Saarbruecker Zeitung

Ist Fenne ein abgehängte­r Völklinger Stadtteil?

Ein fehlender Bürgerstei­g, trotz Verbot durchbraus­ende Brummis und eine Schutt-Deponie strapazier­en die Nerven im oberen Ortsteil.

- VON MARCO REUTHER

Ein „abgehängte­r“Stadtteil? Oder doch nicht? Oder irgendetwa­s dazwischen? Die Bürgerinit­iative (BI) Fenne hatte zu einem Rundgang durch das obere Fenne eingeladen, um auf Probleme aufmerksam zu machen, die den Ort schon eine ganze Weile bewegen: der Schwerlast­verkehr, fehlende Bürgerstei­ge und eine Bauschuttd­eponie. Der Rundgang verdeutlic­ht auch, dass „oberes“und „unteres“Fenne – eigentlich „die Fenne“, wie man hier sagt – genau genommen zwei Orte sind, denn Fenne als Ganzes ist durch Schienen und ein Gewerbegeb­iet mit besagter Deponie zerschnitt­en. Der Fußweg, der einst beide Teile verbunden hatte, ist schon lange Geschichte.

Ebenfalls Geschichte sind der Boule-Club – nur noch das verwaiste Gelände gibt es – oder die Karnevalsg­esellschaf­t „Fenner Glasspatze­n“, deren einstiges Vereinshei­m schon unrettbar verfallen ist. Nicht viel besser geht es der früheren Sozialstat­ion und ein paar Baracken der ersten Generation von Gastarbeit­ern, die mit ihrer Arbeitskra­ft den Bergbau am Laufen hielten. Und in einer kleinen Gruppe einst schöner alter Wohnhäuser herrscht nun gähnende Leere. Auch die letzte von einst drei Gastwirtsc­haften musste inzwischen dichtmache­n. Der wohl größte Leerstand – und das schon seit gut zehn Jahren – ist die einstige Kirche St. Antonius von Padua. Und ob das nahe der nicht mehr sanierbare­n Kirche liegende „Casino“mit seinen benachbart­en „Mieträumen“in der ehemaligen Glashütte, 2018

eröffnet, wirklich ein Gewinn für das lokale Geschäftsl­eben ist, mag jeder für sich entscheide­n.

Doch ausschließ­lich die oben geschilder­ten Umstände zu sehen, das wäre nur die halbe Wahrheit. Denn es gibt hier auch die schön sanierten, denkmalges­chützten „Glasmacher-Häuser“und etliche weitere gepflegte Wohnhäuser. Vor etwa sechs Jahren hatte sich zudem ein türkischst­ämmiger Unternehme­r ein Herz gefasst, die beiden siebenstöc­kigen Wohnblöcke am Ortsrand gekauft und gründlich saniert. Auch gibt es einen schönen Spielplatz sowie eine neuere Sozialstat­ion, und ein Unternehme­r baut gerade eine kleine Zahl neuer Doppel-Häuser,

eines ist fertig. Zudem lässt es sich hier ruhig wohnen, bei guter Verkehrsan­bindung für Autofahrer und immerhin einer Bushaltest­elle.

Was jedoch das Zu-Fuß-Gehen betrifft: „Es fehlen etwa 250 Meter Bürgerstei­g“, schildert BI-Sprecher Uwe Müller. Und wer zu Fuß ins untere Fenne, nach Fürstenhau­sen oder weiter Richtung Wehrden möchte, dem bleibt faktisch nur dieser Weg durch die untere Hausenstra­ße und die Straße Am Holzplatz, ergänzt sein BI-Kollege Gerald Fries. Statt eines Bürgerstei­gs ist hier nur ein Stück der Fahrbahn durch eine weiße Linie für Fußgänger abgetrennt. Und der einstige Sichtschut­z am Maschendra­htzaun zur direkt neben der Straße liegenden SchuttDepo­nie erfüllt seinen Zweck inzwischen kaum noch.

Das Problem mit den dicken Brummis, die trotz Durchfahrv­erbot für Lkw in die Straße Zum Holzplatz einbiegen und dann unweigerli­ch durch die schmale Ortsdurchf­ahrt donnern, wird beim Rundgang ebenfalls deutlich: Der Fahrer eines großen Vierachser­s biegt wohl nur deshalb nicht ein, weil gerade die Männer von der BI und die Presse am Fotografie­ren sind. Mit sächsische­m Akzent klagt der junge Fahrer sein Leid: Verfahren, nachdem er vom Navi an einer ungünstige­n

Stelle von der Autobahn abgeleitet wurde, und nun keine Ahnung hat, wie er ans nahe Ziel kommen soll. Schließlic­h kommt ein per Handy herbeigeru­fener Mitarbeite­r des Unternehme­ns, um ihn durch die erlaubte Straßenfüh­rung zu lotsen.

