Neue Behandlungen bei Darmkrebs
Verbesserte Chemotherapien und Bestrahlungen sowie Immun- oder Mikrowellentherapien können vielen Patienten eine Darmkrebs- Operation ersparen. Was Experten der Caritas-Klinik in Saarbrücken empfehlen.
„Die Zahl der schweren Darmkrebserkrankungen sinkt. Darmkrebs kann heute viel besser behandelt werden als noch vor zehn Jahren, nicht zuletzt weil mehr Menschen zur Vorsorgeuntersuchung gehen“, sagt Prof. Dr. Manfred Lutz. Er ist im Saarbrücker Caritas-Klinikum Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie, in der Erkrankungen des Verdauungstraktes behandelt werden. „Heute können Ärzte bei einer Darmspiegelung bereits zwei, drei Millimeter große Vorwölbungen erkennen und entfernen, sogenannte Darmpolypen. Diese können eine Vorstufe von Darmkrebs sein.“
Kleinere Darmpolypen werden mit einer dünnen Schlinge abgetragen, bei größeren Polypen und auch bösartigen Wucherungen benutzt der Gastroenterologe manchmal auch kleine elektrische Messerchen. Diese werden mit dem Endoskop in den Darm geschoben. Die pilzförmigen Polypen werden wie mit einem Lasso „eingefangen“, ein kurzer Stromimpuls durch die Schlinge entwickelt Hitze, durch die die Polypen abgetrennt und sogar die durchtrennten Blutgefäße verschlossen werden.
Der Chefarzt der Klinik für Allgemein, Viszeral-, Thorax- und Tumorchirurgie im Caritas-Klinikum sowie Leiter des zertifizierten Darmkrebszentrums, Prof. Dr. Ralf Metzger, erklärt: „Polypen, die nicht rechtzeitig entfernt werden, können zu flächenförmigen Wucherungen weiterwachsen. Mit jedem Wachstum steigt das Krebsrisiko.“Vor zehn Jahren hätten größere bösartige Darmpolypen oder Krebsgeschwüre noch in einer Operation durch einen längeren Bauchschnitt entfernt werden müssen, sagt der Chirurg. „Wenn heute operiert werden muss, sind in der Regel keine großen Schnitte mehr erforderlich, sondern nur minimalinvasive Zugänge. Durch kleine, nur zwei bis drei Millimeter
große Einschnitte schieben wir die OP-Instrumente und eine Kamera in den Körper.“
Bei solchen minimalinvasiven Operationen lassen sich die Saarbrücker Tumorchirurgen von moderner Kameratechnik unterstützen. Die kleine Kamera im Inneren des Körpers überträgt Bilder in eine 3-DBrille, die sich der Chirurg aufgesetzt hat. „Die KI schafft ein dreidimensionales, stark vergrößertes Bild. Ich befinde mich quasi im Bauchraum und kann kleinste Details deutlich erkennen“, berichtet Metzger.
Künstliche Intelligenz hilft auch dabei, kleinste Polypen zu entdecken. „Ein Computerprogramm erkennt auf den Bildern der Darmspiegelung minimale Veränderungen auf der Darmschleimhaut“, erklärt Lutz. Die KI sei bei der Diagnose eine echte Hilfe. „Sie ist bereits so gut wie ein erfahrener, gut ausgeruhter Arzt.“
Krebs kann alle Teile des Dickdarms befallen, und häufig auch den letzten Teil des Darms, den Mastdarm, wo etwa die Hälfte aller Darmkrebserkrankungen auftrete. „Für jeden Patienten bedeutet eine fortgeschrittene Krebserkrankung des Mastdarms, der medizinisch als Rektum bezeichnet wird und die letzten 16 Zentren des Darms bildet, eine besonders hohe psychische Belastung, weil der Schließmuskel betroffen sein kann“, sagt Metzger.
