Landgerichts-Prozess um Mord an Gabriele M. gestartet
Die 69-Jährige war im vergangenen Herbst vergewaltigt, umgebracht und bei Neunkirchen in einen Bach geworfen worden.
Die Erinnerung ist noch frisch an das Foto, mit der die Polizei letzten Herbst im Raum Landsweiler-Reden nach der vermissten 69-jährigen Gabriele M. suchte. Mit dem E-Bike war die Frau am Vormittag des 5. September in Richtung Neunkirchen unterwegs, ehe sich ihre Spur verlor. Als sie einen Enkel nachmittags nicht wie geplant in Homburg aus dem Kindergarten abholte, schrillten die Alarmglocken. Kurz darauf fanden sich erst ihr Handy, dann die sterblichen Überreste der gelernten Krankenschwester im Sinnerbach – wenige Meter vom Radweg entfernt, der von Landsweiler-Reden zum sogenannten Plättchesdole führt.
Der Fall schaffte es bereits am 13. September in die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“. Da war die Polizei schon kurz vor der Festnahme. DNA-Spuren an der Toten hatten am selben Tag einen Treffer ergeben – am 14. September wurde in Baltersweiler der 61-jährige Thomas Paul F. festgenommen – ein mehrfach vorbestrafter Sexualstraftäter, wohnhaft in der Gemeinde Illingen. Im Frühjahr 2020 war er wegen einer positiven Sozialprognose aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden.
Jetzt hat vor dem Landgericht Saarbrücken der Prozess gegen ihn begonnen. Inzwischen steht nicht mehr nur der Vorwurf von Mord und Vergewaltigung an M. im Raum – es geht auch um sechsfache sexuelle Belästigung, Nötigung, Körperverletzung und Bedrohung. Wie die Polizei im Rahmen der Mord-Ermittlungen herausfand, wurde F. wegen unsittlichen Verhaltens in seinem Betrieb abgemahnt. Schon seit November 2022 soll er zwei jüngere Kolleginnen in der Bäckerei, in der als Reinigungskraft arbeitete, an der Brust berührt haben. Eine soll er auch bedroht haben, ihr etwas anzutun, wenn sie davon erzähle. Auch soll er in einem St. Wendeler Café, das er mit seiner Lebensgefährtin regelmäßig aufsuchte, einer Frau ab Mitte Juli 2023 viermal an die Brust gefasst haben. Im Nachklapp seiner Festnahme habe sich noch ein Fall F. zuordnen lassen. Dabei soll er am 17. Juli 2023 nahe Mainzweiler eine jüngere Frau angesprochen, berührt und mit einem Messer bedroht haben.
Der Prozess erzeugt Aufmerksamkeit – rund 50 Zuschauer verfolgen den Auftakt, an dem F. stoisch schweigt und die ganze Zeit mit gleicher Kopfhaltung ins Leere blickt. Unter den Zuschauern sind auch Mitglieder des Frauenverbands Courage, in dem sich die Getötete M. seit über 30 Jahren gegen Gewalt an Frauen und Mädchen engagiert hatte.
Als Zeugin erläutert eine Kriminaloberkommissarin die Ermittlungsergebnisse. Demnach soll F. am Tattag um 9.40 Uhr in Neunkirchen noch bei seiner Bewährungshelferin gewesen sein – und dort berichtet haben, dass er sich wieder in abgelegene Waldgebiete traue, weil er nicht mehr fürchte, dass jede entgegenkommende Frau sein nächstes Opfer werden könnte. Kurz nach 10 Uhr soll er gefahren sein. M. bog um 10.12 Uhr auf den Radweg am Sinnerbach ein, ein Rad-Inspektionstermin in Neunkirchen stand auf dem Plan. F. trat um 11.30 Uhr normal seine Schicht an.
M.s Leichnam hatte die Polizei am 7. September im Sinnerbach unterhalb des Radwegs auf Höhe der Kläranlage entdeckt – ohne Unterbekleidung, die Oberbekleidung hochgezogen, den Radhelm noch auf dem Kopf und nach hinten verschoben. Ausgezogene Kleider und Strümpfe seien verstreut gewesen, das Rad habe im Bach gelegen. Todesursächlich seien Frakturen am Ringknorpel des Kehlkopfs gewesen – die 69-Jährige sei erwürgt oder erdrosselt worden. Eindeutig identifizieren konnte man sie anhand einer kürzlichen Herzklappen-OP: im März 2023 hatte sie Stents erhalten und sich gerade gut davon erholt. M. hätte jedem geholfen, erklärten ihre drei Kinder im Zeugenstand und zeichneten teils unter Tränen auch das Bild einer sehr empathischen, fürsorglichen, beliebten und in Vereinen engagierten Frau. Alle drei nehmen seit dem Mord psychologische Hilfe in Anspruch oder planen dies. Auch die insgesamt acht Enkel litten sehr unter der Tat. Am Vortag des Mordes waren zwei von ihnen eingeschult, im Familienkreis gefeiert worden. Das Kind, das am Tattag vergebens auf das Abholen durch die Oma wartete, leide heute unter Wutausbrüchen.
Bei der Festnahme, so erklärt die Polizistin im Zeugenstand auch, habe F. nur zwei Worte gesagt. Die Frage, ob er seinen Opfertyp geändert habe – bei seinen früheren Verbrechen waren es eher jüngere Frauen oder Mädchen – habe er bejaht. Und ob sich die Tat gelohnt habe? „Nein“sei die Antwort gewesen.