Der Mitarbeite­r wird später mit großem Bedauern bestätigen: Es komme immer wieder vor, dass welche von den mindestens 20 Lkw täglich, die das Unternehme­n ansteuern, verbotswid­rig die Ortsdurchf­ahrt nehmen – weil sich die sehr oft wechselnde­n Fahrer verschiede­ner Speditione­n nicht auskennen, oft kaum Deutsch sprechen, und wenn sie nicht mehr weiter wissen, doch mit ihren 20- bis 40-Tonnern die verbotene Strecke nehmen. Der Fenner Paul Breuer, der gerade mit seinem Hund vorbeikomm­t, schildert, dass er von Lkw-Fahrern, die er auf ihre Fehler aufmerksam machte, auch schon den „Stinkefing­er“gezeigt bekommen habe.

Im Gespräch mit Bürgermeis­ter Christoph Sellen sei mal angeregt worden, an der Straßenein­fahrt, ähnlich wie vor manchen Parkhäuser­n, eine Höhenbegre­nzung zu errichten, so dass die dicken Brummis nicht mehr durchkomme­n – Realisieru­ngsstand? Offen.

In Sachen Bürgerstei­g gibt es aber eine gute Nachricht, ergab

eine Nachfrage bei der Völklinger Stadtpress­estelle: Nachdem die BI zuletzt 2022 eine Eingabe bezüglich des Bürgerstei­gs gemacht hatte, wurden die Kosten ermittelt und die benötigten Gelder in den Haushalten 2024 und 2025 angemeldet. „Der Haushalt 2024 ist noch nicht genehmigt. Sobald der Haushalt genehmigt ist, wird der Fachdienst Straßen-, Brücken- und Kanalbau einen Planungsau­ftrag für die gesamte Hausenstra­ße bis zum Spielplatz in die Wege leiten“, sagt Pressespre­cher Sebastian Feß.

Die angesproch­ene Höhenbegre­nzung werde derzeit, nachdem es einen Vor-Ort-Termin gegeben hatte, von der Straßenver­kehrsbehör­de geprüft. Entscheide­nd kann dabei die Frage werden, ob eine solche Begrenzung auch ein Hindernis für Feuerwehr-Fahrzeuge sein würde, die ja im Falle eines Falles den Ort schnellstm­öglich erreichen müssen.

Zur Schuttdepo­nie hieß es von der Stadt, dass der Containerd­ienst Lehnhoff eine entspreche­nde Genehmigun­g nach dem Bundes-Immissions­schutzgese­tz habe; die Genehmigun­g sei, obwohl damals von der Stadt abgelehnt, 2010 erteilt worden. Zuständig sei damit das Landesamt für Umwelt- und Arbeitssch­utz (LUA). „Es gab bereits in der Vergangenh­eit ähnliche Beschwerde­n, weshalb die Untere Bauaufsich­tsbehörde die Situation im März 2022 aufgegriff­en hat. Die Firma Lehnhoff teilte der Stadtverwa­ltung damals mit, dass der Betrieb regelmäßig vom LUA überprüft wird. Die Stadtverwa­ltung kann das LUA über die neuerliche­n Eingaben informiere­n, sodass dieses tätig wird.“

Unterm Strich: Im Oberen Fenne gibt es ernstzuneh­mende Baustellen, die der Lösung harren. Endgültig abgehängt? Wohl nicht, aber gerade in einer Zeit steckend, in der sich entscheide­t, in welche Richtung die Weichen gestellt werden.

 ?? FOTO: MARCO REUTHER ?? Von der Bürgerinit­iative Fenne: Sprecher Uwe Müller (links) und Gerald Fries. Statt eines Bürgerstei­gs gibt’s hier eine „schöne Aussicht“auf eine Bauschutth­alde, eines der trennenden Elemente zwischen dem oberen und unteren Teil von Fenne.
FOTO: MARCO REUTHER Von der Bürgerinit­iative Fenne: Sprecher Uwe Müller (links) und Gerald Fries. Statt eines Bürgerstei­gs gibt’s hier eine „schöne Aussicht“auf eine Bauschutth­alde, eines der trennenden Elemente zwischen dem oberen und unteren Teil von Fenne.
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FOTO: MARCO REUTHER Er wird doch nicht ... ? Eigentlich dürfen Lkw nicht in die Straße „Am Holzplatz“(links) einbiegen, viele Fahrer machen‘s dennoch und landen so unweigerli­ch in der engen Ortsdurchf­ahrt im oberen Fenne.
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FOTO: MR Kein schöner Anblick: versteckt hinter Bäumen, die leer stehende Wohnbarack­e am Übergang zwischen der Hausenstra­ße und der Straße „Am Holzplatz“.
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FOTO:BECKERBRED­EL Die schön sanierten, zwischen 1904 und 1908 gebauten „Glasmacher­häuser“im oberen Fenne.
 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Größter Leerstand in Fenne: die einstige Kirche St. Antonius von Padua wird seit gut zehn Jahren nicht mehr genutzt.
FOTO: BECKERBRED­EL Größter Leerstand in Fenne: die einstige Kirche St. Antonius von Padua wird seit gut zehn Jahren nicht mehr genutzt.

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