Duo wirbt für Verantwortungseigentum
Viele Mittelständler im Saarland suchen nach einem Nachfolger, der die Geschäfte weiterführt, wenn es niemand aus der eigenen Familie machen kann. Jetzt eröffnet sich eine neue Chance auf eine gedeihliche Zukunft.
Generationswechsel im Mittelstand ist in vollem Gange. Doch die Staffelübergabe ist in vielen Fällen schwierig, vor allem, wenn kein geeigneter Nachfolger aus der eigenen Familie bereitsteht. Rund 560 000 von insgesamt 3,8 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen suchen nach Angaben der bundeseigenen Förderbank KfW bis 2026 einen Nachfolger an der Spitze. Der Einstieg einer geeigneten Führungskraft aus der Firma selbst scheitert oft am Kaufpreis.
„Hier muss eine Lösung her“, sagt der saarländische Bundestagsabgeordnete Esra Limbacher (SPD), der Mittelstandsbeauftragter seiner Partei im Parlament ist. Sein Mitstreiter ist der Seniorchef der Globus-Handelskette Thomas Bruch. Beide favorisieren eine neue Rechtsform, die unter dem Schlagwort „Verantwortungseigentum“die gesellschaftsrechtliche Diskussion prägt.
Kerngedanke ist, dass ein Firmennachfolger in ein Unternehmen einsteigen und es übernehmen kann, ohne es kaufen zu müssen. Er bezahlt eine Einlage, die dem Nennwert des Unternehmens entspricht und erhält im Gegenzug die Stimmrechte und als Geschäftsführer ein branchenübliches Gehalt. Die ausscheidenden Inhaber können mit dem Unternehmen eine Altersversorgung vereinbaren, doch die Vermögensrechte an ihrer früheren Firma geben sie ab. „Diese gehört künftig sich selbst. Der neue Gesellschafter fungiert als Treuhänder“, sagt Limbacher. „Es gibt auch kein Zurück mehr.“Die Gewinne verbleiben im Unternehmen, damit es sich weiterentwickeln kann. Scheidet der Gesellschafter aus, erhält er den Nennwert ausgezahlt, der Nachfolger muss ihn erneut einzahlen. Wer geeignet ist, das Steuerrad zu übernehmen, soll innerhalb der Firma in einem Gesellschaftsvertrag festgelegt werden. Ein Aufsichtsverband mit Pflicht-Mitgliedschaft soll darüber wachen, dass die Spielregeln eingehalten werden. Er darf die Bücher einsehen und ist mit Klagerecht ausgestattet.
Offiziell soll die neue Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“, kurz GmgV, heißen. Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist sie als Vorhaben festgehalten. „Ich will Tempo in die Diskussion bringen und erreichen, dass die GmgV noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich verankert wird“, sagt Limbacher. Dem Bundesjustizministerium zufolge ist der Referentenentwurf in den kommenden Wochen zu erwarten.
Auch Globus-Gesellschafter Bruch ist ein Freund des Verantwortungseigentums. „Es ist ein rechtssicherer Weg, die Substanz des Unternehmens zu erhalten und feindliche Übernahmen abzuwehren“, sagt er. „Außerdem sichert die GmgV eine große Stärke unserer Marktwirtschaft, nämlich den leistungsfähigen Mittelstand.“Zudem „rückt die soziale Komponente des Eigentums stärker in den Mittelpunkt – damit der Gedanke, dass Unternehmen
Mitarbeitern eine berufliche Heimat bieten, aber auch ihren Kunden und Lieferanten verpflichtet sind sowie der Gesellschaft, in der wir leben“.
Thomas Bruch, der das Familienunternehmen Globus bis 2020 in fünfter Generation leitete, hat sich mangels einer bisher vorhandenen rechtlichen Alternative bereits vor Jahren dafür entschieden, sein Unternehmen in mehrere Stiftungen zu überführen. Der Gedanke dahinter: Wie beim Verantwortungseigentum soll das Unternehmen eines Tages sozusagen sich selbst gehören. Mit Sohn Matthias Bruch hat er einen Nachfolger gefunden, der diesen Gedanken weiterträgt. Eine Stiftungslösung sei jedoch nur möglich gewesen, „da wir als großes Familienunternehmen auch in der Lage waren, den Weg in diese Unternehmensform finanziell zu stemmen. Denn Gründung und Betrieb einer Stiftung sind zeitlich und finanziell sehr aufwändig“. Für kleine Unternehmen oder technologie- oder innovationsorientierte Jungfirmen (Start-ups), „die auf schnelle, unbürokratische und kostengünstige Lösungen angewiesen sind, ist das kaum tragbar“, sagt er. Globus hat im Geschäftsjahr 2022/2023 einen Umsatz von 9,82 Milliarden Euro erwirtschaftet und beschäftigt allein in Deutschland 28 400 Mitarbeiter, von denen rund 10 000 als stille Gesellschafter am Unternehmen beteiligt sind.
Die neue Rechtsform der GmgV stößt in der Wirtschaft auf große Zustimmung. 27 Verbände und Kammern – auch die IHK Saarland – unterstützen sie und legen in einem Positionspapier dar, wie Gesellschaften mit gebundenem Vermögen „den Wirtschaftsstandort stärken können“. 1200 Unternehmer haben sich der Forderung der Stiftung Verantwortungseigentum nach Einführung dieser Rechtsform angeschlossen, der Thomas Bruch als Vorstand angehört. „Europarechtlich dürfte die GmgV keine Probleme bereiten“, ist Esra Limbacher überzeugt. Lediglich die Bundesländer dürften sich querstellen. Denn Gesellschaften mit gebundenem Vermögen werden nicht an die nächste Generation weitergegeben. Daher könnte die Erbschaftssteuer entfallen, die ausschließlich in die Länderkassen fließt.
Kerngedanke ist, dass ein Firmennachfolger in ein Unternehmen einsteigen und es übernehmen kann, ohne es kaufen zu müssen.