„Wir möchten Forum für junge Menschen sein“
Der Vorsitzende des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft spricht über Israel, die AfD und den Auftrag des Jungen Forums.
Deutsch-Israelische Gesellschaften (DIG) gibt es in ganz Deutschland. Bis vor Kurzem gab es auch überall – außer im Saarland – daran angeschlossene Junge Foren. Der letzte weiße Fleck auf der Landkarte wurde im Dezember gelöscht, als auch hier das Junge Forum der hiesigen DIG gegründet wurde. Vorsitzender ist der 32-jährige Dennis Kundrus, der als Projektleiter beim Netzwerk Demokratie und Courage arbeitet und Schatzmeister der saarländischen Linksjugend ist. Wir sprachen mit ihm über die Ziele des Jugendforums, den Antisemitismus in Deutschland und seine Haltung zur AfD.
Haben Sie das Junge Forum wegen des Terroranschlags am 7. Oktober ins Leben gerufen?
KUNDRUS Nicht ganz, aber auch. Wir hatten davor schon festgestellt, dass es viele junge Mitglieder bei der DIG gibt, es aber keine Organisation dazu gibt. Im Sommer hatten wir bereits einen Gründer- und Gründerinnenkreis ins Leben gerufen. Aber als der 7. Oktober kam, war das ohne Frage noch mal eine zusätzliche Motivation. Wir hatten die Gründung für Januar geplant, haben sie dann aber für den Dezember vorgezogen.
Wie viele Mitglieder haben Sie?
KUNDRUS Es sind ungefähr 50 Leute. Wir sind jetzt sieben Leute im Vorstand und waren insgesamt 15 Leute bei der Gründungsveranstaltung. Wir haben sowohl jüdische als auch viele nicht-jüdische Mitglieder.
Sind Sie selbst jüdisch?
KUNDRUS Nein, ich war auch noch nie in Israel. Ich bin noch nicht mal Saarländer, sondern gebürtiger Schwabe, lebe aber seit zehn Jahren im Saarland.
Was sagen Sie dazu, dass Israel von einem rechten Ministerpräsidenten regiert wird?
KUNDRUS Also für mich ist grundsätzlich die Haltung zu Israel oder auch zum Zionismus keine Frage, die abhängig von der politischen Zugehörigkeit ist. Wir haben bei uns im
Jungen Forum auch Leute von der CDU, von den Grünen und von der SPD. Das vereint uns alle, weil wir die gemeinsame Verantwortung sehen. Für mich ist es so: Beim Existenzrecht Israels spielt es keine Rolle, ob da jetzt ein Rechter oder ein Linker regiert.
Wie halten Sie es mit der AfD?
KUNDRUS Ich hätte von der AfD im Zuge des 7. Oktober doch ein bisschen was anderes erwartet als weitestgehend komplettes Schweigen.
Tino Chrupalla hat sich bei Markus Lanz nicht mal getraut, den Iran zu kritisieren! Die Teile der AfD, die jetzt nicht Israel hassen, sind trotzdem oft sehr antisemitisch, weil in dieser Partei ja dauernd geredet wird vom Schuldkult, von Erinnerungspolitik, die man abschaffen muss, von einer 180-Grad-Wende in der Erinnerungspolitik oder vom ‚Vogelschiss' der Nazi-Jahre. Das kam oft von Leuten, die so tun, als wären sie solidarisch mit jüdischen Menschen. Deswegen ist das für uns klar als Junges Forum bei diesem breiten Spektrum, das wir haben, von konservativ bis links: Mit der AfD wird nichts gemacht.
Haben Sie keine Kritik am Vorgehen Netanjahus?
KUNDRUS Man darf sich nicht vorstellen, dass wir einfach nur Lobbyisten der israelischen Regierung sind, überhaupt nicht. Wir setzen uns da sehr aktiv und auch kritisch mit der Geschichte Israels auseinander und mit dem politischen Vorgehen dort. Natürlich finden wir auch nicht alles gut. Sicherlich kann man sagen, dass die Politik von Netanjahu nicht förderlich für den Friedensprozess ist.
Sie haben sich die Pro-PalästinaDemos in Saarbrücken angeschaut – wie war Ihr Eindruck?
KUNDRUS Ich würde nicht alle Teilnehmer über einen Kamm scheren, das sind nicht alles fanatische Antisemiten. Aber sie haben sich nicht distanziert von fanatischen Antisemiten, auch nicht von der Hamas. Sie wollten sich ja dazu nicht äußern, auch nicht in der Presse. Wenn dann antisemitische Bilder abgerufen werden – der Jude als Kindermörder, als Kinderesser, der Jude als Bluttrinker – dann ist das auf jeden Fall hoch problematisch. Das ist antisemitisch, selbst wenn die Leute das vielleicht nicht mal antisemitisch meinen möchten. Oder wenn dort gerufen wird, „From the river to the sea“(„Vom Fluss bis zum Meer“, gemeint sind der Jordan und das Rote Meer, Anm. d. Red.), dann ist das eindeutig. Da geht`s nicht um eine Zwei-Staaten-Lösung, sondern darum Israel zu vernichten. Oder wenn Gaza mit den Konzentrationslagern der Nazis verglichen wird, was auch passiert ist auf diesen Demonstrationen. Da ist halt Schluss mit Kritik, da liegen halt wirklich Antisemitismus und die Relativierung der Shoah vor, und ich finde, das muss man dann auch nicht mehr tolerieren.
„Für mich ist grundsätzlich die Haltung zu Israel oder auch zum Zionismus keine Frage, die abhängig von der politischen Zugehörigkeit ist.“Dennis Kundrus Vorsitzender des Jungen Forums der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
Wie möchten Sie jetzt gegen solche Tendenzen vorgehen?
KUNDRUS Erstmal möchten wir im wahrsten Sinne des Wortes ein Forum schaffen für junge Menschen, die Israel-solidarisch sind und sich gegen Antisemitismus einsetzen möchten. Das gab es in dieser konkreten Form, lagerübergreifend, im Saarland noch nicht. Das andere ist natürlich vor allem Bildungsarbeit. Ich kann ich Ihnen jetzt noch keine Details nennen, aber wir planen mit anderen Bündnispartnern zusammen eine ganze Reihe über das Jahr mit Bildungsveranstaltungen zum Thema Israel.