Saarbruecker Zeitung

Reizthema Ernährung bringt Abgeordnet­e in Wallung

Über eine Stunde lang debattiert­e der Bundestag über die jüngsten Empfehlung­en des ersten Bürgerrats zur Ernährung. Was jetzt daraus folgen soll.

- VON JAKUB DROGOWSKI

Eine Altersbegr­enzung für ungesunde Energydrin­ks, kostenlose Kita-Essen für alle Kleinkinde­r, die Abschaffun­g der Mehrwertst­euer auf Obst und Gemüse oder eine Fleisch-Abgabe – der Bundestag hat am Donnerstag kontrovers über die jüngsten Empfehlung­en des ersten Bürgerrats zur Ernährung debattiert. Die frühere Bundesverb­rauchermin­isterin Renate Künast (Grüne) forderte, den Kauf von Energydrin­ks nur noch ab einem Alter von 16 Jahren zu erlauben. Der CDU-Rechtspoli­tiker Philipp Amthor dagegen lehnte das Konzept des Bürgerrats grundsätzl­ich ab. Er warnte vor einer Auslagerun­g der Verantwort­ung des Bundestags an

Kommission­en oder „herbei quotierte Räte“.

Der vom Bundestag eingesetzt­e Bürgerrat mit 160 nach bestimmten Kriterien ausgeloste­n Mitglieder­n hatte im Februar ein „Bürgerguta­chten“vorgelegt. Er schlug unter anderem vor, auf Fleischpro­dukte, die das Klima stärker belasten als pflanzlich­e Lebensmitt­el, soll eine zweckgebun­dene „Verbrauchs­abgabe“einzuführe­n. Die Vorschläge sind für das Parlament allerdings nicht bindend, folgen sollen jetzt aber immerhin Ausschussb­eratungen im Bundestag. Der Vorsitzend­e des Ernährungs­ausschusse­s, Hermann Färber (CDU), sagte, es sei nötig, die Ergebnisse des Bürgerrats ernst zu nehmen. Man dürfe sich nicht einfach darauf beschränke­n zu sagen, warum etwas nicht gehe.

In der einstündig­en Debatte überboten sich 20 Rednerinne­n und Redner in Danksagung­en an die Teilnehmer des Bürgerrate­s. Viele der am Bürgerrat Mitwirkend­en hörten auf der Besuchertr­ibüne zu, wie etwa der CDU-Politiker Amthor seine grundsätzl­ichen „Zweifel an der Eignung“von Bürgergrem­ien darlegte. Seine Kritik gelte dabei wohlweisli­ch „der Ampel, nicht den Bürgerinne­n und Bürgern“, meinte er den Menschen auf der Tribüne zugewandt.

Grünen-Politikeri­n Künast konterte Amthors Kritik am Konzept des Bürgerrate­s mit dem Verweis auf den verstorben­en CDU-Politiker Wolfgang Schäuble. Dieser habe sich dafür ausgesproc­hen, die Bürger direkt zu befragen. „Da hatten Sie ein wichtiges Mitglied Ihrer Fraktion, dem Sie leider inhaltlich nicht folgen“, rief Künast dem abwinkende­n Amthor zu. Ein Mindestalt­er von 16 Jahren beim Kauf von Energydrin­ks gebe es bereits in anderen Ländern und verwies damit etwa auf Schweden, Norwegen, Litauen und Estland. Bei kostenlose­m Mittagesse­n an Kitas und Schulen, das Ländersach­e sei, stelle sich die Frage der Finanzieru­ng, sagte der AfDPolitik­er Peter Felser.

Künast erklärte, sie wünsche sich auch bei anderen Themen Bürgerräte. „Wir haben Gremien mit Sachverstä­ndigen aus Wirtschaft und Wissenscha­ft. Warum also nicht auch Gremien, die aus Bürgerinne­n und Bürgern bestehen“, sagte Künast unserer Redaktion. Die Wehrbeauft­ragte Eva Högl (SPD) hatte in dieser Woche etwa einen Bürgerrat zur Wiedereinf­ührung der Wehrpflich­t gefordert.

„Es macht Sinn, ab und an die Bürger und Bürgerinne­n zu fragen. Nicht nur die wissenscha­ftliche TopExperti­se. Es geht darum, ein breites Stimmungsb­ild der Bevölkerun­g zu bekommen“, sagte auch die Grünen-Politikeri­n Zoe Mayer. Zu einer möglichen Erhöhung von Fleischpre­isen sagte sie: „Mittlerwei­le ist es ja so, dass frisches Obst, Gemüse oder Hülsenfrüc­hte viel teurer sind als ein Schnitzel aus der Kühltruhe. Daher gehört die Mehrwertst­euer mit all ihren Widersprüc­hen im Bereich Ernährung grundsätzl­ich neu durchdacht“, sagte die 28-Jährige.

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FOTO: SOEREN STACHE/ DPA Renate Künast (Die Grünen) wünscht sich mehr Bürgerräte.
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FOTO: JENS BÜTTNER/ DPA Philipp Amthor (CDU) kritisiert­e das Konzept des Bürgerrats.

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