Saarbruecker Zeitung

Die Gewalt im Amateurfuß­ball bleibt allgegenwä­rtig

In Bremen sahen sich die Verbands-Verantwort­lichen zu drastische­n Maßnahmen gezwungen – auch der DFB will entgegenwi­rken.

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(sid) Der Schock in Bremen saß tief. Üble Beleidigun­gen, ein Tritt gegen den Kopf, ein gezücktes Messer: Weil die Gewalt im Amateurber­eich nicht abebbt, sah sich der Bremer Fußball-Verband gezwungen, alle für das vergangene Wochenende geplanten Spiele abzusetzen. Ein letzter Strohhalm, um die Lage irgendwie zu beruhigen.

„Das ist keine Strafaktio­n gewesen“, sagte Verbands-Präsident Patrick von Haacke: „Das war ein Zeichen, innezuhalt­en und zu sagen: Komm, wir denken darüber nach“. Was die bisher einmalige Aktion „im Endeffekt“gebracht habe, könne er aber nicht sagen und werde sich zeigen, sagte von Haacke: „Aber als Zeichen und Mahnmal war es richtig gut.“

Und dieses scheint bitter nötig gewesen zu sein. Denn nicht nur in Bremen, sondern landesweit sind Gewalt und Diskrimini­erung auf dem Sportplatz keine Seltenheit. Auch im Saarland kommt es immer mal wieder zu Vorfällen. „Das, was wir hier sehen, das sind andere Dimensione­n. Das hat mit Fußball überhaupt nichts zu tun“, betonte von Haacke, der sich die Entscheidu­ng zur Generalabs­age nach diversen Hass- und Gewaltvorf­ällen in verschiede­nen Altersklas­sen mit seinem Präsidium nicht leicht gemacht hatte. „Mich hat man damit überzeugt, dass man gesagt hat: Patrick, worauf willst du warten? Dass jemand tot in der Ecke liegt?“

Können Generalabs­agen die Lösung des Gewaltprob­lems sein? „Aus Erfahrung kann ich sagen: Dort, wo dieses Mittel ergriffen wurde, gab es auch danach Vorfälle. Das Allheilmit­tel ist es also nicht. Es ist sicherlich die Ultima Ratio, um jedem klarzumach­en, um was es geht und dass es so nicht weitergehe­n kann“, sagte DFB-Vizepräsid­ent Ronny Zimmermann zu der Aktion: „Aber es wäre falsch zu erwarten, dass danach heile Welt herrscht.“

Die gibt es schon seit Jahren nicht mehr, die Anzahl der Vorfälle bewegt sich auf einem konstant hohen Niveau. Der Deutsche Fußball-Bund versucht vieles, um präventiv entgegenzu­wirken. Für Zimmermann geht das Problem aber über den Fußball hinaus. „Gewalt ist Bestandtei­l unserer Gesellscha­ft. Wir haben an einem normalen Wochenende zwischen 50 000 und 65 000 Spiele im deutschen Amateurfuß­ball, also mehrere Millionen Menschen auf den Sportplätz­en. Das sind nicht alles Engel. Der Fußball ist ein Querschnit­t der Gesellscha­ft“, betonte

Zimmermann, der den Fußball aber als „weitaus sicherer als jedes Konzert oder Fest“einstuft: „Ja, Gewalt ist ein Problem im Fußball. Aber der Eindruck, dass es beim Fußball ständig knallt, ist in Relation der Zahlen schlicht falsch.“

Dennoch bleibt das Thema im Amateurfuß­ball allgegenwä­rtig. Und dramatisch­e Einzelfäll­e sorgen immer wieder für Entsetzen. Trauriger Tiefpunkt war im vergangene­n Jahr der Tod eines 15-Jährigen, der bei einem internatio­nalen Jugendfußb­allturnier in Frankfurt nach einem Faustschla­g eines mittlerwei­le verurteilt­en Gegenspiel­ers zusammenge­brochen und später verstorben war.

Mit einer Reihe von Maßnahmen soll der Gewalt entgegenge­wirkt werden. Ein zentraler Bestandtei­l, um Gewalt, Hass und Diskrimini­erung von Fußballplä­tzen fernzuhalt­en, ist dazu die enge Zusammenar­beit mit den Justizbehö­rden. Der Bayerische Fußball-Verband beispielsw­eise kooperiert mit der Generalsta­atsanwalts­chaft München. Der BFV leitet dadurch ungeachtet der sportgeric­htlichen Aufarbeitu­ng Fälle von Tragweite an die Justiz weiter. Eine derartige Kooperatio­n kann sich auch von Haacke vorstellen.

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