„Wir richten unsere Therapie darauf aus, den Schließmuskel zu erhalten, sei es operativ oder durch andere Methoden.“Als Standard-Therapie würden fortgeschrittene Tumore im Mastdarm bestrahlt, hinzu komme eine Chemotherapie, ebenfalls um das Krebsgeschwür einzudämmen. In jedem Fall werde dann noch operiert.
Durch die jüngsten Fortschritte in der Medizin stünden inzwischen
Therapien zur Verfügung, die bereits vielen Patienten mit Mastdarmkrebs eine Operation ersparen könnten, erläutert Lutz. „Dazu wird die Bestrahlung mit einer intensiveren Chemotherapie kombiniert. Manchmal kann dadurch der Tumor vollständig zerstört werden. Eine Operation ist nicht mehr erforderlich.“
Ralf Metzger merkt an, anders als der Mastdarm sei der Dickdarm schlechter zu bestrahlen. „Das umliegende Gewebe reagiert sehr sensibel und kann geschädigt werden. Daher muss bei Dickdarmkrebs öfter operiert werden. Die Eingriffe erfolgen jedoch sooft wie möglich minimalinvasiv.“
Am Caritas-Klinikum gibt es sechs zertifizierte Krebszentren: für Darmkrebs, Brustkrebs, Kopf-Hals-Krebs, Gynäkologie, Blut- und Lymphdrüsen-Krebs und Speiseröhrenkrebs. Diese Zentren sind in einem interdisziplinären Onkologischen Zentrum zusammengeschlossen. Privatdozent Dr. Julian Topaly, Chefarzt der Klinik für Hämatologie, leitet das Onkologische Zentrum. „Neuartige Therapien haben dazu geführt, dass fast ein Drittel der Patienten mit lokal fortgeschrittenem Mastdarmkrebs nicht mehr operiert werden muss, um die Erkrankung zurückzudrängen“, sagt Topaly.
Beim Kampf gegen Krebs gewinne auch die Immuntherapie an Bedeutung. Das gelte auch bei Darmkrebs. „Dazu werden intravenös Medikamente verabreicht, die das Immunsystem auf Trab bringen“, erklärt Topaly. Auf der Oberfläche der Krebszellen sitzen sogenannte Oberflächenmarker, die wie eine Tarnkappe wirken. Die Immunzellen des Körpers können die Tumorzellen deshalb nicht erkennen. „Die Medikamente, die wir bei der Immuntherapie verwenden, setzen sich an den Oberflächenmarkern der Krebszellen fest und machen sie für die Immunzellen sichtbar. Das Immunsystem wird in die Lage versetzt, den Tumor anzugreifen“, erläutert Topaly. Derzeit ist die Immuntherapie nur gegen bestimmte Arten von Krebszellen einsetzbar. Sie kann also nicht bei allen Patienten angewendet werden.
„Wenn ein Darmkrebs streut, werden meist Leber und Lunge in Mitleidenschaft gezogen, oft auch Knochen und Gehirn“, sagt Metzger. Für die Bekämpfung der Metastasen stünden heute viel bessere Medikamente als noch vor zehn Jahren zur Verfügung und auch neue OP-Methoden. Neue Medikamente können Signalwege in Krebszellen blockieren, die diese zum Wachstum und zur Teilung benötigen. Dadurch wird das Wachstum gehemmt, oft schrumpft der Tumor sogar und die Bildung von Metastasen wird unterbunden.
„Metastasen können zudem durch Mikrowellen verödet werden. In den Tumor wird zielgenau eine lange Nadel gesetzt, die Mikrowellen abgibt. Dadurch sind auch schwer zugängliche Stellen erreichbar, vor allem bei Leber- und Lungenmetastasen“, erläutert Metzger.
Auf eine weitere neue Behandlungsmethode im Caritas-Klinikum verweist Julian Topaly. „Bei der Stereotaxie, einer Hochpräzisionsstrahlentherapie, können Metastasen im Kopf mit Röntgenstrahlen auf den Millimeter genau getroffen und vernichtet werden.“