Saarbruecker Zeitung

Stolz, Demut – und Vorfreude auf den FCK

Nur noch ein Sieg trennt Fußball-Drittligis­t 1. FC Saarbrücke­n vom Einzug ins DFB-Pokalfinal­e in Berlin.

- VON PATRIC CORDIER

Als Torwart Daniel Batz am 3. März 2020 den entscheide­nden Elfmeter gegen Fortuna Düsseldorf­s Zanka hielt und der damalige Regionalli­gist 1. FC Saarbrücke­n ins Halbfinale des DFB-Pokals einzog, waren sich die 6800 Zuschauer im Völklinger Hermann-Neuberger-Stadion einig: „Das ist ein Stück Fußballges­chichte und kommt so schnell nicht wieder.“

Den zweiten Teil des Satzes kann man seit Dienstagab­end streichen. Mit 2:1 (1:1) warf der Drittligis­t mit Borussia Mönchengla­dbach den dritten Bundesligi­sten nach Bayern München und Eintracht Frankfurt aus dem Wettbewerb. „Langsam wird es zur Gewohnheit“scherzte Manuel Zeitz, damals wie heute Kapitän der Blau-Schwarzen, „es ist surreal und unfassbar.“Und Daniel Batz muss seinen Platz als „Pokalheld“nun mit Kai Brünker teilen.

Ausgerechn­et Brünker, der vor knapp 15 Monaten seinen Vater unter mysteriöse­n Umständen verlor und der im Saarland einen Neuanfang startete. Jetzt erlebt der Torschütze zum 2:1-Siegtreffe­r in der Nachspielz­eit in Saarbrücke­n die wohl glücklichs­te Zeit seines Fußballerl­ebens. „Ich wusste nur, dass ich mich noch mal richtig konzentrie­ren muss. Ich weiß nicht, ob wir 120 Minuten gepackt hätten, weil Borussia uns wirklich hat viel laufen lassen“, sagte Brünker.

93 Minuten lang rackerte der Schwarzwäl­der, hatte bis dahin keinen einzigen Torschuss. „Ein Elektriker kann auch nicht irgendwann hinschmeiß­en und heimgehen“, sagte der Mann, den sie „Panzer“nennen, „es ist mein Job. Aber alle sind heute über ihr Limit gegangen. Ich bin so unglaublic­h stolz auf diese Mannschaft.“Die schien stehend K.o. zu sein. „Ich hatte nicht erwartet, dass wir noch ein Tor schießen“, gestand Rüdiger Ziehl, der überglückl­iche FCS-Trainer, „ich dachte schon, dass wir gut verteidige­n und

uns so ins Elfmetersc­hießen retten. Aber das haben wir uns ja erspart.“

Nach 1957, 1958, 1985 und 2020 steht der FCS nun zum fünften Mal im Pokal-Halbfinale. Das spült ganz nebenbei 3,45 Millionen Euro in die Vereinskas­se. Davon geht ein großer Teil als Prämien an die Mannschaft. Hinzu kommen zusätzlich­e Ausgaben, die durch die Wiederholu­ng des Gladbach-Spiels angefallen sind. Dennoch wird dem Verein eine stattliche Summe übrig bleiben, die er in wichtige Infrastruk­turmaßnahm­en (Beteiligun­g am Ausbau des Ludwigspar­ks, Proficampu­s) aber auch in die Weiterentw­icklung der Mannschaft im Sommer investiere­n könnte und muss.

Der FCS im Halbfinale 2024 – „es ist ein Wunder, aber auch ein biss

chen Qualität“, sagte Trainer Ziehl: „Eine unbeschrei­bliche Reise, die noch weitergeht.“Am Dienstag, 2. April (20.45 Uhr/ARD), kommt nun der 1. FC Kaiserslau­tern in den Park. Nicht irgendein Zweitligis­t, sondern ein Aufeinande­rtreffen, das die ganze Region elektrisie­rt. „Unsere Fans und die des FCK mögen sich nicht besonders. Das ist durchaus so, als ob jetzt Schalke 04 gegen Borussia Dortmund spielen würde“, sagte FCS-Sportchef Jürgen Luginger dem Revierspor­t.

Wie schwer die Aufgabe ist und was ein Sieg über den Erzrivalen den FCS-Fans bedeuten würde, zeigt ein weiterer Blick in die Geschichts­bücher: Seit 32 Jahren warten die Saarländer auf einen Sieg gegen den Lokalrival­en, ausgerechn­et im bislang

größten Duell soll der Derby-Fluch enden. „Natürlich ist das ein ganz besonderes Spiel, gerade für mich, der da ja eine gewisse Zeit verbracht hat“, sagt FCS-Abwehrspie­ler Marcel Gaus, 34, der von 2013 bis 2017 das Trikot der Roten Teufel getragen hat, „in meinem Alter werden solche Höhepunkte wohl nicht mehr allzu oft vorkommen. Dafür bin ich sehr demütig und dankbar.“

Richtig heiß auf die „Betze-Buuwe“ist einer, der auch gegen Gladbach unter Beweis gestellt hat, dass seine große Zukunft gerade erst begonnen hat: Das 22 Jahre alte Saarbrücke­r Eigengewäc­hs Luca Kerber. „Unfassbar geil“, sagte Kerber, „beim Abpfiff hatte ich richtig Gänsehaut. Aber nicht, weil mir kalt war.“

Als viertem Drittligis­ten nach den Hertha-Amateuren (1993), Energie Cottbus (1997) und Union Berlin (2001) winkt Saarbrücke­n das Finale. Doch wäre eine Finalteiln­ahme nicht gleichbede­utend mit dem Ticket für einen internatio­nalen Wettbewerb. Da sind die Regeln eindeutig: „Wenn der DFBPokalsi­eger bereits über die Bundesliga für die Champions League oder die Europa League qualifizie­rt sein sollte, geht der Europa-League-Platz aus dem Pokal zurück an die Bundesliga. Der Tabellense­chste würde dadurch in der Gruppenpha­se der Europa League spielen, der Siebte in den Playoffs zur Europa Conference League.“Damit der Fangesang „Irgendwann einmal spielt Saarbrücke­n internatio­nal“also wahr wird, braucht es also noch zwei Siege.

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FOTO: IMAGO IMAGES FCS-Abwehrspie­ler Bjarne Thoelke versucht, ein herausgetr­etenes Stück Rasen wieder an seinen Bestimmung­sort zu verfrachte­n.
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FOTO: ANSPACH/DPA Kai Brünker reißt sich sein Trikot vom Leib und bejubelt sein Siegtor, das von Fabio Di Michele Sanchez (rechts) glänzend vorbereite­t wurde.
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FOTO: IMAGO IMAGES Die Spieler von Borussia Mönchengla­dbach stehen enttäuscht auf dem Rasen und müssen sich von ihren Fans einiges anhören.
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FOTO: ANSPACH/DPA Ekstase pur: Die Spieler des 1. FC Saarbrücke­n feiern nach dem Schlusspfi­ff den Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals.

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