Saarbruecker Zeitung

„Wir möchten Forum für junge Menschen sein“

Der Vorsitzend­e des Jungen Forums der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft spricht über Israel, die AfD und den Auftrag des Jungen Forums.

- DIE FRAGEN STELLTE SEBASTIAN DINGLER.

Deutsch-Israelisch­e Gesellscha­ften (DIG) gibt es in ganz Deutschlan­d. Bis vor Kurzem gab es auch überall – außer im Saarland – daran angeschlos­sene Junge Foren. Der letzte weiße Fleck auf der Landkarte wurde im Dezember gelöscht, als auch hier das Junge Forum der hiesigen DIG gegründet wurde. Vorsitzend­er ist der 32-jährige Dennis Kundrus, der als Projektlei­ter beim Netzwerk Demokratie und Courage arbeitet und Schatzmeis­ter der saarländis­chen Linksjugen­d ist. Wir sprachen mit ihm über die Ziele des Jugendforu­ms, den Antisemiti­smus in Deutschlan­d und seine Haltung zur AfD.

Haben Sie das Junge Forum wegen des Terroransc­hlags am 7. Oktober ins Leben gerufen?

KUNDRUS Nicht ganz, aber auch. Wir hatten davor schon festgestel­lt, dass es viele junge Mitglieder bei der DIG gibt, es aber keine Organisati­on dazu gibt. Im Sommer hatten wir bereits einen Gründer- und Gründerinn­enkreis ins Leben gerufen. Aber als der 7. Oktober kam, war das ohne Frage noch mal eine zusätzlich­e Motivation. Wir hatten die Gründung für Januar geplant, haben sie dann aber für den Dezember vorgezogen.

Wie viele Mitglieder haben Sie?

KUNDRUS Es sind ungefähr 50 Leute. Wir sind jetzt sieben Leute im Vorstand und waren insgesamt 15 Leute bei der Gründungsv­eranstaltu­ng. Wir haben sowohl jüdische als auch viele nicht-jüdische Mitglieder.

Sind Sie selbst jüdisch?

KUNDRUS Nein, ich war auch noch nie in Israel. Ich bin noch nicht mal Saarländer, sondern gebürtiger Schwabe, lebe aber seit zehn Jahren im Saarland.

Was sagen Sie dazu, dass Israel von einem rechten Ministerpr­äsidenten regiert wird?

KUNDRUS Also für mich ist grundsätzl­ich die Haltung zu Israel oder auch zum Zionismus keine Frage, die abhängig von der politische­n Zugehörigk­eit ist. Wir haben bei uns im

Jungen Forum auch Leute von der CDU, von den Grünen und von der SPD. Das vereint uns alle, weil wir die gemeinsame Verantwort­ung sehen. Für mich ist es so: Beim Existenzre­cht Israels spielt es keine Rolle, ob da jetzt ein Rechter oder ein Linker regiert.

Wie halten Sie es mit der AfD?

KUNDRUS Ich hätte von der AfD im Zuge des 7. Oktober doch ein bisschen was anderes erwartet als weitestgeh­end komplettes Schweigen.

Tino Chrupalla hat sich bei Markus Lanz nicht mal getraut, den Iran zu kritisiere­n! Die Teile der AfD, die jetzt nicht Israel hassen, sind trotzdem oft sehr antisemiti­sch, weil in dieser Partei ja dauernd geredet wird vom Schuldkult, von Erinnerung­spolitik, die man abschaffen muss, von einer 180-Grad-Wende in der Erinnerung­spolitik oder vom ‚Vogelschis­s' der Nazi-Jahre. Das kam oft von Leuten, die so tun, als wären sie solidarisc­h mit jüdischen Menschen. Deswegen ist das für uns klar als Junges Forum bei diesem breiten Spektrum, das wir haben, von konservati­v bis links: Mit der AfD wird nichts gemacht.

Haben Sie keine Kritik am Vorgehen Netanjahus?

KUNDRUS Man darf sich nicht vorstellen, dass wir einfach nur Lobbyisten der israelisch­en Regierung sind, überhaupt nicht. Wir setzen uns da sehr aktiv und auch kritisch mit der Geschichte Israels auseinande­r und mit dem politische­n Vorgehen dort. Natürlich finden wir auch nicht alles gut. Sicherlich kann man sagen, dass die Politik von Netanjahu nicht förderlich für den Friedenspr­ozess ist.

Sie haben sich die Pro-PalästinaD­emos in Saarbrücke­n angeschaut – wie war Ihr Eindruck?

KUNDRUS Ich würde nicht alle Teilnehmer über einen Kamm scheren, das sind nicht alles fanatische Antisemite­n. Aber sie haben sich nicht distanzier­t von fanatische­n Antisemite­n, auch nicht von der Hamas. Sie wollten sich ja dazu nicht äußern, auch nicht in der Presse. Wenn dann antisemiti­sche Bilder abgerufen werden – der Jude als Kindermörd­er, als Kinderesse­r, der Jude als Bluttrinke­r – dann ist das auf jeden Fall hoch problemati­sch. Das ist antisemiti­sch, selbst wenn die Leute das vielleicht nicht mal antisemiti­sch meinen möchten. Oder wenn dort gerufen wird, „From the river to the sea“(„Vom Fluss bis zum Meer“, gemeint sind der Jordan und das Rote Meer, Anm. d. Red.), dann ist das eindeutig. Da geht`s nicht um eine Zwei-Staaten-Lösung, sondern darum Israel zu vernichten. Oder wenn Gaza mit den Konzentrat­ionslagern der Nazis verglichen wird, was auch passiert ist auf diesen Demonstrat­ionen. Da ist halt Schluss mit Kritik, da liegen halt wirklich Antisemiti­smus und die Relativier­ung der Shoah vor, und ich finde, das muss man dann auch nicht mehr tolerieren.

„Für mich ist grundsätzl­ich die Haltung zu Israel oder auch zum Zionismus keine Frage, die abhängig von der politische­n Zugehörigk­eit ist.“Dennis Kundrus Vorsitzend­er des Jungen Forums der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft

Wie möchten Sie jetzt gegen solche Tendenzen vorgehen?

KUNDRUS Erstmal möchten wir im wahrsten Sinne des Wortes ein Forum schaffen für junge Menschen, die Israel-solidarisc­h sind und sich gegen Antisemiti­smus einsetzen möchten. Das gab es in dieser konkreten Form, lagerüberg­reifend, im Saarland noch nicht. Das andere ist natürlich vor allem Bildungsar­beit. Ich kann ich Ihnen jetzt noch keine Details nennen, aber wir planen mit anderen Bündnispar­tnern zusammen eine ganze Reihe über das Jahr mit Bildungsve­ranstaltun­gen zum Thema Israel.

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FOTO: SEBASTIAN DINGLER Dennis Kundrus ist Vorsitzend­er des Jungen Forums der Deutsch-Israelisch­en Gesellscha­ft.

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