Saarbruecker Zeitung

Mützenich nach Rede zur Ukraine-Politik massiv in der Kritik

Politiker aus Opposition und Ampel kritisiere­n den SPD-Fraktionsc­hef scharf für dessen Äußerungen zum „Einfrieren“des Krieges in der Ukraine.

- VON JAN DREBES

BERLIN Die Debatte um den richtigen Kurs in der Ukraine-Politik nimmt weiter an Fahrt auf. Nach Kritik aus der Union hat am Freitag auch die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), einer Aussage von SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich über ein mögliches Einfrieren des Krieges widersproc­hen. „Wenn das die Haltung der Sozialdemo­kratie ist, das werden wir intern selbstvers­tändlich klären, dann ist das ein Paradigmen­wechsel“, sagte die FDP-Politikeri­n. „Ich bin sicher, dass die Ukraine genauso entsetzt war wie wir alle im Bundestag, als wir das gehört haben.“

Mützenich hatte am Donnerstag in der Bundestags­debatte über den Taurus-Antrag der CDU/CSU auf die umfangreic­he deutsche Unterstütz­ung mit Militärgüt­ern, humanitäre­r Hilfe und bei der Aufnahme von Flüchtling­en hingewiese­n. Zugleich sagte er, es müsse damit umgegangen werden, dass viele Länder außerhalb Europas einen anderen Blick auf diesen Krieg hätten. Daher müsse die Frage gestellt werden, „wie wir diese Länder überzeugen können, uns in Europa stärker von dieser Kriegsfess­el auch zu befreien“. Mützenich fuhr fort mit einer Frage, die nach seinen Worten manchmal im Bundestag als „Schandflec­k“bezeichnet werde. Er sagte wörtlich: „Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?“Gehe es „nicht auch politisch um diese Fragen?“

Grünen-Chef Omid Nouripour sagte dazu unserer Redaktion: „Die jahrelange Naivität der Gro

Ko gegenüber Putin hat uns in eine fatale Abhängigke­it von Kreml-Gas geführt. Diese Naivität sollte auch in der Sozialdemo­kratie endlich überwunden werden, anstatt in alte und von der Realität überholte Positionen zurückzufa­llen.“Die Ukraine verteidige nicht nur sich selbst, sondern die Sicherheit Europas vor der nächsten Aggression Russlands. „Wir sollten uns sehr klarmachen, worum es geht: Unseren Frieden und unsere Sicherheit in Europa.“Dies schade dem Ansehen Deutschlan­ds in der Welt. FDP-Chef Lindner betonte in der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“: „Fragen der Sicherheit der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und der Existenz der Demokratie in der Ukraine dürfen nicht zum Gegenstand von Vorwahlkam­pf werden, wie es der Vorsitzend­e der SPD-Fraktion versucht hat.“

Der CDU-Außenpolit­iker Roderich Kiesewette­r äußerte die Vermutung, dass die Äußerung Mützenichs mit dem Kanzleramt abgesproch­en war. Der Vorstoß sei ein „Versuchsba­llon“gewesen, der die Positionie­rung der SPD insgesamt aufzeige, sagte Kiesewette­r. Die Idee des Einfrieren­s zeige, „dass die SPD nach wie vor eine Russlandro­mantik hat, die uns in Deutschlan­d jetzt furchtbar einholt“, so Kiesewette­r.

Die Kritik an seinen Äußerungen über ein mögliches Einfrieren des Konflikts will Mützenich nicht stehenlass­en. „Wie so oft werden Satzstücke gezielt umgedeutet und skandalisi­ert. Russland darf diesen Krieg nicht gewinnen. Die staatliche Souveränit­ät und territoria­le Unversehrt­heit der Ukraine ist unser klares Ziel“, sagte er unserer Redaktion. „Ich habe mich in meiner Rede klar für die Unterstütz­ung der Ukraine – auch mit Waffen und Munition – ausgesproc­hen und habe darüber hinaus – wie zuvor viele vor mir – angeregt, nicht nur über Militärhil­fen, sondern auch über die Bedingunge­n für ein mögliches Kriegsende nachzudenk­en. Ich rede damit keinesfall­s einer Preisgabe der völkerrech­tswidrig besetzten Gebiete im Osten der Ukraine und der Krim das Wort. Alle können das in meiner Rede nachlesen“, sagte Mützenich. „Über einen Waffenstil­lstand und ein Einfrieren der Kämpfe kann nur die ukrainisch­e Regierung entscheide­n“, betonte der SPD-Fraktionsc­hef.

„Dies enthebt uns nicht von der Verantwort­ung, auch über Wege und Perspektiv­en für die Zeit nach dem Ende des Krieges nachzudenk­en“, so Mützenich. „Weltweit sind viele territoria­le Konflikte, die mit militärisc­her, einseitige­r Gewalt begonnen und geführt wurden, bis heute ‚eingefrore­n`. Auch in diesen Fällen, beispielsw­eise Zypern, Südossetie­n, Transnistr­ien und Korea, setzen wir uns für die Wiederhers­tellung der territoria­len Integrität, Unversehrt­heit und einen endgültige­n Friedenssc­hluss ein“, sagte Mützenich. „Es geht um Fragen von Krieg und Frieden. Wie mittlerwei­le auch öffentlich bekannt wurde, stand die Gefahr eines Einsatzes von taktischen Atomwaffen im Raum. Ich erwarte von allen in der politische­n Debatte eine Angemessen­heit im Ton. Zeitenwend­en sind nichts für politische Spielernat­uren“, mahnte der SPD-Politiker.

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FOTO: SERHAT KOCAK/ DPA Vorsitzend­er der SPD-Bundestags­fraktion Rolf Mützenich

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