binnenmark­t die, im weltweiten Vergleich, sichersten Spielsache­n zu haben, handelte es sich bei jedem fünften Produkt, das von der EU als gefährlich eingestuft und deshalb aus dem Verkehr gezogen wurde, um ein Spielzeug, wie die CDU-Europaabge­ordnete Marion Walsmann beklagte. „Es ist inakzeptab­el, dass Spielzeug schon seit Jahren die Liste der am häufigsten gemeldeten Produktkat­egorien im europäisch­en Schnellwar­nsystem für gefährlich­e Produkte anführt.“Die seit 2009 geltende Richtlinie sei „in die Jahre gekommen“. Mit Blick auf chemische Risiken oder aber veränderte Vertriebsw­ege müsse man nachbesser­n.

Deshalb will die EU ihre bestehende­n Vorschrift­en verschärfe­n. Am Mittwoch stimmte das EU-Parlament über seine Position der überarbeit­eten Richtlinie ab. Kinder müssten „vor neuartigen, gefährlich­en Chemikalie­n geschützt werden sowie vor digitalem Spielzeug, das die Privatsphä­re ignoriert“, sagte der sozialdemo­kratische EU-Parlamenta­rier René Repasi. Dabei wolle man „alle Kinder mitdenken“, wie es die Grünen-Europaabge­ordnete Katrin Langensiep­en nannte. „Zum ersten Mal weltweit geben wir einen Verweis auf anpassungs­fähiges Spielzeug für Kinder mit Behinderun­gen.“

Während das Verbot von Stoffen in Teddybären, Puppen oder Rasseln bestehen bleiben soll, die krebserreg­end oder DNA-schädigend sind oder sich auf die Fruchtbark­eit auswirken können, sollen Spielzeuge künftig auch keine Chemikalie­n mehr enthalten, die möglicherw­eise das Hormon-, Nerven- oder Immunsyste­m beeinfluss­en können. Das hohe Haus Europas will zudem erreichen, dass in Kinderspie­lzeug kein Material mehr vorkommt, das die Atemwege schädigen kann.

Die Union will die Regeln zudem an das Zeitalter der Digitalisi­erung anpassen. So gehört zu den Plänen ein digitaler Produktpas­s, in dem die Hersteller angeben, wie sie die Sicherheit­sanforderu­ngen der Gemeinscha­ft erfüllen und über den alle wesentlich­en Informatio­nen zum Spielzeug abrufbar sind, wie etwa die Anleitung zum Zusammenba­u einer Eisenbahn. Warnhinwei­se auf Onlinemark­tplätzen müssen gut sichtbar angezeigt werden. An den EU-Außengrenz­en sollen die digitalen Pässe bei der Einfuhr gescannt und kontrollie­rt werden. Sie können für die Marktüberw­achungs- und Zollbehörd­en beispielsw­eise Informatio­nen darüber enthalten, welche Chemikalie­n im Produkt sein dürfen. Darüber hinaus forderte Repasi, Online-Marktplätz­e selbst in die Pflicht zu nehmen, um die Herkunft und die Qualität des bei ihnen erwerbbare­n Spielzeugs zu prüfen.

Derweil müsse laut Walsmann vernetztes Spielzeug künftig in Bezug auf Cybersiche­rheit sowie den Schutz personenbe­zogener Daten und der Privatsphä­re den höchsten Standards entspreche­n. Eine Puppe wie Cayla dürfte „in Zukunft gar nicht erst auf dem europäisch­en Binnenmark­t verkauft werden“, so die CDU-Politikeri­n.

Die nun anstehende­n Verhandlun­gen zwischen Europäisch­em Parlament, der EU-Kommission und dem Gremium der 27 Mitgliedst­aaten über die Neufassung der Richtlinie starten voraussich­tlich erst im kommenden Mandat nach den im Juni stattfinde­nden Europawahl­en.

„Kinder müssen vor neuartigen, gefährlich­en Chemikalie­n geschützt werden.“René Repasi (SPD) Mitglied des EU-Parlaments

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Die Puppe „Cayla“wurde 2017 aus dem Handel genommen, da sie als Abhörgerät verwendet werden konnte.

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