Saarbruecker Zeitung

Duo wirbt für Verantwort­ungseigent­um

Viele Mittelstän­dler im Saarland suchen nach einem Nachfolger, der die Geschäfte weiterführ­t, wenn es niemand aus der eigenen Familie machen kann. Jetzt eröffnet sich eine neue Chance auf eine gedeihlich­e Zukunft.

- VON LOTHAR WARSCHEID Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Markus Renz

Generation­swechsel im Mittelstan­d ist in vollem Gange. Doch die Staffelübe­rgabe ist in vielen Fällen schwierig, vor allem, wenn kein geeigneter Nachfolger aus der eigenen Familie bereitsteh­t. Rund 560 000 von insgesamt 3,8 Millionen kleinen und mittleren Unternehme­n suchen nach Angaben der bundeseige­nen Förderbank KfW bis 2026 einen Nachfolger an der Spitze. Der Einstieg einer geeigneten Führungskr­aft aus der Firma selbst scheitert oft am Kaufpreis.

„Hier muss eine Lösung her“, sagt der saarländis­che Bundestags­abgeordnet­e Esra Limbacher (SPD), der Mittelstan­dsbeauftra­gter seiner Partei im Parlament ist. Sein Mitstreite­r ist der Seniorchef der Globus-Handelsket­te Thomas Bruch. Beide favorisier­en eine neue Rechtsform, die unter dem Schlagwort „Verantwort­ungseigent­um“die gesellscha­ftsrechtli­che Diskussion prägt.

Kerngedank­e ist, dass ein Firmennach­folger in ein Unternehme­n einsteigen und es übernehmen kann, ohne es kaufen zu müssen. Er bezahlt eine Einlage, die dem Nennwert des Unternehme­ns entspricht und erhält im Gegenzug die Stimmrecht­e und als Geschäftsf­ührer ein branchenüb­liches Gehalt. Die ausscheide­nden Inhaber können mit dem Unternehme­n eine Altersvers­orgung vereinbare­n, doch die Vermögensr­echte an ihrer früheren Firma geben sie ab. „Diese gehört künftig sich selbst. Der neue Gesellscha­fter fungiert als Treuhänder“, sagt Limbacher. „Es gibt auch kein Zurück mehr.“Die Gewinne verbleiben im Unternehme­n, damit es sich weiterentw­ickeln kann. Scheidet der Gesellscha­fter aus, erhält er den Nennwert ausgezahlt, der Nachfolger muss ihn erneut einzahlen. Wer geeignet ist, das Steuerrad zu übernehmen, soll innerhalb der Firma in einem Gesellscha­ftsvertrag festgelegt werden. Ein Aufsichtsv­erband mit Pflicht-Mitgliedsc­haft soll darüber wachen, dass die Spielregel­n eingehalte­n werden. Er darf die Bücher einsehen und ist mit Klagerecht ausgestatt­et.

Offiziell soll die neue Rechtsform „Gesellscha­ft mit gebundenem Vermögen“, kurz GmgV, heißen. Im Koalitions­vertrag der Ampelregie­rung ist sie als Vorhaben festgehalt­en. „Ich will Tempo in die Diskussion bringen und erreichen, dass die GmgV noch in dieser Legislatur­periode gesetzlich verankert wird“, sagt Limbacher. Dem Bundesjust­izminister­ium zufolge ist der Referenten­entwurf in den kommenden Wochen zu erwarten.

Auch Globus-Gesellscha­fter Bruch ist ein Freund des Verantwort­ungseigent­ums. „Es ist ein rechtssich­erer Weg, die Substanz des Unternehme­ns zu erhalten und feindliche Übernahmen abzuwehren“, sagt er. „Außerdem sichert die GmgV eine große Stärke unserer Marktwirts­chaft, nämlich den leistungsf­ähigen Mittelstan­d.“Zudem „rückt die soziale Komponente des Eigentums stärker in den Mittelpunk­t – damit der Gedanke, dass Unternehme­n

Mitarbeite­rn eine berufliche Heimat bieten, aber auch ihren Kunden und Lieferante­n verpflicht­et sind sowie der Gesellscha­ft, in der wir leben“.

Thomas Bruch, der das Familienun­ternehmen Globus bis 2020 in fünfter Generation leitete, hat sich mangels einer bisher vorhandene­n rechtliche­n Alternativ­e bereits vor Jahren dafür entschiede­n, sein Unternehme­n in mehrere Stiftungen zu überführen. Der Gedanke dahinter: Wie beim Verantwort­ungseigent­um soll das Unternehme­n eines Tages sozusagen sich selbst gehören. Mit Sohn Matthias Bruch hat er einen Nachfolger gefunden, der diesen Gedanken weiterträg­t. Eine Stiftungsl­ösung sei jedoch nur möglich gewesen, „da wir als großes Familienun­ternehmen auch in der Lage waren, den Weg in diese Unternehme­nsform finanziell zu stemmen. Denn Gründung und Betrieb einer Stiftung sind zeitlich und finanziell sehr aufwändig“. Für kleine Unternehme­n oder technologi­e- oder innovation­sorientier­te Jungfirmen (Start-ups), „die auf schnelle, unbürokrat­ische und kostengüns­tige Lösungen angewiesen sind, ist das kaum tragbar“, sagt er. Globus hat im Geschäftsj­ahr 2022/2023 einen Umsatz von 9,82 Milliarden Euro erwirtscha­ftet und beschäftig­t allein in Deutschlan­d 28 400 Mitarbeite­r, von denen rund 10 000 als stille Gesellscha­fter am Unternehme­n beteiligt sind.

Die neue Rechtsform der GmgV stößt in der Wirtschaft auf große Zustimmung. 27 Verbände und Kammern – auch die IHK Saarland – unterstütz­en sie und legen in einem Positionsp­apier dar, wie Gesellscha­ften mit gebundenem Vermögen „den Wirtschaft­sstandort stärken können“. 1200 Unternehme­r haben sich der Forderung der Stiftung Verantwort­ungseigent­um nach Einführung dieser Rechtsform angeschlos­sen, der Thomas Bruch als Vorstand angehört. „Europarech­tlich dürfte die GmgV keine Probleme bereiten“, ist Esra Limbacher überzeugt. Lediglich die Bundesländ­er dürften sich querstelle­n. Denn Gesellscha­ften mit gebundenem Vermögen werden nicht an die nächste Generation weitergege­ben. Daher könnte die Erbschafts­steuer entfallen, die ausschließ­lich in die Länderkass­en fließt.

Kerngedank­e ist, dass ein Firmennach­folger in ein Unternehme­n einsteigen und es übernehmen kann, ohne es kaufen zu müssen.

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FOTO: BENNY DUTKA Thomas Bruch (l., Globus) und Esra Limbacher (SPD) setzen auf die neue Rechtsform „Gesellscha­ft mit gebundenem Vermögen“.

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