Stolz, Demut – und Vorfreude auf den FCK
Nur noch ein Sieg trennt Fußball-Drittligist 1. FC Saarbrücken vom Einzug ins DFB-Pokalfinale in Berlin.
Als Torwart Daniel Batz am 3. März 2020 den entscheidenden Elfmeter gegen Fortuna Düsseldorfs Zanka hielt und der damalige Regionalligist 1. FC Saarbrücken ins Halbfinale des DFB-Pokals einzog, waren sich die 6800 Zuschauer im Völklinger Hermann-Neuberger-Stadion einig: „Das ist ein Stück Fußballgeschichte und kommt so schnell nicht wieder.“
Den zweiten Teil des Satzes kann man seit Dienstagabend streichen. Mit 2:1 (1:1) warf der Drittligist mit Borussia Mönchengladbach den dritten Bundesligisten nach Bayern München und Eintracht Frankfurt aus dem Wettbewerb. „Langsam wird es zur Gewohnheit“scherzte Manuel Zeitz, damals wie heute Kapitän der Blau-Schwarzen, „es ist surreal und unfassbar.“Und Daniel Batz muss seinen Platz als „Pokalheld“nun mit Kai Brünker teilen.
Ausgerechnet Brünker, der vor knapp 15 Monaten seinen Vater unter mysteriösen Umständen verlor und der im Saarland einen Neuanfang startete. Jetzt erlebt der Torschütze zum 2:1-Siegtreffer in der Nachspielzeit in Saarbrücken die wohl glücklichste Zeit seines Fußballerlebens. „Ich wusste nur, dass ich mich noch mal richtig konzentrieren muss. Ich weiß nicht, ob wir 120 Minuten gepackt hätten, weil Borussia uns wirklich hat viel laufen lassen“, sagte Brünker.
93 Minuten lang rackerte der Schwarzwälder, hatte bis dahin keinen einzigen Torschuss. „Ein Elektriker kann auch nicht irgendwann hinschmeißen und heimgehen“, sagte der Mann, den sie „Panzer“nennen, „es ist mein Job. Aber alle sind heute über ihr Limit gegangen. Ich bin so unglaublich stolz auf diese Mannschaft.“Die schien stehend K.o. zu sein. „Ich hatte nicht erwartet, dass wir noch ein Tor schießen“, gestand Rüdiger Ziehl, der überglückliche FCS-Trainer, „ich dachte schon, dass wir gut verteidigen und
uns so ins Elfmeterschießen retten. Aber das haben wir uns ja erspart.“
Nach 1957, 1958, 1985 und 2020 steht der FCS nun zum fünften Mal im Pokal-Halbfinale. Das spült ganz nebenbei 3,45 Millionen Euro in die Vereinskasse. Davon geht ein großer Teil als Prämien an die Mannschaft. Hinzu kommen zusätzliche Ausgaben, die durch die Wiederholung des Gladbach-Spiels angefallen sind. Dennoch wird dem Verein eine stattliche Summe übrig bleiben, die er in wichtige Infrastrukturmaßnahmen (Beteiligung am Ausbau des Ludwigsparks, Proficampus) aber auch in die Weiterentwicklung der Mannschaft im Sommer investieren könnte und muss.
Der FCS im Halbfinale 2024 – „es ist ein Wunder, aber auch ein biss
chen Qualität“, sagte Trainer Ziehl: „Eine unbeschreibliche Reise, die noch weitergeht.“Am Dienstag, 2. April (20.45 Uhr/ARD), kommt nun der 1. FC Kaiserslautern in den Park. Nicht irgendein Zweitligist, sondern ein Aufeinandertreffen, das die ganze Region elektrisiert. „Unsere Fans und die des FCK mögen sich nicht besonders. Das ist durchaus so, als ob jetzt Schalke 04 gegen Borussia Dortmund spielen würde“, sagte FCS-Sportchef Jürgen Luginger dem Reviersport.
Wie schwer die Aufgabe ist und was ein Sieg über den Erzrivalen den FCS-Fans bedeuten würde, zeigt ein weiterer Blick in die Geschichtsbücher: Seit 32 Jahren warten die Saarländer auf einen Sieg gegen den Lokalrivalen, ausgerechnet im bislang
größten Duell soll der Derby-Fluch enden. „Natürlich ist das ein ganz besonderes Spiel, gerade für mich, der da ja eine gewisse Zeit verbracht hat“, sagt FCS-Abwehrspieler Marcel Gaus, 34, der von 2013 bis 2017 das Trikot der Roten Teufel getragen hat, „in meinem Alter werden solche Höhepunkte wohl nicht mehr allzu oft vorkommen. Dafür bin ich sehr demütig und dankbar.“
Richtig heiß auf die „Betze-Buuwe“ist einer, der auch gegen Gladbach unter Beweis gestellt hat, dass seine große Zukunft gerade erst begonnen hat: Das 22 Jahre alte Saarbrücker Eigengewächs Luca Kerber. „Unfassbar geil“, sagte Kerber, „beim Abpfiff hatte ich richtig Gänsehaut. Aber nicht, weil mir kalt war.“
Als viertem Drittligisten nach den Hertha-Amateuren (1993), Energie Cottbus (1997) und Union Berlin (2001) winkt Saarbrücken das Finale. Doch wäre eine Finalteilnahme nicht gleichbedeutend mit dem Ticket für einen internationalen Wettbewerb. Da sind die Regeln eindeutig: „Wenn der DFBPokalsieger bereits über die Bundesliga für die Champions League oder die Europa League qualifiziert sein sollte, geht der Europa-League-Platz aus dem Pokal zurück an die Bundesliga. Der Tabellensechste würde dadurch in der Gruppenphase der Europa League spielen, der Siebte in den Playoffs zur Europa Conference League.“Damit der Fangesang „Irgendwann einmal spielt Saarbrücken international“also wahr wird, braucht es also noch zwei Siege.